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»... wenn ich zum Reichspräsidenten gewählt würde, und ich Hitler zum Reichskanzler mache. Dann habe ich das Heft in Händen« - so träumte der letzte deutsche Kronprinz Wilhelm von Preußen im Januar 1932. Doch war er nicht der einzige Akteur auf der radikalen Rechten, der sich zu Beginn der 1930er Jahre mit den mächtig aufstrebenden Nazis politisch arrangieren wollte. Lothar Machtan spürt dieser Gemengelage informeller Machenschaften mit sensationellem Quellenmaterial nach, ohne die sich nicht begreifen lässt, wie es am 30. Januar 1933 überhaupt zu Hitlers Reichskanzlerschaft kommen konnte. Der…mehr

Produktbeschreibung
»... wenn ich zum Reichspräsidenten gewählt würde, und ich Hitler zum Reichskanzler mache. Dann habe ich das Heft in Händen« - so träumte der letzte deutsche Kronprinz Wilhelm von Preußen im Januar 1932. Doch war er nicht der einzige Akteur auf der radikalen Rechten, der sich zu Beginn der 1930er Jahre mit den mächtig aufstrebenden Nazis politisch arrangieren wollte. Lothar Machtan spürt dieser Gemengelage informeller Machenschaften mit sensationellem Quellenmaterial nach, ohne die sich nicht begreifen lässt, wie es am 30. Januar 1933 überhaupt zu Hitlers Reichskanzlerschaft kommen konnte. Der Autor lässt die zentralen Akteure aus Ego-Dokumenten direkt zu uns sprechen und kommt damit den Geschehnissen so nah wie möglich. Ein faszinierendes Kammerspiel politischer Kungelei, bei dem der Hauptprotagonist in immer neuen Rollen auftritt und doch unbelehrbar einer Konstanten folgt: der utopischen Vorstellung, mit Hitler den gestürzten Hohenzollernthron wiederaufrichten zu können.
Autorenporträt
Lothar Machtan ist emeritierter Professor für Neuere Geschichte an der Universität Bremen. Er forscht zur Kultur des Politischen im 19. und 20. Jahrhundert und hat dazu zahlreiche erfolgreiche Sachbücher verfasst. Machtan schreibt für den Spiegel, die FAZ und die ZEIT und arbeitet zuletzt auch als Drehbuchautor für das ZDF.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Rezensent Paul Hoser nimmt Lothar Machtan seinen Wilhelm nicht ab. Machtans explizite Nähe zum Haus Hohenzollern gibt dem Buch ein Geschmäckle, das für Hoser nicht wegzudenken ist. Dass Machtan nicht unabhängig vorgeht, ist aber nur ein Schönheitsfehler für Hoser. Gravierender sind für den Rezensenten Machtans Ahnungslosigkeit in Sachen NSDAP-Geschichte, seine Lust zur Spekulation und der generelle Mangel an neuen Erkenntnissen im Buch. Machtans von Hoser anerkannte Kenntnis der geschichtswissenschaftlichen Forschung und die Materialfülle des Buches können das für den Rezensenten nicht wettmachen. Für eine Darstellung über Kronprinz Wilhelm und sein Verhältnis zu den Nazis während der Jahre 1930 bis 1935 ist das einfach zu wenig, meint Hoser.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.08.2021

Die braune Blume der Monarchie

Lothar Machtan verheißt neue Einsichten in das Verhältnis Kronprinz Wilhelms zu den Nationalsozialisten. Doch damit ist es nicht weit her.

Dieses Buch hat einen Kern und eine Schale. Zur Schale gehören ein Vorwort, das hier etwas kostbar "Prolegomena" heißt, ein Epilog und eine Danksagung. In ihm verneigt sich der Verfasser vor dem "persönlichen Interesse", das "der Herr der Hohenzollernpapiere, Georg Friedrich Prinz von Preußen . . . an meinem Projekt gezeigt" habe, und der "bedingungslosen Förderung" seiner Forschungen im hohenzollerschen Familienarchiv "durch das Haus Preußen". In diesem "Referenzrahmen" habe sich "eine inzwischen freundschaftlich zu nennende Beziehung" zu Georg Friedrich entwickelt. Dieser wird nun auch die offizielle Vorstellung des Buches am 18. August in Berlin mit einem Grußwort beehren.

Ist Lothar Machtan womöglich entgangen, dass seit zwei Jahren eine publizistische Debatte über die Ansprüche der Hohenzollern an den deutschen Staat stattfindet, in der das persönliche Interesse des "Chefs der Hohenzollernpapiere" keine geringe Rolle spielt? Durch seine Recherchen im Privatarchiv der Familie in Hechingen hat sich Machtan einen Vorteil im Meinungsstreit gesichert, der in diesem Herbst mit einem für September angekündigten Buch von Stephan Malinowski und einem von Frank-Lothar Kroll (den Machtan zu "Lothar Kroll" verkürzt) herausgegebenen Sammelband weitergehen wird. Mit seiner öffentlich ausgestellten Freundschaft zu Georg Friedrich von Preußen könnte er diesen Vorteil wieder verspielen. Denn im Hintergrund der Debatte steht nach wie vor die Frage, ob das Haus Hohenzollern bei der Machtübernahme der Nationalsozialisten "erheblichen Vorschub" im juristischen Sinn geleistet hat oder ob es zu Rückgaben beschlagnahmter Besitztümer und Entschädigungszahlungen nach dem Ausgleichsleistungsgesetz von 1994 berechtigt ist. In dieser Frage aber haben sich die Familie und ihre Anwälte klar positioniert.

Das weiß auch Machtan. Deshalb versucht er die bisherige Diskussion, an der international anerkannte Autoritäten wie John Röhl, Richard Evans, Ulrich Herbert und Jörn Leonhard teilgenommen haben, in seiner Danksagung und dem ihr vorgeschalteten Nachwort kleinzureden. Die vier historischen Gutachten zur Frage des Vorschubs, die im November 2019 von dem Satiriker Jan Böhmermann geleakt wurden, seien "zwar interessant, aber parteiisch", sie hätten "unnötige Zugeständnisse" an ihre Auftraggeber gemacht (zu denen auch die Hohenzollern gehörten). Zudem sei die Frage nach der Vorschubleistung "nicht erkenntnisfördernd", ungeachtet der Bemühungen "einiger Medien" (welcher?), die "expertokratische Fiktion" zu verbreiten, der Tatbestand sei bereits geklärt. Dabei gebe es bis heute keine "valide" politische Biographie Wilhelms von Preußen, nicht einmal "eine Tiefenbohrung" in jene Jahre hinein, in denen der Ex-Kronprinz politisch agiert habe. Diese Forschungslücke will Machtan mit seiner Studie schließen.

Wer nach derlei Ausführungen - die eigentlich an den Anfang des Buches gehört hätten -, eine besonders hohenzollernfreundliche Darstellung erwartet, wird angenehm überrascht. Machtan denkt gar nicht daran, die politische Karriere Wilhelms von Preußen (1882 bis 1951) in den späten Zwanziger- und frühen Dreißigerjahren schönzufärben. Im Gegenteil, der Ton, in dem er das Handeln des Ex-Kronprinzen kommentiert, den er mal gönnerhaft als "Proband" und "Protagonist", dann wieder pathetisch als "unser Held" bezeichnet, hat Züge moralischer Entrüstung. Die Anbiederung Wilhelms an Hitler nach der als "Röhm-Putsch" bekannten Säuberungsaktion, bei der mehrere Freunde des Kronprinzen ermordet wurden, laufe, so Machtan, auf den "Verkauf seiner Königsseele" hinaus; sie habe "die Zukunft der Monarchie, ja die monarchische Idee schlechthin heillos diskreditiert". Angesichts solcher Sätze verwundert es noch mehr, dass Machtan der aktuellen Debatte im Nachwort ihren moralisierenden Gestus vorhält. Ganz ohne Zorn und Eifer kommt seine Schilderung jedenfalls auch nicht aus.

Von Entlastung kann keine Rede sein.

Die Ergebenheitsadressen, welche "Wilhelm Kronprinz" im Sommer 1934 an den "Führer" richtet, setzen für Machtan den Schlusspunkt einer politischen Kurvenfahrt, die im Frühjahr 1930 mit ersten Spekulationen über einen Hohenzollern-Nachfolger für den greisen Reichspräsidenten Hindenburg begonnen hat. Ein Jahr später, unter der Regierung des monarchiefreundlichen Reichskanzlers Brüning, werden diese Machtfantasien und die entsprechenden Sondierungen vonseiten Wilhelms konkreter, und im März 1932 steht er kurz davor, sich mit Hitler zu verbünden, um als Kandidat der republikfeindlichen Rechten im zweiten Durchgang der Reichspräsidentenwahl gegen Hindenburg anzutreten und im Erfolgsfall dem Parteiführer der NSDAP zur Kanzlerschaft zu verhelfen. Da kommt aus dem Exil in Doorn per Telegramm das väterliche Verbot. Wilhelm II., der Ex-Kaiser, habe ihm befohlen, auf seine Pläne zu verzichten, erklärt der Ex-Kronprinz anschließend in einem Telefonat. Er könne nicht anders, als zu gehorchen.

Fortan betreibt Wilhelm mal vor, mal hinter dem Vorhang der politischen Bühne die Machtübernahme der Nationalsozialisten. Bei der Reichspräsidentenwahl votiert er öffentlich für den Kandidaten Hitler. Nach dem Sturz der Regierung Brüning versucht er zwischen dem neuen Kanzler Papen und den braunen Granden zu vermitteln. Als sein Duzfreund Kurt Schleicher, der Chef der Reichswehr, Papens Nachfolger wird, nutzt Wilhelm seine Kontakte in die Münchner Parteizentrale der Nazis, um Schleicher über die dortigen Intrigen auf dem Laufenden zu halten. Als Hitler am 30. Januar 1933 von Hindenburg zum Reichskanzler ernannt wird, weilt der Ex-Kronprinz zwar in Doorn, um den Geburtstag seines Vaters zu feiern. Aber schon am nächsten Morgen steigt er in den Zug nach Berlin. Am 5. Februar zeigt er sich mit Göring beim Staatsakt für den erschossenen SA-Führer Maikowski, und am 21. März posiert er als Aushängeschild für die Verbrüderung der Weimarer Rechten mit der faschistischen Diktatur beim "Tag von Potsdam".

In der Diskussion über die historische und juristische Bewertung dieses Verhaltens haben hohenzollernfreundliche Wissenschaftler und Politiker mit schöner Regelmäßigkeit weitere Recherchen im Privatarchiv der Familie eingefordert. Deshalb durfte man gespannt sein, wie viele entlastende Dokumente Lothar Machtan bei seinen Nachforschungen in Hechingen entdecken würde. Die Antwort lautet: kein einziges. Die wenigen Stellen, an denen Machtan aus dem Familienarchiv zitiert - meist aus privater Korrespondenz zwischen Wilhelm, seinem Vater und ihren Beratern -, belegen nicht minder das stetige und ununterbrochene Wirken des Ex-Kronprinzen für den Aufstieg der Nationalsozialisten. Selbst nach seiner öffentlichen Brüskierung durch den NS-Gauleiter Wilhelm Kube, der ihn als "untragbar" für ein Führungsamt von Hitlers Gnaden bezeichnete, hörte Wilhelm nicht auf, bei Schleicher für die "große, wertvolle, aber auch sehr schwierige Volksbewegung" zu werben. Insofern ist der neue Forschungsstand, den Machtans Buch verspricht, auch der alte.

Die Wirkung in "gewissen Kreisen".

Die Frage nach der Würdigkeit der Hohenzollern im Sinne des Ausgleichsleistungsgesetzes hält Machtan dennoch für eine "question mal posée". Warum ist die Frage falsch gestellt? Weil es "Aufgabe der Rechtsprechung" sei, sie abschließend zu beantworten. Das muss aber keinen Historiker daran hindern, sie im Lichte der Fakten, die er präsentiert, neu zu stellen. Im Gegenteil: Wer wie Machtan in eine laufende gesellschaftliche Debatte eingreift, kann gar nicht vermeiden, sich mit seinen Forschungen darin zu positionieren, und sei es nur, indem er, wie unser Autor, mit einem ihrer wichtigsten Akteure Freundschaft schließt.

Tatsächlich gibt Machtan implizite Hinweise darauf, wie er sich die Beantwortung der Vorschubfrage vorstellt. Wilhelm habe zwar als "Resonanzverstärker des Nationalsozialismus" agiert, aber "keine kalkulierte Strategie" verfolgt, weil er unter einem "chronischen Mangel an Machtfähigkeit" litt. Deshalb sei er "zur politischen Gratisressource" Hitlers geworden. Aber im entscheidenden Moment, der "Schwellenzeit" Anfang 1933, war Hitler auf diese Ressource nicht mehr angewiesen. Erst nach der Machtübernahme griff er wieder auf sie zurück, um seine noch schwankende Terrorherrschaft zu legitimieren.

Über die Wirksamkeit der kronprinzlichen Unterstützung für die Nazis sind die Historiker uneins. Die von Christopher Clark in seinem Hohenzollern-Gutachten vertretene These, Wilhelm sei zu unbedeutend gewesen, um am Rad der Geschichte drehen zu können, wird inzwischen auch von Clark selbst dementiert. Machtan wiederum zitiert ausgiebig aus zeitgenössischen Äußerungen, die Wilhelms Charakterschwäche und seine mangelnde Popularität beklagen, mahnt aber zugleich, die "Bereitschaft in gewissen Kreisen" nicht zu unterschätzen, dem abgedankten Kronprinzen "Gehör zu schenken". Der Jubel, der Wilhelms Auftritte bei Gedenkfeiern und "Stahlhelm"-Versammlungen begleitete, deutet darauf hin, dass es diese gewissen Kreise waren, die zur Durchsetzung der Naziherrschaft in den Jahren 1933 und 1934 wesentlich beitrugen: Reichswehr, Frontsoldatenbünde, Aristokratie und Großindustrie. Das symbolische Kapital, das der Ex-Kronprinz mitbrachte, warf hier für das "Dritte Reich" die Zinsen ab.

Die grundlegende Schwäche von Machtans Buch liegt in dem Widerspruch zwischen der mangelnden Brisanz seiner Darstellung und der fanfarenhaften Geste, mit der er sie präsentiert. Die wichtigsten Fakten zur Verstrickung Wilhelms von Preußen in den Aufstieg der Nationalsozialisten haben bereits Stephan Malinowski und Peter Brandt in ihren Gutachten von 2014 zusammengestellt. Machtan schmiedet daraus eine Geschichtserzählung, die auf gut zweihundert Seiten das Charakterbild eines verblendeten Antidemokraten entfaltet, aber wirklich neue Erkenntnisse hat er nicht zu bieten. Der Diskurs, von dem er im Nachwort hofft, dass er "jetzt endlich" beginnen möge, findet längst statt, und er wird durch Machtans Buch seine Richtung nicht wesentlich ändern. Man kann einer historischen Debatte weder vorschreiben, wann sie zu beginnen, noch, wann sie zu enden hat. Dass die Politik daraus dennoch ihre eigenen Schlüsse ziehen muss, steht auf einem anderen Blatt. ANDREAS KILB.

Lothar Machtan: "Der Kronprinz und die Nazis". Hohenzollerns blinder Fleck.

Duncker & Humblot Verlag, Berlin 2021. 300 S., Abb., 29,90 Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 18.08.2021

Der
royale Narr
Ein neues Buch über die Hohenzollern führt mitten
rein in den Streit um die Entschädigungsforderungen
VON JOACHIM KÄPPNER
An einem nebeligen Herbstmorgen verließ Kaiser Wilhelm II. das Große Hauptquartier in Spa und setzte sich sang- und klanglos nach Holland ins Exil ab. Es war der 10. November 1918, der Kaiser, der erheblich dazu beigetragen hatte, Deutschland und die Welt in den Ersten Weltkrieg zu stürzen, und seine Dynastie waren endlich Geschichte – auch wenn viele Hohenzollern noch lange auf eine Rückkehr an die Macht hofften.
Vom „Aberwitz der Hohenzollern“ handelt die Biografie, die der Bremer Historiker Lothar Machtan über den ältesten Sohn Kaiser Wilhelms II., ebenfalls Wilhelm genannt (1882 – 1951), verfasst hat: „Der Kronprinz und die Nazis. Der blinde Fleck der Hohenzollern“. Selten kommt historischen Stoffen so große aktuelle Bedeutung zu, und das ist auch der Grund, warum Wirtschaftsminister Peter Altmaier an diesem Mittwoch zur Buchpräsentation in Berlin ein nicht ohne Spannung erwartetes Grußwort sprechen wird. Teile der Familie Hohenzollern nämlich fordern die deutsche Republik heraus. Sie wollen Entschädigungen für Immobilien und Wertgegenstände, die einst in der Sowjetischen Besatzungszone enteignet wurden. Gesetzlich sind aber alle von derlei Ansprüchen ausgeschlossen, die dem Nationalsozialismus „erheblichen Vorschub“ geleistet haben. Bund und Länder lehnen das Ansinnen ab. Das ist die Substanz des „Hohenzollernstreits“.
Wie im Vater manifestierte sich der Aberwitz auch im Sohn, dem Kronprinzen Wilhelm. Und wie es ein guter Historiker tun sollte, untersucht Lothar Machtan das Treiben des Prinzen ab 1931, in den letzten beiden Jahren der Weimarer Republik, aus ihrer Zeit heraus, nicht aus dem Wissen der Nachgeborenen um Auschwitz, Vernichtungskrieg und die Zerstörung Europas. Machtan, der Zugang zu den Hohenzollern-Archiven erhielt, schreibt sachkundig und gut lesbar, seinen „Antihelden“ beschönigt er nicht – und doch werden seine Thesen wohl einigen verständlichen Widerstand in der Historikerzunft provozieren.
Anders als der Vater durfte Wilhelm von Preußen 1923 heimkehren – nur um dort zu seinem Verdruss festzustellen, dass der Monarchie nur noch wenige nachtrauerten. Selbst für die erstarkende Rechte waren Könige und Kaiser von gestern, die Feinde der Republik dachten längst extremer. „Der Kronprinz“, schreibt Machtan, „wollte partout nicht wahrhaben, dass auch für ihn selbst kaum mehr Aussicht bestand, eine politische Rolle zu spielen. Es sei denn, er griffe selbst beherzt nach dem Mantel der Macht.“
Diesen Griff versucht er mit Hilfe der Nazis zu bewerkstelligen, was für Wilhelm kein moralisches Problem darstellte, da er den Faschismus ohnehin, wie er nach einem Treffen mit Italiens Diktator Mussolini schrieb, für „ein fabelhaftes Instrument“ hielt. Dem Duce bescheinigte er: „Kommunismus, Sozialismus, Demokratie sind ausgerottet, und zwar mit Stumpf und Stiel, eine geniale Brutalität hat dies zuwege gebracht.“
Obwohl seine Gattin Cecilie und Wilhelm sich im Grunde nicht sonderlich gut leiden konnten, betrieben sie gemeinsam den Versuch, an die Spitze des Reiches zu gelangen, etwa über eine „Reichsverweserschaft“ für den Kronprinzen. Adolf Hitler, der in Wahrheit keinerlei Absicht hegte, die Macht mit verpeilten Preußenprinzen zu teilen, ließ Wilhelm 1932 weiter an derlei Luftschlössern basteln und nahm dessen Unterstützung dankend an. Hitler selbst sagte im kleinen Kreis freilich: „Ich schere mich nicht um die Fürsten; ich habe mich selber gemacht, sogar gegen deren Willen.“
Dagegen hatte, so Machtan, der Kaisersohn „keine Bühne, kein Drehbuch und keinen Regisseur. Er ist kein Star, noch nicht einmal ein prince charming.“ Taktisch ein Tölpel, persönlich ein verprahlter Lebemann, strategisch ohne echte Verbündete: Der Kronprinz, so ließe sich Machtans These etwas verkürzt zusammenfassen, war ein royaler Narr und politisch ein solcher Idiot, dass er zum Aufstieg Adolf Hitlers an die Macht nichts Wesentliches beitragen konnte. Er wurde nicht gebraucht, 1933 dann erst recht nicht mehr. Aus „Torschlusspanik“ machte er sich dann, wie Machtan schreibt, „unaufgefordert zum royalen Aushängeschild des Dritten Reiches“.
Es erklärt sich freilich leicht, warum die These vom Gescheiterten so brisant ist. Ob die Hohenzollern am Ende entschädigt werden müssen, entscheidet eben auch die Antwort auf die Frage, ob und wie stark sie der Nazityrannei, juristisch betrachtet, jene „erhebliche Vorschubleistung“ gebracht haben. Machtans Buch nähert sich damit der Position der Hohenzollern an, dass dem nicht so sei.
Er ist damit deutlich zurückhaltender als sein Kollege Stephan Malinowski, der Ende September sein Buch „Die Hohenzollern und die Nazis. Geschichte einer Kollaboration“ herausbringen wird. Machtan wirft, ganz im Gestus des über ideologischen Gegenwartsdebatten stehenden Fachwissenschaftlers, anderen Historikern vor, sie hätten sich als Gutachter im Hohenzollernstreit „mit unnötigen Zugeständnissen an ihre Auftraggeber“ keinen Gefallen getan. Und die Frage nach der justiziablen „erheblichen Vorschubleistung“ der Hohenzollern für die Hitlerbewegung hält er ohnehin für falsch, weil zu politisch motiviert gestellt.
Selbst wenn Machtan jedoch recht haben sollte, dass des Prinzen Hilfe für die Nazis den Lauf der Geschichte sehr wenig beeinflusste: Ist das die entscheidende Frage? Ein Steigbügelhalter der deutschen Faschisten war Wilhelm doch ohne Zweifel, auch wenn diese es nicht nötig hatten, sich den Bügel von ihm halten zu lassen. Ja, viele haben dem Nationalsozialismus in den Sattel geholfen, die Reichswehr, einflussreiche Industrielle, Konservative und Deutschnationale, sogar Teile der evangelischen Kirche. Der Playboy-Kronprinz spielte dabei bloß eine Nebenrolle – aber eben doch eine Rolle. Und kommt es bei dieser Mittäterschaft wirklich nur darauf an, wie groß oder klein diese Rolle war? Oder doch auch auf den unbestreitbaren Versuch?
Nicht überzeugend ist daher Machtans Schlussfolgerung, der „eigentliche Sündenfall“ des Prinzen habe erst nach Hitlers Machtübernahme am 30. Januar 1933 begonnen, als er mit seinem berühmten Namen heftig für das neue Regime warb. Dies wäre dann ja keine Vorschubleistung mehr gewesen, sondern nur das nachträgliche und törichte Anbiedern eines politisch Verirrten, der sich davon Vorteile erhofft: „So wird Wilhelm quasi zur politischen Gratisressource des angehenden Diktators, aus der sich das Regime eine Zeit lang gern bedient, ohne sich damit zu irgendetwas zu verpflichten.“
Aber warum soll der „Sündenfall“ des Prinzen erst zu dem Zeitpunkt begonnen haben, als Hitler schon herrschte? Offenbar hat Wilhelm von Preußen selbst sich ja schon vor der Machtübernahme des Nationalsozialismus 1933 als Förderer des späteren Führers betrachtet.
An Adolf Hitler schrieb der Prinz einmal: „Lange bevor die nationalsozialistische Bewegung die Mehrheit des Volkes erfasste, stand ich mit Ihnen in persönlichem Gedankenaustausch und setzte mich für Sie und Ihre Bewegung mit warmem Herzen ein. Ich bin in Wort und Schrift für Sie und Ihre großen Ideen eingetreten, wo mir dazu nur irgendwie Gelegenheit gegeben wurde.“
Taktisch ein Tölpel, persönlich
ein verprahlter Lebemann,
strategisch ohne echte Verbündete
Der Playboy-Kronprinz
spielte in der Sache
eben doch eine Rolle
Millionenfrage: Hat Wilhelm von Preußen (2.v.r.) der Nazidiktatur Vorschub geleistet? Aufnahme aus dem Sportpalast in Berlin.
Foto: Scherl/Süddeutsche Zeitung Photo
Lothar Machtan: Der Kronprinz und die Nazis
Hohenzollerns blinder Fleck, Duncker&Humblot, Berlin 2021.
300 Seiten, 24,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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»Trotz aller Einwände handelt es sich um ein wichtiges und lesenswertes Buch.« Prof. Dr. Wolfgang Schieder, in: Neue Politische Literatur, online veröffentlicht am 20.12.2022

»unbedingt lesenswert.« Andreas Fritsche, in: Neues Deutschland, Nr. 250 vom 26.10.2021

»Ich würde dieses Buch in jedem Fall empfehlen jedem und jeder, die sich über diese Situation und diese Zeit informieren will, weil Lothar Machtan es wirklich sehr gut beschreiben kann.« Dr. Stephan Cartier, in: Radio Bremen / Bremen Zwei Kultur im Gespräch mit Hilke Theessen am 18.August 2021 ('Mit freundlicher Genehmigung von Radio Bremen, Produktion 2021')

»Lothar Machtans Kronprinz ist eine kluge Darstellung der Endphase der Weimarer Republik (...)« Konstantin Sakkas in: SWR2 lesenswert Magazin, Sendung vom 26.09.2021

»Das Buch könnte zur Versachlichung der erhitzt geführten Hohenzollerndebatte beitragen.« Christian Schröder, in: Der Tagesspiegel, online vom 19.08.2021

»Auf den 300 Seiten des Buches finden sich viele spannende historische Details. Dass der ehemalige Kronprinz sich von den Nazis zur Beseitigung der Weimarer Demokratie benutzen ließ, erscheint nach der Lektüre sonnenklar. Die Frage, ob er damit den Nazis 'erheblichen Vorschub' leistete, wirkt angesichts dessen wie eine Spitzfindigkeit.« Dietrich Schröder, in: Märkische Oderzeitung, online vom 08.08.2021

»Wer Spaß an der Intrige hat, der wird Machtans Buch mit Vergnügen lesen.« Arno Widmann, in: Frankfurter Rundschau, online am 08.08.2021…mehr