Als Sofka Zinovieff 1987 ziemlich überraschend das Anwesen Faringdon House in der Nähe von Oxford von ihrem Großvater erbt, wird das zum Auslöser für eine umfangreiche Recherche über ihre eigene Familie, die in jeder Hinsicht außergewöhnlich war. Die Geschichte beginnt mit Lord Berners, der seit den Zwanzigern bis zu seinem Tod im Jahr 1950 ein reichlich exzentrisches, um nicht zu sagen vergnügungssüchtiges Leben führte. In Faringdon House gingen die Berühmtheiten ihrer Zeit ein und aus, Berners Partys waren legendär und seine homosexuellen Beziehungen ein mehr oder weniger offenes Geheimnis,
ohne dass er sich je öffentlich dazu bekannt hätte. Wie auch, denn selbst ein Lord wäre dafür ins Gefängnis gegangen. Sofka Zinovieffs Großvater Robert Herber-Percy war jedoch ohne Zweifel Berners…mehrAls Sofka Zinovieff 1987 ziemlich überraschend das Anwesen Faringdon House in der Nähe von Oxford von ihrem Großvater erbt, wird das zum Auslöser für eine umfangreiche Recherche über ihre eigene Familie, die in jeder Hinsicht außergewöhnlich war. Die Geschichte beginnt mit Lord Berners, der seit den Zwanzigern bis zu seinem Tod im Jahr 1950 ein reichlich exzentrisches, um nicht zu sagen vergnügungssüchtiges Leben führte. In Faringdon House gingen die Berühmtheiten ihrer Zeit ein und aus, Berners Partys waren legendär und seine homosexuellen Beziehungen ein mehr oder weniger offenes Geheimnis, ohne dass er sich je öffentlich dazu bekannt hätte. Wie auch, denn selbst ein Lord wäre dafür ins Gefängnis gegangen. Sofka Zinovieffs Großvater Robert Herber-Percy war jedoch ohne Zweifel Berners große Liebe und über diese Linie hat sich das Haus weiter bis zu ihr vererbt.
Während der Recherche, die ihr eigentlich einen Zugang zu dem zu Lebzeiten sehr distanzierten Robert ermöglichen sollte, verschob sich der Fokus immer mehr auf die Gesellschaft in Faringdon House, die Beziehungen, die hier geknüpft und zerstört wurden, der ungezügelte Hedonismus, die Freizügigkeit und Kreativität. Was als Portrait ihres Großvaters begann, wurde letztlich zum Portrait von Faringdon House und der privilegierten Zeit Lord Berners und Robert Herber-Percys.
Berners Bekannten- und Freundeskreis ist eindrucksvoll. Gertrude Stein gehörte ebenso dazu wie Igor Strawinsky, Evelyn Waugh, David Niven, Cecil Beaton oder Salvador Dali. Allein das zweispaltig gedruckte Namensverzeichnis am Schluss des Buches füllt sieben Seiten. Auffällig ist, wie sehr alle Personen direkt oder indirekt miteinander verbunden sind. Berners Partys haben neben der Vergnügungssucht ihres Gastgebers oft die Funktion, unterschiedlichste Menschen miteinander in Kontakt zu bringen, was sich in vieler Hinsicht als fruchtbar erweist. Trotzdem bleiben sowohl Lord Berners als auch Robert ambivalente Personen, zu denen beim Lesen keine emotionale Nähe entsteht. Sofka Zinovieff hat eine Unmenge an, nicht selten reichlich schlüpfrigen Anekdoten zusammengetragen, oft durch Zitate belegt, aber in der Regel auf dem Niveau von gesellschaftlichem Klatsch und Tratsch und trotzdem hat mich die dargestellte Atmosphäre nicht wirklich gepackt. Vielleicht war es die innerliche Leere, die aus dem ungezügelten Hedonismus spricht, die zeitliche Distanz, die auch Zinovieff nicht vergessen machen kann, oder die teilweise niederträchtigen Aktionen, mit denen Berners und sein Umfeld ihnen nahestehende Personen verhöhnen und emotional verletzen. So als wäre die Demütigung und Provokation der einzige Kick in ihrem Leben gewesen. Auf der anderen Seite sind Berners und Robert auch großzügig und anteilsvoll - nur kann das jeden Moment ins Gegenteil umschlagen. Es sind keine Menschen, die man aufgrund der Schilderungen wirklich gern hat, auch wenn Sofka Zinovieff oft um Verständnis wirbt.
Dieses Buch ist das Kaleidoskop einer untergehenden Gesellschaft. Lord Berners hat keine Nachkommen, Robert Herber-Percy bemüht sich noch nach Kräften, den Schein eines mondänen Lebensstils aufrechtzuerhalten, aber mit seiner Enkelin Sofka verschwindet das "alte England" aus den Mauern von Faringdon House. Heute ist das Anwesen an Fremde vermietet und selbst die alten Fotos, Briefe und Erinnerungen verblassen langsam. Sofka Zinovieff hat diesem Ort ein journalistisches Denkmal gesetzt, ohne Pathos und ohne zu viel Wehmut. Das ist nun mal der Lauf der Welt...