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PULANG (HEIMKEHR NACH JAKARTA) erschien 2012 in Indonesien und erregte viel Aufsehen. Die Autorin war gerade drei Jahre alt, als die Massenmorde an angeblichen Sympathisanten der Kommunistischen Partei Indonesiens im September 1965 begannen. Hunderttausende Menschen starben, weil sie eine eigene politische Meinung hatten. Damit begann die Diktatur von Präsident Suharto. Joshua Oppenheimer hat die Pogrome in seinen Filmen THE ACT OF KILLING und THE LOOK OF SILENCE auf außergewöhnliche Weise dokumentiert.
PULANG (das indonesische Wort für Heimat) befaßt sich mit dem Schicksal einer Gruppe von
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Produktbeschreibung
PULANG (HEIMKEHR NACH JAKARTA) erschien 2012 in Indonesien und erregte viel Aufsehen. Die Autorin war gerade drei Jahre alt, als die Massenmorde an angeblichen Sympathisanten der Kommunistischen Partei Indonesiens im September 1965 begannen. Hunderttausende Menschen starben, weil sie eine eigene politische Meinung hatten. Damit begann die Diktatur von Präsident Suharto. Joshua Oppenheimer hat die Pogrome in seinen Filmen THE ACT OF KILLING und THE LOOK OF SILENCE auf außergewöhnliche Weise dokumentiert.

PULANG (das indonesische Wort für Heimat) befaßt sich mit dem Schicksal einer Gruppe von Journalisten, die aufgrund der Ereignisse im September 1965 im Exil in Paris leben und nicht mehr in ihre Heimat zurückkehren können. Pam Allen ("Inside Indonesia") charakterisiert Leila S. Chudoris Buch als wichtigen Beitrag der Aufarbeitung dieses Themas, als "Gegengift" gegen die offizielle Version der Geschichte, die unter Suharto verbreitet wurde.

Der Roman verknüpft die historischen Ereignisse mit dem persönlichen Schicksal zweier Generationen. Dimas Suryo, der 1965 im Ausland war und nicht mehr nach Indonesien zurückkehren konnte, lebt als Mitbesitzer eines indonesischen Restaurants in Paris und leidet lebenslang unter seiner Heimatlosigkeit. Lintang Utara, seine Tochter mit der Französin Vivienne, reist 1998 für die Examensarbeit ihres Filmstudiums nach Jakarta und begegnet auf ihre Art der Geschichte und Gegenwart Indonesiens. Sie gerät in die Studentenunruhen, die zum Ende der Ära Suharto führten.

PULANG (HEIMKEHR NACH JAKARTA) ist nicht nur spannend, en passant erfährt man viel über Indonesien und seine Kultur. Vor allem das Essen ist der Autorin wichtig: Für sie ist es Teil der gelebten Kultur ihres Landes, und sie schildert die Kochkünste des Protagonisten detailliert und inspirierend.

Das Buch ist in seiner Struktur komplex gebaut; verschiedene Zeitebenen und Erzählperspektiven setzen das Narrativ gekonnt zusammen. Ein großartiger und groß angelegter Roman, der weit mehr ist als ein Bild Indonesiens: Er ist ein Stück Weltliteratur.
Autorenporträt
LEILA S. CHUDORI, 1962 in Jakarta geboren, begann bereits mit zwölf Jahren zu schreiben. Ihre Kurzgeschichten erschienen in verschiedenen indonesischen Zeitschriften. Sie studierte Politikwissenschaft und Vergleichende Gesellschaftspolitik an der University of Trent, Kanada. Seit 1989 arbeitet sie als Redakteurin bei der indonesischen Zeitschrift 'Tempo'. Darüber hinaus schreibt sie Drehbücher für Fernsehfilme. 2007 wurde sie für ihre Arbeit als Drehbuchautorin ausgezeichnet.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Martin Zähringer lobt Leila S. Chudoris Exilgeschichte um eine indonesische Familie im Paris Ende der 90er für ihre politische Komponente und ihre sinnliche Seite. Das interkulturelle Potenzial der Geschichte kann die Autorin, laut Zähringer befeuert aus eigener Erfahrung, glaubhaft entfalten. Dass trotz Landeskunde und Rückgriff auf die Ereignisse in Indonesien 1965/66 Raum für Romantik, Spannung und einen universellen Zugang des Lesers zum Buch bleibt und es der Autorin gelingt, psychologisch komplexe Charaktere zu schaffen, findet der Rezensent bemerkenswert.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.10.2015

Schritte in die schwarze Höhle

In den sechziger Jahren wurden in Indonesien Hunderttausende von Menschen ermordet. Die Autorinnen Leila Chudori und Laksmi Pamuntjak nähern sich dem unerzählten Trauma ihres Landes in zwei sehr unterschiedlichen Romanen.

Von Florian Balke

Als der Vater verhaftet wird, will sein kleiner Sohn ihm nahe sein und zieht zu ihm ins Gefängnis. Das schert die indonesische Militärregierung wenig. Sie ist in den späten sechziger Jahren vollauf damit beschäftigt, alle ihre Gegner von der politischen Linken, die sie noch nicht hat ermorden lassen, zu verfolgen und gefangen zu nehmen. Dazu hat sie in bestimmten Fällen ohnehin Sippenhaft angeordnet, da schert ein weiterer Insasse niemanden. Die Gefängnisverwaltung erfasst den Jungen nicht, ein freundlicher Wärter sorgt zudem dafür, dass er von dem, was hinter Gittern geschieht, nicht allzu viel mitbekommt. Später allerdings wird der Vater verlegt, ohne den Sohn, von dessen Leben die Gefängnisbürokratie niemals Kenntnis genommen hat. Auch der Wärter, der die Gegenwart des Jungen hätte erklären können, ist versetzt worden. Als das Regime des Generals Suharto daher mehr als zehntausend politische Gefangene zur Zwangsarbeit auf die Molukken deportiert, wird der unschuldige Jugendliche zusammen mit ihnen auf die abgelegene Insel Buru gebracht, in die Lager, in denen er stirbt.

Die Geschichte, die Kafka und Dickens sich nicht effektvoller hätten ausdenken können, nimmt in Laksmi Pamuntjaks Roman "Alle Farben rot" nur knapp vier von fast 700 Seiten ein. Aber die Vignette bleibt dem Leser im Gedächtnis, wie viele andere Verbrechensgeschichten in diesem Buch, mit dem die 1971 in Jakarta geborene Schriftstellerin an die Massaker erinnert, die am Anfang von Suhartos 1998 gestürzter Diktatur standen.

Im indonesischen Original ist Pamuntjaks Debütroman schon 2012 erschienen, im gleichen Jahr wie Leila Chudoris Roman "Pulang (Heimkehr nach Jakarta)", der sich desselben Themas annimmt wie "Alle Farben rot" und zum indonesischen Gastlandauftritt auf der Frankfurter Buchmesse ebenfalls ins Deutsche übertragen worden ist. Beide Bücher führen in das hinein, was bei Chudori "die weitläufige, tiefschwarze Höhle der Geschichte Indonesiens" heißt, eine Höhle, von der eine ihrer Romanfiguren das Gefühl hat, sie habe nur die ersten paar zaghaften Schritte in sie hinein getan.

Wie E. M. Forsters Höhle von Marabar in "Auf der Suche nach Indien" enthält das Dunkel etwas zutiefst Beunruhigendes, das die seit inzwischen knapp zwanzig Jahren wieder demokratisch verfasste Gesellschaft des Inselstaats noch immer scheut. Die rechte Gewalt, der nach dem 30. September 1965 mehrere hunderttausend, vielleicht sogar mehr als eine Million Menschen zum Opfer fielen, war bis zum Sturz der Militärdiktatur zwar durchaus Teil des offiziellen Erinnerns. Allerdings galt sie als notwendiger Akt des nationalen Widerstandes gegen eine Unterwanderung des Staates durch Kommunisten. Die offizielle Version der Geschehnisse wurde den Bürgern immer wieder neu eingehämmert - in den Schauer-Dioramen eines großen Museums in Jakarta, in einem den Kindern jährlich gezeigten Vierstundenfilm, in Schulbüchern.

Nach dem Ende der Diktatur verzichteten Regierung, Parlament und Volk auf die Einsicht, dass Indonesiens Nachkriegsdemokratie in einem Bruderkrieg untergegangen war, dessen Aufarbeitung Schuldige auf allen Ebenen der Gesellschaft sichtbar gemacht hätte - Nachbarn hatten Nachbarn abgeschlachtet. Stattdessen beließ man es beim Gefühl, den Diktator dreißig Jahre später aus dem Amt gejagt zu haben. Noch immer, beklagt Chudori zu Recht, tragen Hauptverkehrsstraßen in Jakarta die Namen der Generäle, deren Ermordung in einem angeblichen linken Putsch die Rechte nach 1965 zum Anlass für den Massenmord nahm.

Aus dem Verlangen der Schriftstellerinnen, ihren Lesern das Verdrängte der indonesischen Geschichte zurück ins Bewusstsein zu rufen, sind zwei sehr verschiedene Romane geworden. Pamuntjak beginnt ihre Erzählung im März 2006 in einem Krankenhaus auf Buru. Die in Jakarta lebende Übersetzerin Amba erholt sich dort von einem Angriff, dessen Opfer sie bei der Suche nach ihrem ehemaligen Geliebten Bhisma geworden ist. Ein unbekannter Absender hat ihr geschrieben, der junge Chirurg, den sie im Schicksalsherbst 1965 in einem kleinen Krankenhaus im Osten Javas kennengelernt hatte, sei kurz zuvor gestorben. Dass der Mann, für den Amba seinerzeit ihren Verlobten Salwa sitzenließ, schon bald nach ihrer ersten Begegnung verhaftet worden war, hatte sie gewusst. Was danach aus ihm wurde, konnte sie nie genau in Erfahrung bringen. Auf Buru sucht sie nach Spuren seines Lebens in den Lagern und versucht herauszufinden, wie er starb.

Wie Chudoris Roman ist Pamuntjaks mehrfach umgeschriebenes Buch als Erinnerungsfanal gelungen, als Erzählwerk aber mit einigen Schwächen behaftet. Zu ihnen zählt die Idee, Amba, Bhisma und Salwa durchleben zu lassen, was im "Mahabharata" den Heldenfiguren widerfährt, nach denen sie heißen. Zwar berichtet das indische Epos, das die Kultur Indonesiens maßgeblich beeinflusst hat, genau von dem Bruderkrieg, den Pamuntjak ihren Lesern vor Augen führen will. Der mythologische Hintergrund ihrer Hauptpersonen aber schwächt fast für einen Augenblick zu lange deren Wahrnehmung als eigenständige Gegenwartsmenschen. Erst mit zunehmender Dauer des Buches entfaltet sich die Kraft, die ein solches mythopoetisches Erzählen mit sich bringt, auch hier, in einem immer dichteren Geflecht von Beziehungen, Anspielungen und Auslassungen. Was in diesem Buch was ist, wird erst langsam klar. Gerade das oft schwindelerregende Schwanken einer traumatisierten Welt zwischen Normalität und Katastrophe aber fängt der Roman dadurch exzellent ein.

Chudoris Buch setzt demgegenüber ganz auf die Notwendigkeit, Entscheidungen zu treffen und zu handeln. Es ist das Werk einer Journalistin, zupackend, klar, schwungvoll, gefühls- und meinungsstark. Und voller Kochrezepte, die von der verlorenen, aber am Herd wiedererringbaren Heimat des Exilanten sprechen, was gelegentlich eher nach Jamie Oliver schmeckt als nach Warlam Schalamow. Die 1962 in Jakarta geborene Autorin erzählt in "Pulang" vom Tageszeitungsredakteur Dimas Suryo, der sich Mitte der sechziger Jahre als einziger Angehöriger seiner Redaktion noch nicht auf eine bestimmte politische Seite geschlagen hat. Als das Militär die Macht an sich reißt, befindet er sich auf einer Auslandsreise, als staatenloser Flüchtling trifft er in Paris im Mai 1968 auf die französische Studentin Vivienne. Die gemeinsame Tochter Lintang, die an der Sorbonne Film studiert, macht sich dreißig Jahre später auf in die Heimat ihres Vaters, um einen Film über die Massaker zu drehen, und gerät dabei in die Unruhen des Mai 1998, in denen Suharto gestürzt wurde.

Das optimistische Ende passt zu zwei Büchern, die jeweils nur kurz in die Folterkeller führen. Ob das der mangelnden Belastbarkeit indonesischer Leser oder der Dezenz der Autorinnen geschuldet ist, bleibt unklar. Chudori sagt, sie habe einige ihr geschilderte Episoden einfach nicht aufschreiben können. So wie die von der Frau des Künstlers, die sich nackt vor eine Wand stellen musste, damit Soldaten sie mit Dartpfeilen bewerfen konnten. "Man mag mich feige nennen, aber ich konnte es nicht." So sind sogar die Romane, die die Sprachlosigkeit einer Gesellschaft beenden, noch immer von derselben Sprachlosigkeit gezeichnet.

Leila S. Chudori: "Pulang (Heimkehr nach Jakarta)". Roman.

Aus dem Indonesischen von Sabine Müller. Weidle Verlag, Bonn 2015. 432 S., geb., 25,- [Euro].

Laksmi Pamuntjak: "Alle Farben rot". Roman.

Aus dem Indonesischen von Martina Heinschke. Ullstein Verlag, Berlin 2015. 672 S., geb., 24,- [Euro].

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