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This novel, written by a Marine veteran of Vietnam over the course of thirty years, is a remarkable literary discovery, a big, powerful, timeless saga of men in combat.

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Produktbeschreibung
This novel, written by a Marine veteran of Vietnam over the course of thirty years, is a remarkable literary discovery, a big, powerful, timeless saga of men in combat.
Autorenporträt
A graduate of Yale University and Rhodes Scholar at Oxford University, Karl Marlantes served as a Marine in Vietnam, where he was awarded the Navy Cross, the Bronze Star, two Navy Commendation Medals for valor, two Purple Hearts, and ten air medals. This is his first novel.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.11.2012

Verzückungsrausch im Gemetzel

Den Ignoranten zeigen, wie es wirklich war: Mit dem Vietnam-Kriegs-Roman "Matterhorn" legt der ehemalige amerikanische Soldat Karl Marlantes buchstäblich sein Lebenswerk vor.

Vietnam ist für Amerikaner das Trauma, das nicht vergeht. Kein anderer Krieg ist so oft Gegenstand von Romanen und Filmen geworden, keiner scheint zugleich so diskreditiert. Die Entmythisierung hat längst selbst mythische Formen angenommen: Vietnam als ungerechter Krieg, als psychedelischer Exzess wie in "Apokalypse Now", als hybride Mischung von Pop und Tod, als tiefste moralische Blamage der Weltmacht.

Als der fünfundzwanzig Jahre alte Karl Marlantes im Sommer 1970 nach seinem dreizehnmonatigen Einsatz in Vietnam durch Washington ging, geriet er in eine Gruppe von Antikriegsdemonstranten, die ihn als "Babykiller" beschimpften. Ohnmächtige Wut bis zum - noch von den Einsätzen eingespurten - Tötungsimpuls packte ihn. Wofür hatte er sein Leben eingesetzt, wofür war er schwer verwundet worden? Seitdem rumorte in Marlantes ein literarisches Projekt, das sich schließlich zum Roman "Matterhorn" auswuchs: den Ignoranten zeigen, wie es wirklich war. Es ist buchstäblich ein Lebenswerk, dessen Intensität die meisten anderen Kriegsromane übertrifft.

Hauptfigur ist der junge Second Lieutenant Waino Mellas. Er kommt frisch vom Campus und hat sich freiwillig gemeldet. Teils ist es der Wunsch, nicht als privilegierter Drückeberger dazustehen, teils auch die Vorstellung, dass der eine oder andere Orden später im zivilen Leben nützlich sein könnte.

Auf den ersten hundert Seiten fällt kein Schuss, aber gekämpft wird trotzdem: mit dem Monsunregen und der eiternden "Dschungelfäule" auf der Haut, mit Wundbrand an den Füßen, blutigen Schnitten vom "Rasiermessergras", ewigem Dreck und Gestank, der Langeweile und der Angst und den unermüdlichen Blutegeln. Ausgiebig werden die Qualen eines Soldaten beschrieben, dem ein Egel in die Harnröhre gekrochen ist. Eine Notoperation wird improvisiert - den Leser erwartet ein urologisches Schreckensszenario. Mellas und seine Soldaten erfüllen Aufträge, deren Zweck nicht ersichtlich ist. Das Matterhorn, eine Bergkuppe mitten im Dschungel an der Grenze zu Laos und Nordvietnam, wird von Vegetation befreit und planiert, die Soldaten graben Erdlöcher und Bunker, errichten Geschütze. Kaum sind sie fertig mit der Schinderei, sollen sie das Matterhorn, diese "hässliche Knolle", auch schon wieder verlassen und im fast undurchdringlichen Dschungel nach Vietcong-Waffenlagern suchen. Über Funk erteilt der Kommandeur der taumelnden Truppe immer neue Zusatzaufträge. Es ist ein einziger Albtraum.

Grenzzustände des Menschlichen werden ausgelotet. Die eigentliche Schlacht beginnt erst nach vierhundert Seiten. Inzwischen haben sich die Nordvietnamesen auf dem Matterhorn eingenistet. Gegen die von ihr selbst gebauten Befestigungen soll die Bravo-Kompanie nun anrennen - ein absurdes Todeskommando. "Natürlich brauchten Sie den Scheißberg nicht. Sie hatten ihn ja selbst geräumt." Es geht um gegnerische Verlustzahlen, mit denen ein Kommandeur seine stagnierende Karriere voranzubringen hofft.

Mit rüder Genauigkeit wird die nicht endende Verstümmelungsorgie beschrieben, all die aufgerissenen Leiber, herausquellenden Eingeweide, abgerissenen Beine, platzenden Köpfe und weggeschossenen Unterkiefer. Das erinnert an den zeitlupenhaften Hyperrealismus der ersten zwanzig Minuten des Spielberg-Films "Der Soldat James Ryan" - mit dem Unterschied, dass Marlantes keine unbekannten Soldaten sterben lässt, sondern Figuren, die sich aus den Dialogen und Beschreibungen des Romans langsam, aber nachhaltig konturiert haben. Er schafft es beeindruckend, die unterschiedlichen Typen und Temperamente in der Truppe zu schildern.

Zum Grauen des Gemetzels kommt der "körperliche Rausch" des Kämpfens. Die extreme Adrenalinausschüttung führt zu Verzückungszuständen. Mellas läuft auf die feindliche Stellung zu: "Sein Herz, sein ganzer Körper strömte von einer Empfindung über, die er nur als Liebe bezeichnen konnte." Beklemmend stellt Marlantes die Ambivalenz der Gefühle im Kampf dar und schildert die Psychologie des Ausnahmezustands - "all jene nervösen Rituale, die man durchläuft, damit das Ich angesichts des drohenden Todes weiterfunktioniert".

Das Ausmaß gegenseitiger Aufopferung erstaunt umso mehr, als die Bravo-Kompanie nicht gerade als Hort der Eintracht gezeichnet wird. Es gärt gewaltig, vor allem zwischen "Splibs" und "Chucks", Schwarzen und Weißen. Vorurteile, Schikanen, Hass und Gewaltausbrüche sind an der Tagesordnung und werden von den Zugführern nur mühsam in Schach gehalten. Es gibt Black-Panther-Aktivisten, die Waffen für den Kampf in den amerikanischen Städten abzweigen wollen, was grotesk ist, weil es dort an Waffen nicht mangelt. Der Rassenkonflikt, der die Vereinigten Staaten damals erschütterte, ist die zweite Front - hier wird der Roman zum Gesellschaftspanorama.

Das ist er auch noch in anderem Sinn: Die Hierarchie in der Truppe erscheint als soziales Abbild. Das Missverhältnis zwischen den Kommandeuren und den Soldaten im Einsatz nimmt bisweilen die Züge einer grimmigen Komödie an. Der Hass der Soldaten richtet sich auf die Aktentaschen-Krieger in der Etappe, die "mit verschwitzten Gesichtern und glänzenden, unbenutzten Pistolen hin und her hasteten".

In den Vereinigten Staaten heften sich Debatten über Kriegsromane und Kriegsfilme oft an Details: ob dieses oder jenes Schulterstück an einer Uniform korrekt sei, ob dieser oder jener Einsatz nicht in Minute dreiundzwanzig ganz anders gewesen sei und mit einem bestimmten Geschütz überhaupt aus einem ganz speziellen Winkel habe geschossen werden können. Veteranenhaarspalterei, die von jedem Autor ein Höchstmaß an "Authentizität" erfordert, wenn er sich nicht lächerlich machen will in den Augen der Wissenden. Der militärische Mikro-Naturalismus von "Matterhorn" mag einiges damit zu tun haben. Zugleich aber ist dies ein Roman, der sich darstellerische Freiheiten nimmt. Man mag bezweifeln, ob eine Kompanie im Dschungel tatsächlich sechs Tage ohne jede Versorgung mit Nahrung gelassen und trotzdem zu immer weiteren Ergänzungsaufträgen befohlen worden wäre - aber es ergibt ein erschütterndes Sinnbild kreatürlichen Leidens.

Marlantes Sprache ist nüchtern und durchsetzt mit militärischem Jargon. Mehr als die Hälfte des Romans besteht aus Dialogen, die oft ziemlich derb daherkommen. Nikolaus Stingls Übersetzung bringt das ohne Krampf und Künstlichkeit ins Deutsche, und sie transportiert auch den lakonisch-grotesken Ton, der sich geltend macht, wenn es um die Karrierespielchen hinter dem Heldentheater geht. Dieser Roman ist eine blutige Farce, ein Aufschrei des Leidens, ein Memorial für die Geschundenen und Zerfetzten eines Tages, der in der offiziellen Pressemitteilung unter "leichte Verluste" abgebucht wurde.

WOLFGANG SCHNEIDER

Karl Marlantes: "Matterhorn". Roman.

Aus dem Amerikanischen von Nikolaus Stingl. Arche Verlag, Zürich 2012. 672 S., geb., 24,95 [Euro].

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