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Catherine Gehring, Konservatorin am Swinesburn Museum, hat kürzlich ihren geheimen Geliebten verloren als sie in einem alten Automaten das 200 Jahre alte Tagebuch des Erbauers findet. Stück für Stück restauriert sie nicht nur das Uhrwerk der Maschine, sondernd rekapituliert anhand der Aufzeichnungen auch das unglückliche Leben des Erschaffers. Ein zutiefst bewegender Roman des zweifachen Gewinners des Booker Prizes.

Produktbeschreibung
Catherine Gehring, Konservatorin am Swinesburn Museum, hat kürzlich ihren geheimen Geliebten verloren als sie in einem alten Automaten das 200 Jahre alte Tagebuch des Erbauers findet. Stück für Stück restauriert sie nicht nur das Uhrwerk der Maschine, sondernd rekapituliert anhand der Aufzeichnungen auch das unglückliche Leben des Erschaffers. Ein zutiefst bewegender Roman des zweifachen Gewinners des Booker Prizes.
Autorenporträt
Carey, Peter
Peter Carey was born in Bacchus Marsh, Victoria and now lives in New York. He is the author of twelve previous novels, three short story collections and two books on travel. Among other prizes, he has won the Booker Prize twice, the Commonwealth Writers Prize twice and the Miles Franklin Literary Award three times.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.05.2013

Die Geheimnisse zweier Uhrmacher

Metamorphosen des Glücks: Der Australier Peter Carey schickt in seinem neuen Roman "Die Chemie der Tränen" einen Engländer in den Schwarzwald.

Im neuen, dem inzwischen elften Roman des australischen Autors Peter Carey geht es über zweihundert Seiten hinweg sehr geordnet und feinsinnig konstruiert zu, im letzten Drittel allerdings überschlagen sich Ereignisse und Motive dann auf eine derart tolldreiste Weise, dass man nicht selten den Überblick zu verlieren droht.

Der geordnete Teil beginnt mit der schlimmstmöglichen Wendung einer Liebesgeschichte. Es ist Mittwoch, der 21. April 2010. Als Catherine Gehrig an diesem Tag das Londoner Swinburne Museum betrifft, in dem sie für das Restaurieren alter Spieluhren zuständig ist, erfährt sie von einer heulenden Assistentin, dass Matthew Tindall ganz plötzlich gestorben sei - der leitende Kurator des Hauses ist in der U-Bahn einem Herzinfarkt erlegen. Er, verheiratet und Vater zweier Söhne, war dreizehn Jahre lang Catherines heimlicher Geliebter.

Dass ausgerechnet Eric Croft, ihr direkter Vorgesetzter, von diesem Verhältnis wusste, steigert den Horror zunächst - und wird dann zum Strohhalm ihres Leids. Croft schreibt sie krank und verschafft ihr einige Tage später in einer Dependance des Museums einen Auftrag, der ihren Kummer zwar nicht stillt, aber wenigstens zum Teil in Ehrgeiz verwandelt: In zwölf großen Kisten lagern Aberhunderte von Teilen einer mechanischen Kostbarkeit aus dem neunzehnten Jahrhundert, die sie wieder zusammensetzen soll. In einer der Kisten finden sich zudem elf Notizhefte, in denen der ursprüngliche Auftraggeber des technischen Wunderwerks seine einstigen Abenteuer schildert.

Sie führen zurück ins Jahr 1854 und handeln von der Reise des englischen Industriellen Henry Brandling in den Schwarzwald. Brandling hat sich in den Kopf gesetzt, die Lebensgeister seines an Schwindsucht erkrankten Sohns mit einem extraordinären Geschenk zu stärken: Er will sich von deutschen Uhrmachern jene mechanische Ente nachbauen lassen, mit der zur Mitte des achtzehnten Jahrhunderts der französische Ingenieur Jacques de Vaucanson Sensation und Epoche gemacht hatte. Friedrich der Große etwa zählte zu Vaucansons enthusiastischen Bewunderern. Zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts konnte Goethe den Tierautomaten dann bei dessen neuem Besitzer, einem deutschen Kuriositätensammler, noch in Augenschein nehmen, allerdings in einem bereits sehr traurigen Zustand: Er funktionierte praktisch nicht mehr.

In Careys Roman wechselt sich nun Kapitel für Kapitel Brandlings einstiger Reisebericht mit den aktuellen Aufzeichnungen der Ich-Erzählerin Catherine Gehrig ab. Das hat kulturhistorischen Charme, denn naturgemäß kann es bei der Reise eines Engländers in die deutsche Provinz ohne Kalamitäten nicht abgehen, zudem birgt der Uhrmacher, der Brandlings Auftrag schließlich ausführt, so manch sinistres Berufsgeheimnis. Aber auch literarisch schlägt Carey aus seiner Exposition zunächst überzeugend Kapital: Während seine Museumsheldin peu à peu eine Rekonstruktion rekonstruiert, kann sie zumindest in Gedanken auch ihre so jäh beendete Liebe zu Matthew wiederherstellen und als erinnertes Gelingen bewahren: "Die Chemie der Tränen", ihrer Tränen, ermöglicht immerhin eine Metamorphose des Glücks.

Allerdings traut Peter Carey seiner Konstruktion dann doch nicht ganz. Das Tolldreiste, das er nun in Szene setzt, hat sehr viel mit der unvermittelt wichtig werdenden Vorgeschichte des geheimnisvollen Schwarzwälder Uhrmachers zu tun und führt etwas umständlich auch zurück in das Cambridge-Laboratorium eines so hochgenialen wie fiktiven Mathematikers namens Sir Albert Cruickshank. Das intellektuelle Spiel, das Carey nun treibt, hat ein etwas zu offensichtliches Ziel: Es will den Übergang exakter Wissenschaft in puren Mystizismus illustrieren. Darüber verliert er zunehmend die Lust an der eigentlichen Handlung, überdies führt er noch reichlich spät neue Nebenfiguren ein, die im Grunde nur Verwirrung stiften und auch deshalb den Roman zwar nicht ins vollends ins Chaos stürzen, aber doch zu einem mühsamen und etwas erschöpfenden Finale zwingen.

"Die Chemie der Tränen", zweihundert Seiten lang ein sehr kluger Unterhaltungsroman, ist erst das zweite Buch, das Carey, der heute siebzigsten Geburtstag feiert, nicht in Australien spielen lässt. Als so fabulierfreudiger wie genauer Chronist seines Landes und dieses Kontinents ist er seit Beginn der achtziger Jahre bekannt und berühmt geworden. "Illywhacker" (1985), sein wohl bestes Buch, erzählte mit der Geschichte des Hochstaplers und Betrügers Herbert Bradgery auch die Geschichte Australiens, für die beiden australischen Großepen "Oscar und Lucinda" (1991) und "Die wahre Geschichte von Ned Kelly und seiner Gang" (2000) erhielt er jeweils den Booker-Preis, Englands renommierteste literarische Auszeichnung.

Seit 1990 lebt Peter Carey in New York. Erst 2009 aber wurde seine Wahlheimat auch zum Schauplatz eines Romans: "Parrot und Olivier in Amerika" war, im historischen Gewand des neunzehnten Jahrhunderts, auch eine Satire auf die neureiche Kulturszene der amerikanischen Gegenwart. Mit "Die Chemie der Tränen" beweist er nun aufs Neue, dass er ferne und fremde Schauplätze bestens zu bevölkern und atmosphärisch prägnant zu schildern vermag.

Das London des neuen Romans führt mit dem Personal des Museums ganz trefflich auch das gegenwärtige Klima einer blasierten Metropole vor Augen. Und wenn er Henry Brandling in den Schwarzwald schickt und ihn in einer Sägemühle bei Furtwangen stranden lässt, ruft er, zumal für ein angelsächsisches Publikum, auf listige Art all die Klischees auf, die sich mit dessen Deutschlandbildern verbinden: die Kuckucksuhren, die Grimmschen Märchen, die alemannische Fasenacht. Auch in der deutschen Übersetzung von Bernhard Robben sind solche Passagen ein gar nicht so kleines Lesefest.

JOCHEN HIEBER.

Peter Carey: "Die Chemie der Tränen".

Roman.

Aus dem Englischen von Bernhard Robben. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2013. 320 S. geb., 19,99 [Euro].

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