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Vor fünfundzwanzig Jahren machte Frida Beier eine aufwühlende Reise durch den Mittleren Westen der USA. Sie assistierte dem berühmten Adrian Ballon, der für ein Kunstprojekt ganze Häuser zersägen ließ. Frida vermittelte als einzige Frau zwischen einem Haufen grober Arbeiter, einem unsichtbaren Düsseldorfer Galeristen und dem schweigsamen Künstlerstar, der regelmäßig verschwand - und sich am Ende in seinem mitternachtsblauen Ferrari erschoss, am Rand der Stadt Paradise in Texas, aus der sein Vater stammte. In den Händen hielt er ein Foto von sich und Frida - wie eine Botschaft, die Frida nie…mehr

Produktbeschreibung
Vor fünfundzwanzig Jahren machte Frida Beier eine aufwühlende Reise durch den Mittleren Westen der USA. Sie assistierte dem berühmten Adrian Ballon, der für ein Kunstprojekt ganze Häuser zersägen ließ. Frida vermittelte als einzige Frau zwischen einem Haufen grober Arbeiter, einem unsichtbaren Düsseldorfer Galeristen und dem schweigsamen Künstlerstar, der regelmäßig verschwand - und sich am Ende in seinem mitternachtsblauen Ferrari erschoss, am Rand der Stadt Paradise in Texas, aus der sein Vater stammte. In den Händen hielt er ein Foto von sich und Frida - wie eine Botschaft, die Frida nie verstand.
Nun endlich wagt Frida, sein Tagebuch zu lesen. Und beginnt, Ballons Werk und Botschaft zu entschlüsseln. Warum sprach er so viel über den legendären Entführungsfall Charles F. Urschel von 1933, der ebenfalls in Paradise endete und das kriminalistische Profiling begründete? Was wollte Ballon mit seinen Aktionen mitteilen? Frida ahnt, dass sie nicht aus Zufall Ballons Assistentin wurde - sie war Teil seines letzten, radikalen Werks.
Denis Pfabe erzählt von einem exzentrischen Mann, der schwer an sich selber trägt; von Familie und Schuld; und von einer Frau, die sich lange weigert, die Dinge zu begreifen. Ein aufregender, sprachlich brillanter Debütroman von bestechender Bildlichkeit.
Autorenporträt
Pfabe, DenisDenis Pfabe, geboren 1986 in Bonn, ist gelernter Kaufmann im Einzelhandel und studierte Medienkommunikation und Journalismus in Köln. Er ist Absolvent der Bayerischen Akademie des Schreibens, war Stipendiat der Autorenwerkstatt Prosa am Literarischen Colloquium Berlin und erhielt das Arbeitsstipendium der Kunststiftung NRW. Denis Pfabe lebt in Bonn und fährt drei Tage die Woche Gabelstapler in einem Baumarkt. Sein hochgelobter Debütroman «Der Tag endet mit dem Licht» erschien 2018.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 02.11.2018

Erzählen
im Weitwinkel
Denis Pfabes Debütroman
„Der Tag endet mit dem Licht“
Auf Seite 13 ist die Hauptfigur tot. Erschossen von eigener Hand auf dem Fahrersitz eines mitternachtblauen Ferrari. Doch das ist erst der Anfang von Denis Pfabes Roman „Der Tag endet mit dem Licht“. Der Autor, Jahrgang 1986, zertrümmert die Chronologie seiner Geschichte, um sie als nicht immer passgenaues Mosaik neu zusammenzusetzen. Er spielt dabei mit der Frustration des Publikums, das in seinem Wissensstand den Figuren immer ein paar Schritte hinterherhinkt. Deswegen dauert es eine Weile, bis einen dieser Roman in seinen Bann zieht. Doch irgendwann sickert die Erkenntnis ein, dass Irritation hier zum Grundprinzip der Konstruktion gehört.
In ihr spiegelt Pfabe die Wirkung der Konzeptkunst, die seine Hauptfigur produziert. Adrian Ballon will mit seinen Projekten vor den Kopf stoßen, um die Gedanken hinter der Stirn in Bewegung zu bringen. Er schneidet Mauerstücke aus Häusern heraus – mitsamt Fenstern, Familienbildern, Wasser- und Gasleitungen – und zeigt diese Fragmente in Ausstellungen. Adrian Ballon mag fiktiv sein, aber den künstlerischen Ansatz hat es tatsächlich gegeben. In den Siebzigerjahren nahm Gordon Matta-Clark den Begriff der Dekonstruktion wörtlich und schnitt baufällige Gebäude auseinander, um die Fragmente in Ausstellungsstücke zu verwandeln. „Anarchitecture“ nannte das der New Yorker, der 1978 mit gerade mal 35 Jahren an Krebs gestorben ist. Anders als Matta-Clark aber schneidet Adrian seine Kunstwerke aus bewohnten Häusern und bezahlt horrende Summen, um die Eigentümer zur Kooperation zu bewegen.
Einen Großteil der Handlung, die in den frühen Achtzigerjahren angesiedelt ist, nimmt die Suche nach künftigen Kunstwerken ein. Adrian fährt in wechselnden geborgten Sportwagen kreuz und quer durch die USA. Im Schlepptau hat der 49-Jährige eine Gruppe Handlanger, die ihm nachreist und stets in einem nahegelegenen Diner auf seinen Anruf wartet – bis es ein neues Bruchstück aus einem Haus zu schneiden gilt. An Adrians Seite: die deutlich jüngere Textilkünstlerin Frida Beier, die er als Assistentin für den Roadtrip angeheuert hat. Sie ist es auch, die von dieser Tour de Force erzählt, im Rückblick, aus der Distanz von 25 Jahren. Frida wird einfach nicht schlau aus Adrian und dem gemeinsamen Vorhaben. „Aber wo soll die Frage nach Sinn in der Kunst schon hinführen?“, fragt sie einmal. „Er wollte etwas machen, das mit Familie zu tun hatte – so hatte er es ausgedrückt.“
Es dauert das halbe Buch, bis Adrian eine Hintergrundgeschichte bekommt, und noch länger, bis sich herauskristallisiert, worin der familiäre Bezug besteht. Mit seiner Kunst arbeitet sich Adrian an einer mentalen Hypothek ab, die ihm der Vater aufgebürdet hat. Frida dämmert bald, dass ihre ganze Irrfahrt einer Performance gleicht, die auch sie zu verschlucken droht. „Ich wurde zu einem Teil des Projekts, das Adrian Ballon mit dieser Reise begonnen hatte, und ich wusste, dass ich nicht aussteigen konnte.“ Die Kunst infiltriert das Leben und macht auch dieses zu Kunst.
Der Roman ist als großes Rätsel aufgebaut, das zunehmend geradlinig auf seine Auflösung zustrebt. Manch ein Widerspruch ist in der allzu kühnen Konstruktion auszumachen, gerade, wenn man den Roman ein zweites Mal zur Hand nimmt. Aber dass er überhaupt dazu verführt, ihn erneut von vorn zu lesen und die vielen Vorzeichen zu entziffern, spricht für seine Qualität. Der Verlag bewirbt Denis Pfabe als Quereinsteiger, der eine Ausbildung als Kaufmann im Einzelhandel vorweisen kann und „drei Tage die Woche Gabelstapler in einem Baumarkt“ in Bonn, seiner Heimatstadt, fährt. Hinzu kommen ein Studium in Köln – Medienkommunikation und Journalismus – sowie ein Besuch der Bayerischen Akademie des Schreibens.
Pfabe schreibt im Weitwinkel – selbst beim Familiendrama bleibt der Blick zum Horizont gerichtet –, setzt Orts- und Zeitwechsel wie harte Schnitte, kurze Sätze wie Momentaufnahmen. Der dreckverkrustete Ferrari parkt leise knackend im Neonlicht des Motelschriftzugs. Die Entscheidung, den Roman auf den Highways der USA anzusiedeln, in der viel befahrenen Nachbarschaft von Wim Wenders, Edward Hopper und Co., ist eigentlich künstlerischer Selbstmord. Denis Pfabe weiß das und thematisiert die Last der Vor-Bilder. Nicht ohne Grund heißt der Ort, auf den die Handlung zustrebt, Paradise, Texas – haarscharf vorbei am Titel von Wenders’ Film „Paris, Texas“. Wenn Pfabe die Inszenierung eines verrückten Künstlers zum Zentrum eines betont verschachtelten Romans macht, rückt er damit auch die Künstlichkeit des eigenen Unterfangens in den Vordergrund. Er tritt gewissermaßen die Flucht nach vorn an.
Sie gelingt, da der Autor über eine kraftvolle, bildhafte Sprache und ein Arsenal unverbrauchter Metaphern verfügt. „Die Sonne stand so tief, dass unsere Schatten über die gesamte Hofeinfahrt fielen und seine Bewegungen wie die Schnitte einer gewaltigen Schere aussehen ließen“, schreibt er und manövriert freihändig am Rande des Prätentiösen entlang. Ankommen wird er dennoch.
SIMON RAYSS
Denis Pfabe: Der Tag endet mit dem Licht. Roman. Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 2018. 192 S., 20 Euro.
Der dreckverkrustete Ferrari
parkt leise knackend im
Neonlicht des Motel-Schriftzugs
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"Eine kraftvolle, bildhafte Sprache und ein Arsenal unverbrauchter Metaphern" Simon Rayss Süddeutsche Zeitung 20181102