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In Schwabing, dem Literaten- und Künstlerviertel, votierten in der Märzwahl 1933 mehr Bürgerinnen und Bürger für die Nazi-Partei als im Stadtdurchschnitt. Die NS-Verbrechen wurden in der unmittelbaren Nachbarschaft der Schwabinger begangen, die, wie überall, meistens wegsahen, geschehen ließen, manchmal auch bewusst förderten oder sogar am Elend der Nachbarn verdienten.Zahlreiche Zeitzeugenberichte, Biografien und Bilder dokumentieren die Vorgänge in Münchens berühmtesten Stadtviertel und das Leben von ehemaligen Schwabingern, die in der Zeit von 1933 bis 1945 verfolgt wurden.Das Bild von…mehr

Produktbeschreibung
In Schwabing, dem Literaten- und Künstlerviertel, votierten in der Märzwahl 1933 mehr Bürgerinnen und Bürger für die Nazi-Partei als im Stadtdurchschnitt. Die NS-Verbrechen wurden in der unmittelbaren Nachbarschaft der Schwabinger begangen, die, wie überall, meistens wegsahen, geschehen ließen, manchmal auch bewusst förderten oder sogar am Elend der Nachbarn verdienten.Zahlreiche Zeitzeugenberichte, Biografien und Bilder dokumentieren die Vorgänge in Münchens berühmtesten Stadtviertel und das Leben von ehemaligen Schwabingern, die in der Zeit von 1933 bis 1945 verfolgt wurden.Das Bild von Schwabing, das die Herausgeberin Ilse Macek mit dem Autorenkollektiv zeichnet, ist authentisch, bewegend, erhellend und auf das Heute weisend zugleich.
Autorenporträt
Macek, IlseIlse Macek ist Politikwissenschaftlerin und Programmbereichsleiterin des Querschnittprogramms der Münchner Volkshochschule. Beruflich, politisch und ganz persönlich ist sie seit vielen Jahren mit zeitgeschichtlichen Fragestellungen beschäftigt und entwickelt u.a. einschlägige Programmangebote.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.04.2008

Mitzunehmen sind sämtliche Kinder. . .
Das Buch „Ausgegrenzt – entrechtet – deportiert” zeichnet das Schicksal Schwabinger Juden nach
Sie wurden gequält und gefoltert, zwangssterilisiert und ermordet. Oft genug verliert sich ihre Spur, ein Eintrag auf einer Deportationsliste für Transporte nach Piaski in Polen, Kaunas in Litauen, nach Theresienstadt oder Auschwitz war ihr Todesurteil und zugleich der letzte Beweis ihrer Existenz. Ihre Namen aber werden nicht verloren gehen. Denn noch leben hochbetagte Zeitzeugen, die zum Teil aus New York und Israel mit Erinnerungen beigetragen haben zu einem Werk, das den Opfern ihre Namen wieder gibt.
„Ausgegrenzt – entrechtet – deportiert” – dieses Buch ist ein Werkstattbuch. Seine Geschichten sind Schicksale von Juden, politisch Andersdenkenden, Homosexuellen, Behinderten – in den allermeisten Fällen tragische. Und selbst die Glücklichen, die Auswanderer, die Flüchtlinge und Überlebenden, wissen von getöteten Angehörigen zu berichten, von ruinierter Gesundheit und zerrütteten Nerven. Wenige auch von mutigen Helfern und aufrechten Nachbarn. Alle aber von Furcht. Noch heute, nach 40 erfüllten Lebensjahren in ihrem zweiten Leben in Kanada, ergreift die 81-jährige Judy Rosenberg, früher Judith Hirsch, jedesmal panische Angst beim Anblick einer Uniform.
Die Lebensgeschichten der Judith Hirsch, der Merry Gaber, des Erwin Weil hat eine Geschichtswerkstatt gebündelt. Die Autoren – Betroffene, Nachbarn, Historiker, Interessierte – haben sie zum Teil in lebenslanger mühevoller Detektivarbeit zusammengetragen. Gezeichnet wird ein Bild Schwabings zwischen 1933 und 1945 – des künstlerischen Schwabings, dessen jüdische Künstler vertrieben und erschossen wurden. Des bürgerlichen Schwabings, dessen Lehrkörper sich am Antisemitismus beteiligten, dessen jüdische Lehrer vor ihrer Deportation etwa dazu gezwungen werden, beim Zemententladen im Judenlager mit dem Wasserschlauch den Staub niederzuhalten. Des unmenschlichen Schwabings, dessen Bewohner wegsahen, wenn ihre jüdischen Mitbürger mit dem Handkoffer zwecks Deportation zum Bahnhof gingen. „Es war, wie wenn wir nicht existieren würden”, erinnert sich Judy Rosenberg an diesen schweren Gang.
Auch Werner Grube, der heute 78-Jährige, musste ihn gehen, zusammen mit seinen beiden Geschwistern und mit Mutter Clementine. Die Aufforderung kam in typischem Behördendeutsch: „Mitzunehmen sind sämtliche Kinder mit Gepäck zwecks Wohnsitzverlegung nach Einsatzort.” Der Einsatzort war Theresienstadt.
Werner Grube hat diese Zeit nie losgelassen. Bei jeder Gelegenheit spürte er Leidensgenossen nach, auch Judy Rosenberg spürte er in Montreal auf. Bei jeder Gelegenheit berichtet er Schulklassen von seinen Erlebnissen, mahnt er, das Gedenken nicht zu vergessen. Den Curt-Mezger-Platz, benannt nach dem ehemaligen Leiter der Judenlager Milbertshofen und Berg am Laim, hat ihm die Stadt zu verdanken und auch die Gedenkstele vor dem ehemaligen Kinderheim in der Antonienstraße, die Merry Gaber und Judith Hirsch zeigt, hat er angestoßen.
„Ausgegrenzt – entrechtet – deportiert” lebt von der Einzelbetrachtung, vom lokalhistorischen Blickwinkel, von den Zeitzeugenberichten, den Biographien und den Fotos. Trotz mancher Sprünge und sprachlicher Unzulänglichkeiten zeichnet es ein authentisch-erschreckendes Bild Schwabings in den Jahren 1933 bis 1945. Herausgeberin Ilse Macek und ihre 21 Mitautoren realisierten mit diesem Buch ein Geschichtsprojekt der Münchner Volkshochschule in Kooperation mit dem Seidlvilla-Verein. Zu den Förderern gehören die beiden Schwabinger Bezirksausschüsse, der Förderverein der Münchner Volkshochschule und das Kulturreferat der Stadt.Thomas Kronewiter
„Ausgegrenzt – entrechtet – deportiert”, 640 Seiten, erschienen im Volk Verlag, ist zum Preis von 24,50 Euro im Buchhandel erhältlich.
Ehemalige Bewohner des Antonienheims (großes Foto, von links): Rolf Kahn, Erwin Weil, Judith Hirsch, Salo Neuwirth, Werner Grube, Kurt Kahn und vorne Merry Gaber – letztere ist mit Judith Hirsch auch rechts, kurz vor der Liquidierung des Kinderheims, am 2. März 1942 abgebildet. Fotos: oh
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