16,90 €
inkl. MwSt.
Versandkostenfrei*
Versandfertig in 1-2 Wochen
payback
0 °P sammeln
  • Broschiertes Buch

"Tausende und Abertausende von Toten, eine unbestimmte Anzahl von Vermissten, über die man nie mehr etwas erfahren wird." So charakterisiert Fulvio Vassallo Paleologo, Professor an der Universität von Palermo, die "Nebenwirkungen" eines von Europa einseitig gegen Migranten erklärten Krieges, der die irreguläre Migration stoppen und die Einreisemöglichkeiten - auch für Asylsuchende - beenden soll. Die namenlosen Opfer dieser europäischen Abschottungspolitik sind meist allenfalls noch eine Randnotiz in unseren Zeitungen wert.Der mutige italienische Journalist Gabriele del Grande ist der Spur…mehr

Produktbeschreibung
"Tausende und Abertausende von Toten, eine unbestimmte Anzahl von Vermissten, über die man nie mehr etwas erfahren wird." So charakterisiert Fulvio Vassallo Paleologo, Professor an der Universität von Palermo, die "Nebenwirkungen" eines von Europa einseitig gegen Migranten erklärten Krieges, der die irreguläre Migration stoppen und die Einreisemöglichkeiten - auch für Asylsuchende - beenden soll. Die namenlosen Opfer dieser europäischen Abschottungspolitik sind meist allenfalls noch eine Randnotiz in unseren Zeitungen wert.Der mutige italienische Journalist Gabriele del Grande ist der Spur dieser "Namenlosen" gefolgt. In eindrucksvollen, äußerst präzisen und spannend zu lesenden Reportagen geht er ihrer Geschichte und ihren Geschichten nach. In detektivischer Kleinarbeit fügt er einen Puzzlestein an den anderen. Monatelang folgte er ihren Routen entlang des Mittelmeers, von der Türkei zum Maghreb und von dort bis zum Senegal. Wer waren diese Menschen, die Schiffbrüchen zum Opfer fielen, aber auch der Hitze der Sahara, Lastwagenunfällen, dem Schnee und der Kälte, den Minenfeldern und den Schüssen der Polizei? Aus welcher Situation kamen sie? Warum brachen sie nach Europa auf und ließen ihr bisheriges Leben hinter sich? Gabriele del Grandes Buch ist ein Epitaph für die Opfer. Es ist aber gleichzeitig ein Appell an uns alle, endlich hinzusehen und die Tragödie der irregulären Migranten im Mittelmeer nicht weiter zu dulden. Denn die zahllosen Opfer und ihre Geschichte zu vergessen und sich mit dieser brutalen "Normalität" abzufinden, hieße, sie erneut sterben zu lassen. Das Buch hat in Italien bereits innerhalb kürzester Zeit für großes Aufsehen gesorgt.
Autorenporträt
Gabriele Del Grande, geboren in Lucca (Toscana, Italien) 1982. Seit dem Abschluss seines Orientalistikstudiums in Bologna lebt er in Rom und arbeitet für die Nachrichtenagentur ¿redattore sociale¿. Im Jahr 2006 gründete er Fortress Europe, ein mediales Observatorium der Opfer der irregulären Migration. Seit 2007 folgt er den Routen der Migranten in der Türkei, Griechenland, Tunesien, Marokko, Westsahara, Mauretanien, Mali und Senegal. ¿Mamadous Fahrt in den Tod¿ war sein erstes Buch, danach erschien ¿ ebenfalls im von Loeper Literaturverlag ¿ das Buch ¿Das Meer zwischen uns - Flucht und Migration in Zeiten der Abschottung. Außerdem veröffentlichte er die Reportagen ¿Roma senza fissa dimorä (Rom aus der Sicht Obdachloser, 2005) und ¿Biglietti di viaggio della Palestinä (Fahrkarten aus Palästina, 2004). Gabriele del Grande wurde 2007 mit dem Premio Santa Marinello ausgezeichnet, 2010 erhielt er den Menschenrechtspreis von Pro Asyl.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.06.2008

Festung Europa
Die Invasion von Flüchtlingen ist eine Mär – Tatsache ist, dass sich der Kontinent an die Toten vor seinen Küsten gewöhnt hat
Rabat – Rom, einfacher Flug mit Royal Air Maroc für 200 Euro, mit Einreisevisum und Arbeitsgenehmigung: Die Auswanderung könnte – theoretisch – einfach und billig sein. Und weniger lebensgefährlich, als das Mittelmeer per Holzboot zu überqueren. Gabriele del Grande unternimmt dieses Gedankenspiel, weil er es während seiner Recherchen unentwegt mit Toten und Verletzten zu tun hat. Der italienische Journalist folgte drei Monate lang den Spuren derer, die sich auf den Weg nach Europa machen. Er reiste in die Türkei, nach Marokko und Tunesien; er besuchte den Senegal und sprach in Mauretanien, Mali und der Westsahara mit zahlreichen Migranten. Menschenrechtsorganisationen und Familien, die ihre Söhne oder Töchter vermissen, öffneten ihm die Türen. Andere Tore, etwa die der Abschiebelager und Gefängnisse, machte er sich durch Notlügen passierbar.
Seine Reportagen sind nicht immer elegant übersetzt, und an manchen Punkten wünscht man sich mehr Quellenhinweise. Doch – und das ist das große Verdienst del Grandes – gelingt es ihm, den Toten Gesichter und Namen zu geben. Er rekonstruiert die Umstände der Auswanderung, recherchiert Namen und Herkunft von Ertrunkenen. Del Grande besucht Familien, die um ihre Söhne und Töchter trauern, die auf den Schulden ihrer Kinder sitzen und überlegen, wie sie 5000 Euro für die Überführung des Leichnams auftreiben können. Die Geschichten erzählen auch von geldgierigen, korrupten Uniformierten, den menschenverachtenden Zuständen in Nordafrikas Abschiebezentren und den Vertreibungen in die Wüste. Vor allem streicht del Grande heraus, an welchen Punkten die Europäische Union die Verantwortung für das größte Seegrab Europas und die Toten in der Sahara trägt.
Er rechnet vor, dass die Rede von einer „Invasion” oder „einem nie dagewesenen Druck” eine Mär sei: Madrid habe 2006 eine Rekordzahl von 31 000 Ankünften auf den Kanarischen Inseln registriert, dies sei sechsmal so viel wie im Jahr zuvor. Hinter dieser angeblich alarmierenden Zahl verberge sich eine andere Realität. Die Statistik irregulärer Einwanderer, die sich 2005 in Spanien legalisieren ließen, zeige, dass nur vier Prozent dieser Eingewanderten aus dem Afrika südlich der Sahara kommen. Die Mehrzahl der irregulären Einwanderer landen im Flugzeug aus Südamerika oder kommen mit dem Bus aus Osteuropa; fast immer mit einem Touristenvisum, das irgendwann ungültig wird. Im Unterschied zu Menschen aus Bulgarien oder Ecuador aber lägen die Chancen für
einen Afrikaner, ein Touristenvisum zu erhalten, bei null. Für sie bliebe nur die irreguläre Einwanderung, der Weg über das Meer in senegalesischen Pirogen,
marokkanischen Pateras oder anderen Holzbooten.
2006 starben laut del Grande mindestens 1024 junge Männer und Frauen (nach Angaben spanischer Behörden sogar 6000) entlang der Atlantikroute auf dem Weg zu den Kanarischen Inseln. Für deren Tod macht er die Gleichgültigkeit Spaniens, der gesamten EU und der Herkunftsländer verantwortlich.
Die Europäische Union gebe Milliarden aus für die Abwehr einer Invasion, die es nicht gebe, so del Grande. Die Kontrolle der Grenzen koste doppelt so viel wie der Haushaltsposten Immigration. Eine besonders kritische Rolle spiele die Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen (Frontex). Vor allem die Patrouillen mit Schiffen und Flugzeugen an den Südküsten Europas und vor Westafrika bis zum Senegal führten dazu, dass Migranten immer waghalsigere Routen wählten.
Die Abschreckung verhindert aber keineswegs, dass Menschen sich in Richtung Europa auf den Weg machen. Um den Radarkontrollen und Überwachungsflügen zu entgehen, werden kleine Boote eingesetzt. Nicht nur das macht die Ausreise lebensgefährlich. Auch die von Frontex-Schiffen provozierten Routenänderungen reißen Menschen in den Tod, weil die überfüllten Boote kentern. Menschenrechtsorganisationen und die marokkanische Vereinigung „Amis et familles des victimes de l’immigration clandestine” (AFVIC) bestätigen diese Aussagen.
Fulvio Vassallo Paleologo bezeichnet im Vorwort die Tausenden Toten als „Nebenwirkungen eines von Europa einseitig gegen Migranten erklärten Krieges mit dem Ziel, die irreguläre Migration zu bekämpfen und gleichzeitig die legalen Einreisemöglichkeiten zu blockieren – sogar für Asylsuchende”. Der Jura-Professor an der Universität Palermo kritisiert, dass sich Europa insbesondere nach dem 11. September 2001 abschotte, obwohl sich der in die Welt hinausposaunte Zusammenhang zwischen terroristischen Anschlägen und irregulären Einwanderern immer wieder als unbegründet herausstelle.
Die Menschenabwehr werde militarisiert und schaffe immer mehr Tote. Der Drang nach irregulärer Einwanderung bleibe bestehen. Sie sei fester Bestandteil einer liberalen Ökonomie globalen Zuschnitts, die von einer Parallelwirtschaft informeller Arbeit, sei es auf dem Bau oder den Gemüsefeldern, im Bereich der Pflege oder anderer Dienstleistungen geprägt sei, so Paleologo. Die EU verschließe die Augen vor den Grausamkeiten diesseits und jenseits der Grenze, schreibt del Grande. Laut der Organisation „fortress europe”, zu deren Gründern der Autor gehört, starben in den letzten 20 Jahren 11 750 Menschen an den Grenzen Europas. Das Buch bietet dem Leser viele Informationen und erläutert wichtige Hintergründe. Ob es damit auch gelingt, die Öffentlichkeit, die sich offenbar mit diesem Massensterben vor Europas Küsten abgefunden hat, aufzurütteln, steht jedoch nicht allein in der Macht des Autors. ANKE SCHWARZER
GABRIELE DEL GRANDE: Mamadous Fahrt in den Tod. Die Tragödie der irregulären Migranten im Mittelmeer. Von Loeper Literaturverlag, Karlsruhe 2008. 216 Seiten, 14,90 Euro.
Afrikanische Flüchtlinge warten auf der Kanareninsel Fuerteventura auf ihre medizinische Untersuchung durch das Rote Kreuz, ehe sie von den spanischen Behörden nach Afrika zurückgeschickt werden. Die Küstenwache hatte sie auf einem wackeligen Boot im Atlantik abgefangen. Dennoch haben sie noch vergleichsweise Glück gehabt. Allein 2006 starben mehr als 1000 Männer und Frauen auf dem riskanten Weg über das Meer zu den Kanarischen Inseln. Foto: dpa
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensentin Anke Schwarzer begrüßt Gabriele del Grandes aufrüttelndes Buch über die "Tragödie der irregulären Migranten im Mittelmeer". Sie hebt die Recherchen des italienischen Journalisten hervor, der drei Monate den Spuren afrikanischer Flüchtlinge folgte, mit Migranten, ihren Familien und Menschenrechtsorganisationen sprach und auch Abschiebelager sowie Gefängnisse besuchte. Zwar sind die Reportagen nicht immer glänzend übersetzt. Auch hätte sich Schwarzer bisweilen mehr Quellenhinweise gewünscht. Aber diese Kritikpunkte fallen für sie nicht allzu negativ ins Gewicht. Demgegenüber unterstreicht sie die Stärke des Buchs: dass es dem Autor gelingt, "den Toten Gesichter und Namen zu geben". Er rekonstruiere Umstände der Auswanderung, recherchiere Namen und Herkunft von Ertrunkenen, besuche ihre Familien. Zudem führt del Grande für sie die Mit-Verantwortung der Europäische Union für die zahlreichen Toten vor den Küsten eindringlich vor Augen und zeigt überzeugend auf, dass die Rede von einer "Invasion" der Flüchtlinge eine Mär ist.

© Perlentaucher Medien GmbH