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Für seine Kritiker war das im November 1995 geschaffene Dayton-Bosnien von Anfang an ein "künstlicher" Staat, den eigentlich keine der ehemaligen Konfliktparteien in dieser Form haben wollte. Erst die Übertragung von weit reichenden Kompetenzen an den Hohen Repräsentanten der Staatengemeinschaft führte zu substanziellen Fortschritten im bosnisch-herzegowinischen Friedensprozess. Der Preis dafür ist freilich, dass der formal souveräne Staat Bosnien und Herzegowina kaum noch von einem internationalen Protektorat zu unterscheiden ist.
Viele Hoffnungen im Hinblick auf ein Zusammenwachsen der
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Produktbeschreibung
Für seine Kritiker war das im November 1995 geschaffene Dayton-Bosnien von Anfang an ein "künstlicher" Staat, den eigentlich keine der ehemaligen Konfliktparteien in dieser Form haben wollte. Erst die Übertragung von weit reichenden Kompetenzen an den Hohen Repräsentanten der Staatengemeinschaft führte zu substanziellen Fortschritten im bosnisch-herzegowinischen Friedensprozess. Der Preis dafür ist freilich, dass der formal souveräne Staat Bosnien und Herzegowina kaum noch von einem internationalen Protektorat zu unterscheiden ist.

Viele Hoffnungen im Hinblick auf ein Zusammenwachsen der beiden Staatsteile von Bosnien und Herzegowina, der Republika Srpska und der bosniakisch-kroatischen Föderation, sind auf das Engagement der Europäischen Union in der Balkan-Region gerichtet. Die EU hat den Ländern des Westbalkans eine Beitrittsperspektive gegeben, vorausgesetzt, dass es in der Region selbst eine engere Zusammenarbeit gibt. Europas Balkanpolitik steht vor allem in Bosnien und Herzegowina auf dem Prüfstand, denn die EU übt dort über ihren Hohen Repräsentanten nicht nur einen starken politischen Einfluss aus, sondern hat im Dezember 2004 auch die Verantwortung für die militärische Friedensmission übernommen.
Im vorliegenden Sammelband ziehen ausgewiesene Südosteuropaexperten aus einem sicherheitspolitischen, ökonomischen und humanitären Blickwinkel Bilanz über den bisherigen Verlauf des bosnisch-herzegowinischen Friedensprozesses und zeigen mögliche Entwicklungsperspektiven auf. Darüber hinaus wird in einer Szenarienanalyse der Einfluss regionaler Entwicklungen auf den Friedensprozess untersucht.
Autorenporträt
Dr. Erich Reiter, geb. 1944 in Fürstenfeld/Stmk. Berufstätigkeit u. a. im Bundeskanzleramt, Außenministerium, Wissenschaftsministerium, zuletzt Sektionschef im Verteidigungsministerium, Beauftragter für strategische Studien. Honorarprofessor für Internationale Wirtschafts- und Sozialbeziehungen an der Universität Graz. Langjähriger Leiter des Ludwig-Boltzmann-Institut für politische Soziologie, Herausgeber mehrerer Buch- und Schriftenreihen sowie Autor zahlreicher politikwissenschaftlicher Publikationen zum Thema Sicherheitspolitik.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.05.2006

Viel Ungelöstes
Europa und die Balkan-Krise

Der Band gibt einen realitätsbezogenen Überblick über die europäischen Versuche, der Balkan-Krise der neunziger Jahre Herr zu werden und den Konflikt mit politischen Mitteln beizulegen, sodann über das europäische Wirken in Bosnien-Hercegovina nach der Nato-Intervention von 1995 und über die Anteile einzelner Balkan-Staaten an dem Befriedungsprozeß. Die für die Grundlagen des "Friedensprozesses" wesentlichen militärischen Fakten und Bezüge erscheinen dagegen deutlich unterbelichtet, obwohl die internationale militärische Sicherheitspräsenz in Nato-Regie positiv gewürdigt wird. Im Kern befassen sich Autoren von der österreichischen Landesverteidigungsakademie und vom Sicherheitspolitischen Büro des Bundesministeriums für Landesverteidigung mit der europäischen und regionalen Politik in jener Phase, als die Nato mit den Vereinigten Staaten bereits das Hauptproblem gelöst hatte: die Beendigung des Krieges mit der Folge der Beendigung jeglicher bewaffneter Gewalt im Lande seit dem Waffenstillstand von 1995 und dem Abkommen von Dayton.

Diese Selbstbegrenzung der Publikation entspricht dem Grundmuster der österreichischen Außenpolitik der Neutralität außerhalb der Nato. Mit dieser - politisch wohl in Wien vorgegebenen - Einschränkung handelt es sich um eine im Detail akribische Untersuchung. Die Beurteilung der weiteren Perspektiven einer soliden Befriedung ist skeptisch: "Die bisher praktizierte Politik der EU war nicht dazu geeignet, eine dauerhafte Stabilisierung auf dem Westbalkan zu erreichen ... Die wesentlichen Epizentren der auch künftig noch möglichen Konfliktausbrüche sind Bosnien und Hercegovina, weil die grundlegenden Probleme dort nicht gelöst, sondern nur eingefroren wurden, das Kosovo, weil seine Zugehörigkeit zu Serbien ebenso offen ist wie eine ... zufriedenstellende Regelung für die serbische Minderheit im Kosovo, und Mazedonien, weil es die albanische Frage noch keineswegs gelöst hat", bemerkt Herausgeber Erich Reiter. Das um Objektivität bemühte Sammelwerk steht in einem wohltuenden Gegensatz zu den euphemistischen Darstellungen von offizieller Seite in den Hauptstädten Europas über die Erfolge und Segnungen der europäischen Balkan-Politik.

LOTHAR RÜHL

Erich Reiter/Predrag Jurekovic (Herausgeber): Bosnien und Herzegowina. Europas Balkanpolitik auf dem Prüfstand. Nomos Verlag, Baden-Baden 2005. 255 S., 49,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Nüchtern und nicht sehr ausführlich informiert der Rezensent Lothar Rühl über diesen Band. Einzelne Beiträge werden nicht erwähnt. Man kann der Kritik aber entnehmen, dass dieser Band vor allem durch die Zurückhaltung und das Augenmaß überzeugt, mit denen er sich seinem heiklen Gegenstand widmet. Es geht darin um die europäische Balkanpolitik, und dabei auch um den gegenwärtigen Stand und die Folgen der Intervention, die Mitte der 90er Jahre den Krieg beendete. Mit Skepsis wird der Status Quo betrachtet, in dem Probleme oftmals weniger gelöst als vorläufig suspendiert scheinen - dies betreffe vor allem Bosnien und Herzegowina sowie das Kosovo. Der Rezensent teilt diese Skepsis und lobt die Autoren dafür, dass sie die sonst üblichen Beschönigungen nicht mitmachen.

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