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In "Scenario" reflektieren erfahrene Drehbuchautoren über ihre Arbeit, ihr Handwerk und ihre Kunst. Der Almanach, der nun zum zweiten Mal erscheint, enthält ein ausführliches Werkstattgespräch, thematisch breit gefächerte Essays, die sich mit dem Erzählen in Bildern beschäftigen, sowie einen umfassenden Rezensionsteil; zudem ist in dem Band das mit der "Goldenen Lola" prämierte "Beste unverfilmte Drehbuch des Jahres" vollständig abgedruckt."Scenario" ist ein unverszichtbares Jahrbuch für Drehbuchautoren sowie eine spannende Lektüre für alle, die sich für filmische Erzählen interessieren.Der…mehr

Produktbeschreibung
In "Scenario" reflektieren erfahrene Drehbuchautoren über ihre Arbeit, ihr Handwerk und ihre Kunst. Der Almanach, der nun zum zweiten Mal erscheint, enthält ein ausführliches Werkstattgespräch, thematisch breit gefächerte Essays, die sich mit dem Erzählen in Bildern beschäftigen, sowie einen umfassenden Rezensionsteil; zudem ist in dem Band das mit der "Goldenen Lola" prämierte "Beste unverfilmte Drehbuch des Jahres" vollständig abgedruckt."Scenario" ist ein unverszichtbares Jahrbuch für Drehbuchautoren sowie eine spannende Lektüre für alle, die sich für filmische Erzählen interessieren.Der Herausgeber: Jochen Brunow arbeitet als Filmkritiker und ist seit den 1980er Jahren Drehbuchautor sowie Dozent für Dramaturgie und Stoffentwicklung; Autor des Klassikers "Schreiben für den Film".
Autorenporträt
Jochen Brunow arbeitet als Filmkritiker und ist seit den 1980er Jahren Drehbuchautor sowie Dozent für Dramaturgie und Stoffentwicklung.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.03.2011

Wie die Autoren die Welt des Kinos erschaffen
Phänomenologie des Erzählens: "Scenario 5"

"Ich scheiß' Dich zu mit meinem Geld" - in Helmut Dietls Film-Im-Film-Komödie "Rossini" scheint das Verhältnis zwischen Drehbuchautoren und Filmemachern ein für allemal auf den Punkt gegenseitiger Verachtung gebracht: Wer zahlt, schafft an, der Produzent füttert seinen Autor durch, manchmal auf hohem Niveau, aber der muss dafür liefern, was bestellt wird, und ansonsten die Klappe halten. Umgekehrt konserviert er dann seinen Hass auf die Macher am Drehort, die seine perfekte Vorlage entweder erst gar nicht begreifen, alle Subtilität aus ihr herausnehmen oder die wohlformulierten Zeilen einfach streichen. Schon in der Frühzeit des Kinos mussten die Autoren um ihre Reputation kämpfen: Letztlich liefern sie nur Material, andererseits werden sie gebraucht. "Ohne Drehbuch kein Film" - das ist noch immer eine verbreitete Überzeugung, die für deutscher Filmförderer geradezu zum Dogma geworden ist mit der Folge, dass manche Filmemacher offen zugeben: "Ich schreib' das Buch für die Förderung, dann werfe ich es weg."

In diesem Spannungsfeld ist die Leistung des "Film- und Drehbuch-Almanachs Scenario" gar nicht genug zu würdigen. Das von Jochen Brunow, dem Leiter der Drehbuchakademie an der Berliner Filmhochschule dffb, zum fünften Mal herausgegebene Jahrbuch versteht sich als Gegenentwurf zu all jenen Ratgebern, die "100 Schritte zur perfekten Story" versprechen oder fordern, jeder Film müsse nach den Grundprinzipien der aristotelischen Poetik oder den Gesetzen der mythischen Heldenreise erzählt werden. "Scenario" dagegen setzt auf Vielstimmigkeit, auf Erfahrung und die Produktivität von Widersprüchen. Ziel der Bände ist nicht praktische Handreichung, sondern Cinephilie auf hohem Niveau.

Auch Drehbuchautor Rolf Basedow, der hier in einem langen Werkstattgespräch Einblicke in seinen Arbeitsprozess gibt, geht auf Joseph Campells berühmtes "Der Heros in tausend Gestalten" ein, das Muster für viele Dramaturgieratgeber. Aber er fügt gleich hinzu, "dass auch die großen Ereignisse mit einer großen Banalität passieren. Daran versuche ich mich beim Schreiben immer wieder zu erinnern. Möglichst ohne Pathos, kein großes Drama."

Basedow, der allein zwölf Drehbücher für Dominik Graf schrieb, ist der wohl intensivste Rechercheur seines Gewerbes. Wochenlang begleitete er Zuhälter wie SEK-Beamte, ließ sich in eine Zelle sperren, "damit ich nachempfinden kann, wie es ist, wenn man da sitzt". Es geht also nicht um Phantasie, sondern um Phänomenologie, um das, was die Erfahrung dem eigenen Vorstellungsvermögen hinzufügt. Wie genau Basedow arbeitet, illustriert jene Passage, in der er beschreibt, wie er den Arm des Krimi-Ermittlers Sperling für eine Folge zum Brennen brachte: Eine genau ausgearbeitete Choreographie führte über acht Zwischenschritte zum gewünschten Ergebnis, jeder war detailliert beschrieben und in der Logik des Geschehens verankert.

Was er seinen Drehbuchautoren wie Basedow verdankt, bringt Dominik Graf in einem leidenschaftlichen Text über die Autoren, mit denen er regelmäßig arbeitet, und das "Weltreich der Autoren" zum Ausdruck. Er wird zu einer Liebeserklärung und zum Gegenentwurf zu jener zerrütteten Beziehung zwischen geschriebenem Text und Film in Deutschland, die Michael Töteberg in einem der früheren Bände konstatierte. Graf führt aus, dass es in Wirklichkeit die Autoren sind, die die Welten seiner Filme schaffen: ",Meine' Filme sind im Grunde ihre Filme." Und: "Es hat mich befreit, kein Autorenfilmer sein zu müssen, sondern Autoren-Verfilmer sein zu dürfen." Überraschend hart geht der Regisseur da mit sich selbst ins Gericht: Wie er das Niveau der Vorlage in der filmischen Ausführung manches Mal nicht habe halten können oder Szenen verschenkt habe, das ist eine ebenso spannende wie seltene Auseinandersetzung eines Regisseurs mit sich selbst, sehr ehrlich und ganz ohne erwartbare Eitelkeiten.

Der Band erinnert auch an einen spannenden Einzelgänger des Autorenkinos, den vor zehn Jahren verstorbenen Thomas Brasch, an den aus Anlass der DVD-Edition mit Braschs Filmen erinnert wird. "Stilbewusst, kühn, innovativ, Kinotraditionen von Expressionismus, DEFA und westdeutschem Autorenfilm aufgreifend, ganz eigen und gegenwärtig."

Gegenwart anderer Art sind die Rahmenbedingungen, unter denen Drehbücher überhaupt erst entstehen, an die Herausgeber Brunow im Vorwort erinnert: Kaum überraschend, bekommen auch hier die Verantwortlichen der Fernsehsender, vor allem der Niveauverfall bei den Öffentlich-Rechtlichen, ihr Fett weg. Darüber klagt schließlich mittlerweile sogar der mitverantwortliche Kulturstaatsminister, zuletzt erst erstaunlich offen zur Eröffnung der Berlinale. Im Unterschied zu Bernd Neumann bringt Brunow noch ein paar Faktenargumente jenseits der "offensichtlichen Legitimationskrise": "Ein System, das 50 Prozent seiner garantierten Einnahmen für Pensionsansprüche oder -rücklagen verbraucht, weitere 30 Prozent zur Bezahlung der Festangestellten in den Funkhäusern aufbringt und nur knapp 20 Prozent in die Produktion von Programmen steckt, kann man nicht als gesund bezeichnen. Das Gesetz der Omertà, das die Mitarbeiter im öffentlich-rechtlichen System bisher hat schweigen lassen, beginnt zu bröckeln.

So gelingt dem lesbaren Band eine interessante runde Mischung aus universalen Einsichten, dem Flanieren durch die vielstimmige Welt des Drehbuchschreibens und aus der gezielten Wortmeldung zum kulturpolitischen Stand der Dinge. Viel mehr kann man nicht verlangen.

RÜDIGER SUCHSLAND

Jochen Brunow (Hrsg.): "Scenario 5 - Film- und Drehbuch-Almanach". Bertz + Fischer Verlag, Berlin 2011. 348 S., Abb., geb., 24,- [Euro].

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