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Peter Singer behandelt in seinem Buch "Leben und Tod" Fragen, die nicht nur die Medizin, Justiz und Philosophie beschäftigen. Auch in der breiten Öffentlichkeit werden sie angesichts der Konfrontation mit dramatischen Fällen immer wieder gestellt: Wann beginnt das Leben? Wann endet das Leben? Ist ein hirntoter Mensch wirklich tot? Dürfen Ärzte und Ärztinnen die Lebensfunktionen einer hirntoten schwangeren Frau künstlich aufrechterhalten, damit der Fötus überleben kann? Dürfen sie schwergeschädigte Neugeborene sterben lassen? Haben todkranke Menschen ein Recht auf ärztliche Sterbehilfe? Die…mehr

Produktbeschreibung
Peter Singer behandelt in seinem Buch "Leben und Tod" Fragen, die nicht nur die Medizin, Justiz und Philosophie beschäftigen. Auch in der breiten Öffentlichkeit werden sie angesichts der Konfrontation mit dramatischen Fällen immer wieder gestellt: Wann beginnt das Leben? Wann endet das Leben? Ist ein hirntoter Mensch wirklich tot? Dürfen Ärzte und Ärztinnen die Lebensfunktionen einer hirntoten schwangeren Frau künstlich aufrechterhalten, damit der Fötus überleben kann? Dürfen sie schwergeschädigte Neugeborene sterben lassen? Haben todkranke Menschen ein Recht auf ärztliche Sterbehilfe?
Die Entscheidungen und Vorgehensweisen der modernen Medizin sind mit den Intuitionen vieler Menschen nicht mehr in Einklang zu bringen. Der Fall des "Erlanger Babys" hat dies in Deutschland dramatisch vor Augen geführt. Doch er ist nur einer von vielen Fällen, die zeigen, daß wir die Frage nach der ethischen Begründung unseres Verständnisses von Leben und Tod und den daraus resultierenden praktischen Konsequenzen offen stellen müssen.
In den Niederlanden sind mittlerweile die rechtlichen Voraussetzungen für die straffreie Gewährung ärztlicher Sterbehilfe geschaffen worden, im amerikanischen Bundesstaat Oregon dürfen Ärzte Beihilfe zum Suizid leisten. Doch in anderen Ländern stehen sich Befürworter und Gegner eines selbstbestimmten Sterbens unversöhnlich gegenüber, und schon die öffentliche Diskussion solcher Fragen scheint problematisch.
In dem Buch "Leben und Tod" zieht Peter Singer das Fazit seiner bisherigen Überlegungen zu den ethischen Fragen am Beginn und Ende des Lebens und wagt eine ungewöhnliche Zusammenführung seiner tierethischen Ansichten mit den Fragen von Lebensqualität, Lebensrecht, Lebenserhaltung etc. Er beweist dabei einerseits die gewohnte, für ihn charakteristische Konsequenz in der Argumentation, zeigt andererseits aber auch eine neue, für viele gewiß überraschende Rücksicht auf die Frage des emotionalen Umgangs mit existentiell dilemmatischen Erfahrungen.
Peter Singer, geb. 1946, ist Professor für Philosophie und stellvertretender Direktor des Centre for Human Bioethics an der Monash University Melbourne/Australien.
International bekannt wurde Peter Singer vor allem durch sein Buch "Animal Liberation. Befreiung der Tiere". Im Harald Fischer Verlag sind bisher von ihm erschienen: "Muß dieses Kind am Leben bleiben? Das Problem schwerstgeschädigter Neugeborener" (mit Helga Kuhse, ISBN 3- 89131-110-9) und "Wie sollen wir leben? Ethik in einer egoistischen Zeit" (ISBN 3-89131-115-X).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.12.1999

Machen fünf Gebote schon einen halben Moses?
Der Ethiker Peter Singer bringt seine Überlegungen zum Leben und Sterben zum Abschluss

Als Peter Singers "Praktische Ethik" 1994 in zweiter Auflage auf Deutsch erschien, enthielt sie ein ungewöhnliches Nachwort: "Wie man in Deutschland mundtot gemacht wird". Das klang etwas paradox in einem Buch, das immerhin in Reclams Universalbibliothek Platz fand, aber tatsächlich waren Auftritte Singers und Veranstaltungen zu seinen Thesen in den Jahren zuvor vehement gestört und zuweilen mit Gewalt verhindert worden. Der gesprächsverweigernde Protest richtete sich dabei nicht gegen Singers schon früh in seinem Buch "Animal Liberation" entwickelte tierethische Überlegungen, sondern gegen seine Auffassungen zur Sterbehilfe sowie zum Lebensrecht von Föten und Neugeborenen. Ebenfalls 1994 brachte der australische Moralphilosoph, der seit kurzem in Princeton lehrt, diesen Teil seines Denkens mit "Rethinking Life and Death" zu einem vorläufigen Abschluss.

Dessen Lektüre bringt wieder einmal Gewinn, gerade dort, wo sie zum Widerspruch reizt. Denn eines sollten auch die schärfsten Kritiker Singer zugute halten: Er macht moralische Konflikte als solche deutlich und versteckt sie nicht hinter subtiler Begriffsakrobatik. Nur so waren provokante Sätze wie in der "Praktischen Ethik" möglich, das Leben eines Neugeborenen habe "für dieses weniger Wert als das Leben eines Schweins, eines Hundes oder eines Schimpansen für das nichtmenschliche Tier". Gegen solche Behauptungen wehren sich unsere moralischen Intuitionen ebenso wie unsere religiösen Traditionen. Mit Entrüstung oder Bibelverweis ist es aber nicht getan: Es gilt auch eine Antwort darauf zu finden, warum wir Neugeborenen immer noch ein absolutes Lebensrecht zugestehen, in unserer Rechtsordnung aber die Tötung menschlichen Lebens unter Umständen bis unmittelbar vor der Geburt straffrei lassen. Vielleicht muss die Antwort lauten, dass beides nicht miteinander vereinbar ist.

An den Widersprüchen der herkömmlichen Moral und Rechtsethik im Umgang mit medizinethischen Problemen setzt Singer den Hebel an, um das Gebäude der abendländischen Ethik zum Einsturz zu bringen. Anhand zahlreicher Fallstudien zeigt er auf, dass die uneingeschränkte "Heiligkeit" des menschlichen Lebens und die Vorstellung, dieses habe in jedem Stadium den gleichen absoluten Wert, in der Praxis nur schwer zu verteidigen sind oder de facto schon gar nicht mehr als Richtlinie dienen. Konstruktionen wie die Unterscheidung zwischen gewöhnlichen und außergewöhnlichen Behandlungsmethoden oder zwischen (immer verbotener) aktiver und (erlaubter) passiver Sterbehilfe sind nach Singer bloß argumentativ unhaltbare und auf Dauer aussichtslose Versuche zur Rettung der bisherigen Grundannahmen. Einen der problematischsten Rettungsversuche stellt für ihn die Gleichsetzung des Hirntods mit dem Tod des Menschen dar, und mancher Hirntod-Kritiker wird sich wundern, in diesem Punkt von Singer unterstützt zu werden.

Der Vorwurf, diese neue Todesdefinition sei eingeführt worden, um der Transplantationsmedizin frische Organe zu beschaffen, wird heute noch bestritten. Für die dann weltweit maßgeblichen Überlegungen des Ad-hoc-Komitees der Harvard Medical School von 1968 lässt er sich jedoch belegen. Der Vorsitzende Henry Beecher erklärte drei Jahre später: "Es ist am besten, einen Zustand auszuwählen, in dem zwar das Gehirn tot ist, aber die Brauchbarkeit anderer Organe noch gegeben ist. Das haben wir mit dem, was wir die neue Definition des Todes nennen, zu verdeutlichen versucht." Singer zitiert diese Stelle (sowie aufschlussreiche Passagen aus dem Briefwechsel zwischen Beecher und dem Dekan, der das Komitee eingesetzt hatte), um zu zeigen, dass es sich bei der Hirntod-Definition um "eine Art Täuschung" handelt, die "eine ethische Entscheidung als eine medizinische Tatsache" ausgibt. Und das Erstaunliche ist: Bis auf Hans Jonas gab es keinen nennenswerten Kritiker dieser folgenschweren Veränderung unserer Vorstellungen über Leben und Tod, wie Singer verwundert konstatiert: "Wo war die Lebensschutz-Bewegung? Wo war die katholische Kirche?" Sie haben die "nützliche Fiktion" des Hirntod-Kriteriums akzeptiert, um einem ethischen Problem auszuweichen. Wie der dänische Ethik-Rat in den achtziger Jahren plädiert Singer dafür, zum alten Todeskriterium des irreversiblen Herz-Kreislauf-Stillstands zurückzukehren.

Dann stellt sich aber die Frage, bei welchen sterbenden, also noch lebenden Patienten alle Behandlungsmaßnahmen abgebrochen werden dürfen und unter welchen Umständen Organentnahmen erlaubt sind. Für Singer ist klar, was uns bei solchen Entscheidungen als Richtschnur dienen soll: "dass Leben ohne Bewusstsein keinerlei Wert hat". Wo noch gewisse Möglichkeiten der geistigen, sozialen oder körperlichen Interaktion mit anderen Menschen gegeben sind, müsse der Wert der Fortsetzung des Lebens durch Abwägung beurteilt werden. Dabei sollen sowohl voraussehbares Leiden als auch dessen mögliche Kompensation berücksichtigt werden. "Erkenne, dass der Wert menschlichen Lebens verschieden ist" - dies ist das "erste neue Gebot" von Singers Ethik. Die vier weiteren lauten: Verantwortung für die Folgen seiner Entscheidungen übernehmen; die Entscheidung einer Person achten, zu leben oder zu sterben; nur Kinder in die Welt setzen, die man wirklich will; andere nicht wegen ihrer Spezieszugehörigkeit diskriminieren. Mit diesen fünf Geboten glaubt Singer einen Weg zu einem stimmigen Ansatz zu weisen, der die Schwierigkeiten und Widersprüche der traditionellen Ethik vermeiden kann.

Wird Singer einst als neuer Moses dastehen? Er selbst vergleicht die "Struktur ethischer Revolutionen" mit der von Kuhn für die Naturwissenschaften beschriebenen. Aber ein ethisches Paradigma lässt sich nicht so einfach austauschen wie ein Modell des Sonnensystems. Der Zusammenhang zwischen Ethos, Moral und Moraltheorie ist komplex und nicht berechenbar wie ein Planetenzyklus. Zwar ist Kohärenz auf der theoretischen Ebene ein hoher Wert, und auch in unserem Handeln sind wir zur Identitätswahrung bis zu einem gewissen Grad darauf angewiesen. Aber lässt sich in pluralistischen Gesellschaften alles menschliche Tun aus einer widerspruchsfreien Ethik deduzieren? Gewiss ist die "alte" Ethik angesichts neuer Probleme in Erklärungszwang, zumal an den heute fließend erscheinenden Grenzen des Lebens; aber können wir die Folgen einer neuen Ethik abschätzen? Viele Menschen halten die Folgen der von Singer vertretenen Ethik schon jetzt für unverantwortlich. Die Frage, wie wir mit den von ihm aufgezeigten Widersprüchen umgehen sollen, ist damit noch nicht gelöst.

ACHIM BAHNEN.

Peter Singer: "Leben und Tod". Der Zusammenbruch der traditionellen Ethik. Aus dem Englischen von Hermann Vetter und Claudia Schorcht. Harald Fischer Verlag, Erlangen 1998. 257 S., geb., 39,80 DM.

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