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Der Ich-Erzähler, Mitte Zwanzig, Student der Hydrologie an der Universität Klausenburg, gerät in die Fänge der rumänischen Staatsmacht. Er wird der Konspiration gegen das kommunistische Regime verdächtigt, Ende Dezember 1957 von der Securitate verhaftet, ins Gefängnis nach Kronstadt gebracht, monatelang verhört, unter Druck gesetzt, seelisch und körperlich mißhandelt und gefoltert. Ein verzweifelter Kampf um Integrität beginnt. Nach dem Debüt-Roman "Der geköpfte Hahn" über seine Kindheit in Siebenbürgen zeichnet Eginald Schlattner im vorliegenden Roman die Tragödie eines jungen Menschen nach,…mehr

Produktbeschreibung
Der Ich-Erzähler, Mitte Zwanzig, Student der Hydrologie an der Universität Klausenburg, gerät in die Fänge der rumänischen Staatsmacht. Er wird der Konspiration gegen das kommunistische Regime verdächtigt, Ende Dezember 1957 von der Securitate verhaftet, ins Gefängnis nach Kronstadt gebracht, monatelang verhört, unter Druck gesetzt, seelisch und körperlich mißhandelt und gefoltert. Ein verzweifelter Kampf um Integrität beginnt. Nach dem Debüt-Roman "Der geköpfte Hahn" über seine Kindheit in Siebenbürgen zeichnet Eginald Schlattner im vorliegenden Roman die Tragödie eines jungen Menschen nach, der sich auf der falschen Seite wiederfindet.
Der Ich-Erzähler, Student an der Universität Klausenburg, gerät in die Fänge der rumänischen Staatsmacht. Er wird der Konspiration gegen das kommunistische Regime verdächtigt, Ende Dezember 1957 verhaftet, ins Gefängnis nach Kronstadt gebracht, monatelang verhört, unter Druck gesetzt, seelisch und körperlich gefoltert - bis er andere denunziert: In einem stalinistischen Schauprozess tritt der Siebenbürger Sachse als Zeuge der Anklage gegen Freunde auf, ein Verrat, der fortan schwer auf ihm lastet. - Die Fortsetzung des erfolgreichen Debüts Der geköpfte Hahn.
Autorenporträt
Eginald Schlattner, 1933 in Arad geboren, aufgewachsen in Fogarasch am Fuße der Karpaten. Studierte evangelische Theologie, Mathematik und Hydrologie. 1957 wurde er verhaftet und wegen »Nichtanzeige von Hochverrat« verurteilt. Nach seiner Entlassung arbeitete er als Tagelöhner in einer Ziegelbrennerei, später als Ingenieur. 1973 nahm er sein theologisches Studium noch einmal auf und ist seit 1978 Pfarrer in Rosia (Rothberg) bei Hermannstadt.
Rezensionen
"Eine Vivisektion am eigenen Leib mit dem Werkzeug Sprache ... voll von präzisen Miniaturen aus der Zeit des Übergangs zur scheinbar klassenlosen rumänischen Gesellschaft." Walter Mayr im 'Spiegel'

"Wahrnehmungen, aus denen der Roman das Mosaik einer Epoche zusammensetzt ... Wenn es erlaubt wäre, die Begriffe Erschütterung und Erheiterung in einem Atemzug zu verschmelzen - Schlattners unterhaltende Belehrung über ein Stück europäischer Menschengeschichte wäre damit charakterisiert." Sabine Brandt in der 'Frankfurter Allgemeinen Zeitung'

"Ein ganz und gar ungewöhnliches Buch ... Kein in diesem Teil Rumäniens geschriebenes Buch hat bisher so offen und frei von Ressentiments die dortige Nachkriegsgeschichte dargestellt wie die beiden Romane Eginald Schlattners." Nicole Henneberg in der 'Frankfurter Rundschau'

"Ein hochbrisantes Dokument." Werner Söllner in der 'Neuen Zürcher Zeitung'

"Zwei Bücher über Siebenbürgen, das untergehende Land seiner Jugend. Es sind Romane über Treue und Verrat im Großen und im Kleinen, wie sie autobiografischer kaum zu erfinden sind." Sigrid Löffler in 'Literaturen'

"Nach der - melancholischen - Komödie der Kindheit folgt nun die Tragödie der Jugend. Schlattner gibt seinem Roman-Ich keinen Namen, aber er sorgt dafür, dass der Leser es insgeheim Eginald tauft." Daniela Strigl im 'Standard'

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.05.2001

Eulenspiegels Enthüllungen
Schuld und Sühne: Eginald Schlattner entkommt der Securitate

Wir kennen ihn noch nicht so recht, aber das könnte sich bald ändern: Eginald Schlattner, rumäniendeutscher Schriftsteller, der 1998 seinen ersten Roman ("Der geköpfte Hahn"), jetzt den zweiten ("Rote Handschuhe") herausbrachte, ist offensichtlich derartig angefüllt mit Erlebtem und Gedachtem, daß der zweite nicht sein letzter Roman bleiben wird. Sein eigenes Leben und das, was sich prägend darin zugetragen hat, dient ihm als thematisches Arsenal. Das ist literarischer Brauch, doch zeitigt es nicht bei jedem Autor so eindrucksvolle Ergebnisse wie bei diesem.

Schlattner, geboren 1933 im westrumänischen Arad, aufgewachsen in Fogarasch im Schatten der Karpaten, zählt zu jenen Europäern, denen von den Verhängnissen des zwanzigsten Jahrhunderts ein Übermaß zuteil wurde. Als Sohn saturierter Siebenbürger Sachsen unter Rumänen, Ungarn, Zigeunern und Juden wohnend, erlebte er den Einfluß Hitlerdeutschlands auf die Seinen. Irgendwie schien der nationalsozialistische Diktator die alte deutsche Vorzugsrolle unter den Völkern der einstigen Donaumonarchie zu bestätigen. Als aber 1940 Rumänien zu Hitlers Kriegskumpan wurde, verstrickte das die volksdeutschen Irrgänger unabwendbar in die reichsdeutschen Katastrophen: Massentod an den Fronten, totaler Zusammenbruch, Rachetaten der russischen Sieger, Errichtung einer sowjetischen Satellitengesellschaft, Enteignungen, Abstieg der bis dahin Erfolgreichen ins Proletenelend.

Das alles fungiert als Wurzel und Wirklichkeit des Helden im neuen Roman. Wie der Autor, so beginnt auch dessen Geschöpf das Nachkriegsleben als Student der Theologie, wird relegiert, sattelt um auf Mathematik und Hydrologie, interessiert sich für Literatur, beginnt mit ersten Schreibereien. Im Jahr 1957 wird, wie einst Schlattner, sein Romanheld verhaftet, muß in den Kellern der Securitate irrwitzige Anklagen und brutale Behandlung erleiden. Hintergrund der Verfolgungswut ist der ungarische Aufstand 1956. Nicht bloß in Rumänien fürchteten damals die herrschenden Kommunisten sich vor dem Überschwappen der revolutionären Welle. Erinnern wir uns nur an Ulbrichts DDR, wo ab Ende 1956, Anfang 1957 unsichere Kantonisten und solche, die man dafür hielt oder dazu stempelte, dem Inferno in sozialistischen Zuchthäusern überliefert wurden; es gibt genügend Zeugnisse darüber.

Die Kenntnis dieser Zeugnisse könnte zu der Erwartung verführen, der Autor Schlattner wolle vor allem das politische Unrecht im unterjochten Osteuropa dokumentieren. Diesen Gedanken sollten wir schnell von uns tun. Zwar leidet der Held, wenn wir ihn auf den ersten Romanseiten kennenlernen, in der Hölle seines Kerkerelends, und das gründlich. Aber bald wird deutlich, daß die Haft nicht den Erzählgegenstand bildet, sondern ein unabdingbares Ambiente des Menschenlebens, von dem erzählt wird. Gleichrangig gesellen sich dazu Familie, Freunde, den Helden formende Einflüsse aller Art, Hoffnungen, Unternehmungen, Fehlschläge und deren Ursachen, die der junge Mann nicht zuletzt auch bei sich selber suchen muß.

Schlattner liefert eine rumäniendeutsche Paraphrase der Klage, die in Goethes "Wilhelm Meister" der Harfenspieler singt: "Ihr laßt den Armen schuldig werden, dann überlaßt ihr ihn der Pein; denn alle Schuld rächt sich auf Erden." Es ist nicht so, als ob unter der Faust der Securitate nur unbefleckte Unschuldige wimmern. Viele haben dazu beigetragen, die Entwicklungen zu provozieren, an deren Ende ihr Unglück wartet. Geschichten reihen sich aneinander, in denen es um soziale und völkische Überheblichkeit, Verachtung anderer Klassen und Ethnien, aber auch um Liebe mannigfacher Art geht. Alle Vorkommnisse sind in das politische Weltgeschehen eingewoben, fördern oder hindern es, werden davon gefördert oder gehindert. Nicht jeder Handelnde verdient den Lohn, der ihm hernach zuteil wird, im Bösen so wenig wie im Guten. Aber auch das muß nicht allein aus kommunistischer Machtpolitik, es kann einfach aus der Natur des Menschen abgeleitet werden. Gerechte Vernunft hat selten die Welt regiert, von jeher gilt: homo homini lupus.

Schlattner ist Theologe, nicht nur von seinen zerstörten Anfängen her. Er kehrte 1973, als seine Leidensjahre im Strom der Geschichte versickerten, zur Theologie zurück und arbeitet heute als Gefängnispfarrer. So ist er in beiden Bereichen zu Hause, die seinem Buch wesentliche Elemente lieferten. Aber damit allein ist der Schriftsteller nicht erkannt. Der Autor Schlattner kommt uns nicht als Prediger, dazu ist er zu selbstkritisch, auch verfügt er, neben dem gebotenen Ernst, über eine gute Portion Humor. Er blinzelt sozusagen hinunter auf das Gewühle, in dem er selbst einmal gezappelt hat und das er nun schildert, kopfschüttelnd und lächelnd, tadelnd und mit erbarmendem Verständnis.

Wie gewöhnlich in totalitären Diktaturen geht es um die absolute Unterwerfung des Individuums. Dazu gehört, daß ein Beschuldigter nicht nur gesteht, und sei es das Absurdeste, sondern daß er andere ans Messer liefert, auch, ja vor allem jene, die er liebt. Der junge Romanheld, konterrevolutionärer Umtriebe beschuldigt, soll Freunde, Kollegen, sogar den eigenen Bruder der gleichen Verbrechen bezichtigen. Er widersteht lange, aber nicht für immer. Nicht nur das himmelschreiende Gefängniselend macht ihn weich. Unter dem ideologischen Dauerdruck verliert er sich stückchenweise selbst, fängt an zu grübeln, ob er der neuen Lehre, der Reverenz zu erweisen er sich bemüht, nicht doch den verlangten Dienst schuldet. Nach zwei Jahren leistet er ihn und kommt gnadenhalber frei. Sein Ruf ist beschädigt, seine Zukunft finster.

So die Fabel. Die aber ist eingebettet in kunterbunte Bilder von den zivilen Geschehnissen im Leben des jungen Mannes, von allem, was ihn vorantreibt, verdirbt, errettet. Jawohl, auch Rettung ist im Angebot. Es wird uns ja nicht nur das Opfer eines Unrechtsstaates vorgeführt, sondern auch der Sohn, der Nachbar, der Student, der Verliebte, der Könner in mancherlei Künsten. Aus all diesen Handlungsfäden webt Schlattner die Verheißung, daß die Spur von seines Helden Erdentagen nicht in Äonen untergehen kann. Letzten Endes gilt das auch für das Mischvolk um ihn herum, Erfolgreiche und Versager, Gebildete und Dumme, Weise und von Vorurteilen Verfinsterte, alle vollgestopft mit Wahrnehmungen, aus denen der Roman das Mosaik einer Epoche zusammensetzt.

Bei der Beurteilung der Epoche nimmt der Roman selbstverständlich Partei, doch ist er alles andere als parteiisch. Schlattner geriert sich nicht als Weltenrichter, seine Enthüllungen sind eher von Eulenspiegels Art. Sogar die Büttel der Securitate vermögen dem formenden Autor sein Lächeln nicht zu stehlen. Wenn es erlaubt wäre, die Begriffe Erschütterung und Erheiterung in einem Atemzug zu verschmelzen - Schlattners unterhaltende Belehrung über ein Stück europäischer Menschengeschichte wäre damit charakterisiert.

SABINE BRANDT

Eginald Schlattner: "Rote Handschuhe". Roman. Paul Zsolnay Verlag, Wien 2000. 608 S., geb., 49,80 DM.

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