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In diesem 12. Band der »Lebensbilder« wird die bewegende Biographie einer jüdischen Arztfamilie aus dem Odenwald erzählt, die Deutschland verlassen und in den Vereinigten Staaten noch einmal von vorn anfangen mußte. Der Autor wuchs als einziger Sohn eines jüdischen Landarztes behütet in dem Odenwalddörfchen Reinheim auf. Nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten wurde die Familie derartig drangsaliert, daß sie sich 1934 in den Schutz der nahen Großstadt Frankfurt am Main zurückzuziehen gezwungen sah; die Großmutter stürzte sich in den Freitod. 1938, am Tage nach der sogenannten…mehr

Produktbeschreibung
In diesem 12. Band der »Lebensbilder« wird die bewegende Biographie einer jüdischen Arztfamilie aus dem Odenwald erzählt, die Deutschland verlassen und in den Vereinigten Staaten noch einmal von vorn anfangen mußte. Der Autor wuchs als einziger Sohn eines jüdischen Landarztes behütet in dem Odenwalddörfchen Reinheim auf. Nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten wurde die Familie derartig drangsaliert, daß sie sich 1934 in den Schutz der nahen Großstadt Frankfurt am Main zurückzuziehen gezwungen sah; die Großmutter stürzte sich in den Freitod. 1938, am Tage nach der sogenannten Reichskristallnacht, wurde der Vater des Autors in das KZ Buchenwald verschleppt und nach vier Wochen wieder freigelassen. Die Familie nahm dies als letzte Warnung und willigte nach langem Zögern in die erzwungene Emigration ein. Über Großbritannien gelangten die Goldmanns 1940 nach New York. Der Start wurde den Flüchtlingen nicht leichtgemacht: Der Vater, ein erfahrener Landarzt, mußte als 55jähriger noch einmal seine Examina in Medizin ablegen, um seinen Beruf weiter ausüben zu können. Mutter und Sohn ernährten mit Gelegenheitsjobs die Familie; Robert absolvierte gleichzeitig sein Studium. Er begann als Rundfunksprecher und arbeitete anschließend jahrelang als Redakteur, bevor er sich zunehmend sozial- und entwicklungspolitischen Aufgaben in der sogenannten Dritten Welt widmete. Im Laufe der Zeit wandte sich Goldmann mehr und mehr Problemfeldern zu, die mit dem Judentum, auch seinem eigenen, zu tun hatten und mit dem Staat Israel und dessen Beziehungen zu Deutschland. In seiner neuen Heimat, den Vereinigten Staaten, hat Goldmann eine Bilderbuchkarriere gemacht, ohne freilich jemals seine kulturellen Wurzeln in Deutschland verleugnet zu haben. 1993 schrieb er seine ereignisreiche Lebensgeschichte nieder, die gleichzeitig zu einer einfühlsamen Familienbiographie geriet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.11.2003

Ein Knall beendet die Kindheit
Literatur im Schloß: Robert Goldmanns "Flucht in die Welt"

Er spricht immer noch perfekt Deutsch, als hätte er das Land seiner Kindheit erst gestern verlassen. Doch Robert Goldmann lebt seit 1940 in den Vereinigten Staaten und war jetzt eigens aus New York angereist, um im Holzhausenschlößchen aus seinen Erinnerungen zu lesen. Den Titel seiner Autobiographie "Flucht in die Welt", die 1996 als zwölfter Band in der Schwarzen Reihe des S. Fischer Verlags erschien, hat die Frankfurter Bürgerstiftung als diesjähriges Leitwort für ihre "Literatur im Schloß" übernommen. Auch die drei weiteren Gäste, allesamt Zeitzeugen des Holocaust, werden dank der großzügigen Unterstützung der Ernst Max von Grunelius-Stiftung eigens aus Amerika und Israel anreisen: Gideon Behrendt am 12. November, Solly Ganor am 19. November und Raul Hilberg am 26. November.

Walter Pehle, Herausgeber der Schwarzen Reihe und damit auch Goldmanns Lektor, machte das Publikum im ausverkauften Vortragssaal mit dem Leben seines rührigen Autors bekannt, bevor Goldmann das Wort ergriff. Mit einem lauten Knall war seine idyllische Kindheit in Reinheim/Odenwald 1933 zu Ende gegangen. Der benachbarte Metzger, ein überzeugter Nazi, hatte einen Feuerwerksknallkörper im Hof der jüdischen Arztfamilie gezündet. Die Großmutter konnte den Schock nie überwinden: Sie hörte auf zu sprechen, verfiel in schwere Depression und stürzte sich später aus dem Mansardenstockwerk des Frankfurter Domizils an der Eschersheimer Landstraße. Landarzt Jacob Goldmann, der "ungesalbte Heilige" des Dorfes, versuchte vergeblich, in der jüdischen Großstadt-Gemeinde "unterzugehen".

Am Morgen nach der sogenannten Reichskristallnacht wurde er von der SS abgeholt und ins Konzentrationslager Buchenwald gebracht. Robert Goldmann hat nicht vergessen, daß sich SS-Mann Röth dabei sehr anständig der Mutter gegenüber verhielt, die außer sich geriet. Auch Lisbeth, die Reinheimer Haushälterin der Familie, hatte sich stets mutig zu den Goldmanns bekannt. Als Jacob Goldmann vier Wochen später aus dem KZ in seine demolierte Wohnung zurückkehrte, wurde die Ausreise beschlossen. Doch sollte Robert vorher noch sein Abitur am Philanthropin machen. So kam es, daß er am 29. März 1939 sein Abiturzeugnis entgegennahm, unterschrieben vom jüdischen Schuldirektor und abgestempelt mit dem Hakenkreuz der Schulbehörde. Im Januar 1940 emigrierten die Goldmanns nach New York, ein gutes Jahr später holten sie den Großvater nach, der allzu lange an den deutschen Rechtsstaat geglaubt hatte.

Das Abiturzeugnis mit dem NS-Stempel half Robert Goldmann wenig. Acht Jahre mußte er für den Bachelor-Grad nachbüffeln. Später arbeitete er als Rundfunkreporter bei der "Voice of America". In der "Ford Foundation" engagierte er sich 14 Jahre lang in sozialen Angelegenheiten, nach 1988 arbeitete er in der "Anti-Defamation-League" an der Versöhnung der Völker. Warum die Deutschen keinen Widerstand gegen Hitler geleistet haben, fragt er sich nicht, weil er weiß, wieviel Angst ein totalitäres System verbreiten kann. Aber: "Was haben sie vorher zu tun unterlassen, so daß Hitler an die Macht kommen konnte" - danach sollte man fragen, findet er. In den Seniorenheimen von Reinheim ist der Doktor noch nicht vergessen, und ein Kindergarten ist sogar nach ihm benannt.

CLAUDIA SCHÜLKE

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