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Else von Richthofen ist eine junge Frau der Jahrhundertwende, die im Zwiespalt zwischen Konvention und Emanzipation eine widersprüchliche Modernisierung erlebt: Studium und Promotion mit Sondergenehmigung, Engagement in der Frauenbewegung, erste weibliche Fabrikinspektorin in Deutschland - und plötzlich zwei Brüche: zuerst Flucht aus dem Beruf und offene Ehe mit dem Millionär Edgar Jaffé, dann alleinerziehende Mutter und Geliebte der Brüder Max und Alfred Weber. Die Heidelberger Geselligkeits- und Kommunikationskultur, die emanzipatorische Erotik der Schwabinger Bohème und die Münchner…mehr

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Produktbeschreibung
Else von Richthofen ist eine junge Frau der Jahrhundertwende, die im Zwiespalt zwischen Konvention und Emanzipation eine widersprüchliche Modernisierung erlebt: Studium und Promotion mit Sondergenehmigung, Engagement in der Frauenbewegung, erste weibliche Fabrikinspektorin in Deutschland - und plötzlich zwei Brüche: zuerst Flucht aus dem Beruf und offene Ehe mit dem Millionär Edgar Jaffé, dann alleinerziehende Mutter und Geliebte der Brüder Max und Alfred Weber. Die Heidelberger Geselligkeits- und Kommunikationskultur, die emanzipatorische Erotik der Schwabinger Bohème und die Münchner Situation in Weltkrieg und Revolution geben den Rahmen ab für das Leben einer ungewöhnlichen Frau, der es gelang, sich in intellektueller, beruflicher und erotischer Hinsicht von den Zwängen der Wilhelminischen Gesellschaft zu emanzipieren.
Autorenporträt
Eberhard Demm lehrte an den Universitäten von Alberta in Edmonton, Amsterdam, Paris X, Paris XII und war zuletzt o. Professor an der Universität Lyon III. Nach seiner Pensionierung schloss er sich dem Forschungszentrum CERAAC der Universität Grenoble III an. Gastprofessuren in Berlin, Heidelberg, Riga, Koszalin und Middlebury (USA). In der Reihe Schriften des Bundesarchivs erschien seine Biographie Alfred Webers.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.08.2014

Akademische Liebschaften
Else Jaffé-von Richthofen

Ein solch unterhaltsames Buch erwartet man nicht in den "Schriften des Bundesarchivs"! Immerhin gibt es einen dienstrechtlichen Aufhänger: Die 1874 geborene Elisabeth Freiin von Richthofen, genannt Else, war nach ihrer Promotion bei Max Weber von 1900 bis 1902 als Fabrikinspektorin mit der Bezeichnung "wissenschaftlich gebildete Hilfsarbeiterin" die erste höhere Staatsbeamtin in Deutschland, berichtet Eberhard Demm, der sich bereits mit dem Soziologen und Nationalökonomen Alfred Weber, dem jüngeren Bruder des berühmteren Max, befasst hat.

Else hatte großes Mitgefühl mit dem materiellen Elend der Arbeiterinnen, empfand jedoch ihre Karlsruher Tätigkeit als intellektuell eintönig. So kehrte sie - "blendend schön, intelligent und interessant" - vordergründig zurück zur Orientierung der bürgerlichen Frau auf Familie und Kinder. Sie angelte sich einen steinreichen Kommilitonen aus ihrer Studienzeit: Edgar Jaffé. Der akzeptierte ihr dominantes Wesen und tolerierte jene "offene Ehe", die den verborgenen Bedürfnissen der vorübergehenden Staatsdienerin entsprach. Else verlor damals den Beamtenstatus, weil dieser bei Frauen an Ehelosigkeit gebunden war; die "volle Hingabe" nahm der badische Dienstherr noch wörtlich.

Zwischen 1903 und 1909 bekam Else drei Kinder von ihrem Mann, ein weiteres von einem Psychiater, und außerdem hatte sie ein Dauerverhältnis mit einem Chirurgie-Privatdozenten. Dann trat als "Märchenprinz" Alfred Weber in ihr Leben, was zur Trennung von Ehemann Edgar führte, der sie und die Kinder im neuen oberbayerischen Domizil großzügigst finanziell versorgte. Als Muse diente sie Alfred, dem sie durch "erotische Impulse" zu wissenschaftlichen Hochleistungen verhalf. Parallel dazu warb Max Weber um sie, der aber erst 1918 erhört wurde und sich ihr unterwerfen durfte; allerdings soll es weder im Eisenbahntunnel von Bruchsal noch in einer Gondel in Venedig zum Äußersten gekommen sein.

Im Ersten Weltkrieg übernahm Else Jaffé bis 1916 im Nationalen Frauendienst soziale Aufgaben. Die Parolen der Kriegspropaganda verfingen bei ihr, vor allem der perverse "Glaube an die deutsche Sendung". In den Revolutionswirren übernahm Jaffé Anfang November 1918 in der Regierung Eisner das Finanzressort: "Else ist stolz auf ihre neue Rolle als Beraterin eines Ministers, und zum ersten Mal in ihrem Leben bewundert sie ihren Mann grenzenlos." Nach Eisners Ermordung war Jaffés Karriere beendet, bald musste er in eine Nervenheilanstalt und starb Anfang 1921 an einer Lungenentzündung.

Demm meint, dass Else 1918/19 mit drei Männern "schon rein zeitlich leicht überfordert" war. Irgendwann schwächelt die stärkste Frau, zumal sie Max - wie dessen Ehefrau feststellte - nicht nur geistig in Hochform versetzte. Max Weber verschied im Juni 1920 (Lungenentzündung). Schließlich blieb Else Alfreds Lebensgefährtin. Sie wurde 99 Jahre alt. Ihre erste, wilde Lebenshälfte zwischen Heidelberger Gelehrtenwelt und Münchener Bohème ruft nach Verfilmung.

RAINER BLASIUS

Eberhard Demm: Else Jaffé-von Richthofen. Erfülltes Leben zwischen Max und Alfred Weber. Droste Verlag, Düsseldorf 2014. 248 S., 35,- [Euro].

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