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Die Terroranschläge am 11. September 2001 erschütterten die im Westen weit verbreitete Vorstellung, Islamismus stelle allenfalls eine Bedrohung für die muslimische Welt dar. Die USA reagierten auf 9/11 mit der Ausrufung eines Krieges gegen den Terror; zahlreiche westliche Regierungen schlossen sich diesem 'Krieg' an und erließen oder verschärften Antiterrorgesetze. Hinzu kam eine hitzig geführte Debatte darüber, was Terrorismus mit dem Islam zu tun hat und wie sich der Islam zu den westlichen Werten verhält.Zwei Jahrzehnte nach 9/11 - und mehrere weitere einschneidende islamistische Anschläge…mehr

Produktbeschreibung
Die Terroranschläge am 11. September 2001 erschütterten die im Westen weit verbreitete Vorstellung, Islamismus stelle allenfalls eine Bedrohung für die muslimische Welt dar. Die USA reagierten auf 9/11 mit der Ausrufung eines Krieges gegen den Terror; zahlreiche westliche Regierungen schlossen sich diesem 'Krieg' an und erließen oder verschärften Antiterrorgesetze. Hinzu kam eine hitzig geführte Debatte darüber, was Terrorismus mit dem Islam zu tun hat und wie sich der Islam zu den westlichen Werten verhält.Zwei Jahrzehnte nach 9/11 - und mehrere weitere einschneidende islamistische Anschläge später (Madrid, London, Paris, Nizza, Berlin) - versucht dieser Band eine Bestandsaufnahme. Im Mittelpunkt stehen dabei die Fragen: ·Welche Folgen haben die ergriffenen Antiterrormaßnahmen für Islamisten - trugen sie zu einer Schwächung oder gar Stärkung des Islamismus bei? ·Gibt es blinde Flecken im Umgang des Westens mit dem Islamismus? ·Welchen gesellschaftspolitischen Einfluss haben Islamisten in westlichen Ländern? Wie wirkt sich die gegenwärtige Integrationspolitik auf sie aus?Der Band versucht eine Annäherung an die Thematik durch sach- und faktenbasierte Analysen, die eine Debatte ermöglichen und sich einer solchen stellen wollen.Mit Beiträgen von: Helene Aecherli, Ebrahim Afsah, Volker Beck, Aje Carlbom, Heiko Heinisch, Ayaan Hirsi Ali, Eckhard Jesse, Necla Kelek, Thomas Kessler, Ruud Koopmans, Sandra Kostner, Elham Manea, Markus Norell, Armin Pfahl-Traughber, Rebecca Schönenbach, Kristina Schröder, Susanne Schröter, Lorenzo Vidino, Joachim Wagner und Michael Wolffsohn
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Thomas Thiel empfiehlt Politikern, die mit dem Islamismus befasst sind, den von Sandra Kostner und Elham Manea herausgegebenen Sammelband mit Texten von Ruud Koopmans, Susanne Schröter u. a. Die These des Bandes, die eine Verbindung zwischen Islamismus und Dschihadismus feststellt, sorgt laut Thiel für Klarstellungen in der Islamismus-Debatte, etwa betreffend die Vorstellung, dass Gewalt vor allem von radikalisierten Einzelgängern ausgeht. Letzteres widerlegt Schröter mit Hinweisen auf den hohen Bildungsstand und die religiöse Motivation der Attentäter vom elften September, meint Thiel. Sichtbar wird für den Rezensenten indes auch, dass die Verbindungslinien zwischen legalistischem und terroristischem Islam so eindeutig nicht immer sind.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.10.2021

Das Doppelgesicht des Islamismus
Ein Sammelband zum islamistischen Terror seit 9/11 nimmt zentrale Erklärungsmuster der westlichen Politik ins Visier

Der zwanzigste Jahrestag des elften September ist ein einleuchtendes Datum für eine Bilanz des Islamismus. Der Terroranschlag brachte nicht nur eine Wende in der Einschätzung des seither als globale Gefahr wahrgenommenen Dschihadismus, er war auch Beginn einer Serie von mehr als tausend islamistischen Anschlägen, die besonders arabische Länder trafen, aber auch in Europa viele hundert Menschenleben kosteten und schon allein durch den vorher umstrittenen Ausbau der Überwachung den Lebensstil tiefgreifend veränderten.

Die größte Terrorgefahr geht seither weltweit vom Islamismus aus, der totalitären Ideologie, welche die Attentäter zusammenhält. Dass der mit großen finanziellen und personellen Verlusten geführte Kampf gegen den Terror erfolglos blieb, wie der missglückte Rückzug aus Afghanistan gerade deutlich gemacht hat, liege daran, dass man die Verbindung zwischen Islamismus und Dschihadismus ignoriert hat. So habe man nur den einzelnen Anschlägen hinterherlaufen können, ohne das Phänomen an der Wurzel zu packen. Das ist die These eines Sammelbands, der bekannte Kritiker des politischen Islam wie Susanne Schröter, Ruud Koopmans und Ayaan Hirsi Ali versammelt.

Der Band entkräftet gleich eine ganze Reihe von Fehlannahmen und Verharmlosungen in der Islamismus-Debatte. Die westliche Politik hat sich nach dem Konsens der meisten Autoren hinter dem Mantra versteckt, Anschläge hätten selbst dann nichts mit dem Islam zu tun, wenn sie von Attentätern aus islamistischen Milieus ausdrücklich im Namen des Islams begangen wurden. Eines der einflussreichsten Missverständnisse bestehe darin, die Gewalttaten würden von einsamen Wölfen begangen, die von einer in westlichen Gesellschaften grassierenden Islamfeindlichkeit in den Terror gedrängt worden und nicht wirklich religiös seien.

Nach der Enthauptung von Samuel Paty kann man das eigentlich nicht mehr behaupten, legten die nachfolgenden Ermittlungen doch das islamistische Netzwerk offen, das die Tat begünstigte. Wie Susanne Schröter in ihrem Beitrag zeigt, konnte man dies eigentlich schon nach dem Anschlag vom elften September wissen. Die überdurchschnittlich reichen, gebildeten und tief religiösen Studenten, die ihn verübten, waren der leibhaftige Gegenbeweis zur These vom radikalisierten Außenseiter. Wie eine nach der Tat aufgefundene Skizze zeigte, war der Anschlag von Anfang bis Ende in religiöse Rituale eingefasst, Islamwissenschaftler erkannten Bezüge zu Vordenkern der Muslimbruderschaft wie Hassan al-Banna und Said Qutb, also einer gebildeten Variante des Islamismus. Für Schröter hatte die Tat deshalb ein klar religiöses Motiv, zumal sich dschihadistische Gewalt auf Passagen aus dem Koran und den Hadithen berufen könne.

Ruud Koopmans widerlegt überzeugend die verbreitete Meinung, der islamistische Terror sei ein Produkt von Islamfeindlichkeit. Seinen eigenen empirischen Studien zufolge gab es weder vor dem elften September noch danach einen signifikanten Anstieg von Muslimfeindlichkeit in Europa. Vielmehr sei der Islam von Politikern nach Anschlägen meist in Schutz genommen worden. Dieses Muster sei schon seit dem elften September zu beobachten. Direkt nach dem Anschlag habe der damalige amerikanische Präsident George W. Bush gesagt, der Islam sei von den Terroristen gekapert worden. Auch die seit Jahren rückläufige amtliche Statistik gibt keinen Hinweis auf eine grassierende Islamophobie. Gegen die auch in der Wissenschaft häufig vertretene These, der Terror sei ein Produkt von Islamophobie, spricht für Koopmans schon die simple Tatsache, dass die meisten Attentate gar nicht auf europäischem Boden verübt werden. Will man für die Morde in Mali, Nigeria oder Pakistan wirklich einen europäischen Islamhass verantwortlich machen?

Die Beiträge machen allerdings auch klar, dass es keineswegs leicht ist, die Verbindung zwischen legalistischem und terroristischem Islamismus konsequent zu ziehen. Manchmal kooperieren legalistische Islamisten mit Terroristen, in anderen Fällen werden sie von ihnen bekämpft. Fragwürdig ist die in Deutschland besonders von der SPD vertretene Strategie, bei der Terrorprävention auf die Hilfe von legalistischen Islamisten zu bauen. Die Mittel mögen zwar unterschiedlich sein, gemeinsam ist beiden Ausprägungen des Islamismus aber das Ziel einer theokratischen Ordnung nach Scharia-Recht, die sich mit freiheitlichen Werten nicht verträgt; beide wollen Muslime in Europa der Gesellschaft entfremden.

In den meisten westlichen Staaten, auch in Deutschland, hat die Politik seit dem elften September keine schlüssige Position zum Islamismus gefunden. Das gilt besonders für die Vertreter des legalistischen Islamismus wie die Muslimbruderschaft, die in Europa weite Netzwerke aufgebaut hat. So kommt es, dass Sicherheitsdienste mit dramatischen Worten vor dem Vormarsch des legalistischen Islamismus warnen und dessen Vertreter gleichzeitig von der Politik bis hin zum Familien- und Außenministerium hofiert und mit staatlichen Fördergeldern überschüttet werden. Mittlerweile ist eine Förderstruktur entstanden, die Kooperation mit Islamisten profitabel macht und deren Begünstigte Kritik schon aus finanziellem Eigeninteresse abwehren - nicht selten greifen sie dabei zur Denunziation. Die Herausgeber machen klar, dass die Kooperationsbereitschaft dort aufhören muss, wo der Islamismus anfängt. Würde die Politik danach handeln, wäre schon viel gewonnen. THOMAS THIEL

Sandra Kostner und Elham Manea (Hg.): "Lehren aus 9/11". Zum Umgang des Westens mit Islamismus.

ibidem Verlag, Stuttgart 2021. 414 S., br., 22,- Euro.

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