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Der Roman einer Höllenfahrt. Der Junge durchlebt den Terror der Nazis, die Kriegsjahre und die Bombennächte, die seine Welt in Trümmer legen. Anfangs fühlt er sich in seiner Familie noch geschützt vor dem Druck der Diktatur. Doch binnen weniger Monate verwandeln die Luftangriffe sein Leben in einen Alptraum voller Zerstörung und Tod. Vor seinen Augen zerfallen Häuser und Straßen zu Schutt, gehen Menschen in Flammen auf oder werden in Fetzen gerissen. Forte zeigt, wie ein Kind den Krieg erlebt. Doch vergißt er über dem Elend nicht Zusammenhalt und Überlebenswillen, die aus der nackten Not…mehr

Produktbeschreibung
Der Roman einer Höllenfahrt. Der Junge durchlebt den Terror der Nazis, die Kriegsjahre und die Bombennächte, die seine Welt in Trümmer legen. Anfangs fühlt er sich in seiner Familie noch geschützt vor dem Druck der Diktatur. Doch binnen weniger Monate verwandeln die Luftangriffe sein Leben in einen Alptraum voller Zerstörung und Tod. Vor seinen Augen zerfallen Häuser und Straßen zu Schutt, gehen Menschen in Flammen auf oder werden in Fetzen gerissen. Forte zeigt, wie ein Kind den Krieg erlebt. Doch vergißt er über dem Elend nicht Zusammenhalt und Überlebenswillen, die aus der nackten Not erwachsen. So ist dieses Buch, daß die Gräuel des Krieges sprachgewaltig beschwört, zugleich ein anrührender Familienroman.
Autorenporträt
Dieter Forte, 1935 in Düsseldorf geboren, gestorben 2019 in Basel. Seine hoch gerühmten Romane »Das Muster«, »Tagundnachtgleiche« (ursprünglich »Der Junge mit den blutigen Schuhen«), »In der Erinnerung« und »Auf der anderen Seite der Welt« bilden die »Tetralogie der Erinnerung«. Als Theaterautor gelang Forte mit »Martin Luther & Thomas Münzer oder Die Einführung der Buchhaltung« ein Welterfolg, dem weitere Dramen, erfolgreiche Fernsehspiele und preisgekrönte Hörspiele folgten. Zuletzt erschien »Als der Himmel noch nicht benannt war«. Über seine Arbeit gibt Auskunft der Materialienband »Es ist schon ein eigenartiges Schreiben ¿«, herausgegeben von Jürgen Hosemann.Literaturpreise:In Auswahl:2005 Niederrheinischer Literaturpreis2005 Johann-Jakob-Christoph von Grimmelshausen-Preis2004 Hans-Erich-Nossack-Preis2003 Ehrengabe der Heinrich-Heine-Gesellschaft Düsseldorf1999 Bremer Literaturpreis1992 Basler LiteraturpreisStipendien der Kulturstiftung Nordrhein-Westfalen und des Deutschen Literaturfonds Darmstadt1980 Fernsehspiel des Monats Oktober (für: Der Aufstieg)1980 Hörspiel des Monats Juli (für: Sprachspiel)
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.09.1995

Ein Schatten über Oberbilk
Unterwegs: "Der Junge mit den blutigen Schuhen" von Dieter Forte

Anfang der siebziger Jahre, eine Aufführung im Kölner Schauspielhaus: Dieter Fortes "Martin Luther & Thomas Münzer oder Die Einführung der Buchhaltung" in der Regie von Hansgünther Heyme. Zuschauer stehen auf, Türen werden zugeschlagen. Was ist die Ursache des Protests? Ein nackter Thomas Münzer am Kreuz. Nacktheit auf der Bühne war kein unbedingtes Tabu mehr, aber nun dazu noch die Blasphemie! Heyme hatte den Skandal gesucht, allerdings auf andere Weise als Forte selbst. Dem ging es darum, eine Verstrickung der Reformation in den Frühkapitalismus, eine unheilige Verquickung von Kirchen- und Wirtschaftsgeschichte zu zeigen. Materialistische Geschichtsdeutung war damals auch auf den Bühnen en vogue.

Das Stück wurde, mit vierzig Inszenierungen in zehn Ländern, ein Welterfolg. Es blieb Fortes bisher einziger. Weder mit seinen Fernsehspielen noch mit weiteren Bühnenstücken konnte er an seine sensationelle Theaterpremiere anknüpfen. In den dramatischen Szenen "Das Labyrinth der Träume oder Wie man den Kopf vom Körper trennt" (1983) versucht er der Gestalt Hitlers durch ihre Parallelisierung und Konfrontation mit dem Düsseldorfer Massenmörder Peter Kürten beizukommen. Den Stil kennzeichnet Görings Wort "Laßt abgefeimte Bösewichter um mich sein". Aber mit der grotesken Manier des Grand-Guignol-Theaters hatte schon Brecht im Hitler-Stück "Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui" seine Schwierigkeiten gehabt.

Der in Düsseldorf geborene und in Basel lebende bühnenmüde Autor wachte eines Morgens als Erzähler wieder auf. 1992 wurden die Folgen sichtbar, mit dem Roman "Das Muster". Der Titel spielt nicht etwa auf künstlerische Vorbildhaftigkeit des Romans an, sondern verweist auf die Berufstradition einer Familie italienischer Seidenweber, die 1327 Lucca verläßt und über Florenz und Lyon ins Rheinland gelangt. Ein Fontana wird Hoflieferant in der Residenzstadt Düsseldorf, später beginnt der soziale Abstieg der Familie. Eine zweite Linie verfolgt der Roman mit der Geschichte der polnischen Bergarbeiterfamilie Lukacz, die in einer Zechenkolonie in Gelsenkirchen seßhaft wird.

Die beiden Linien laufen am Ende zusammen, mit der Heirat von Friedrich Fontana und Maria Lukacz in Düsseldorf. Forte stilisiert das Zusammentreffen der Herkunftsströme zu einem Abbild rheinischer Mentalität: zur Verbindung von südlicher Lebensfreude und östlicher Sentimentalität, von Toleranz und von Frömmigkeit, Vernunft und Gebet, von Leichtsinn und Melancholie. Das Handicap der Familiensaga ist ihr Übersoll: Die Jahrhunderte müssen im historischen Geschwindschritt durcheilt werden.

Dieser Gefahr setzt sich der neue Roman nicht aus. "Der Junge mit den blutigen Schuhen" konzentriert die Fortsetzung der nun gemeinsamen Familiengeschichte auf die Zeit des "Dritten Reichs". Der Junge, aus dessen Perspektive erzählt wird, ist von drei Kindern Friedrichs und Marias das einzige überlebende; er wird geboren an jenem "Tag von Potsdam" (21. März 1933), an dem der neue Reichskanzler Hitler im Händedruck mit dem alten Reichspräsidenten von Hindenburg Anspruch auf das preußische Erbe erhebt. Kein guter Stern steht über der Stunde der Geburt.

Vorerst indessen tummelt sich im Roman das Personal des humoristischen Romans. Schauplatz ist der Düsseldorfer Stadtteil Oberbilk, vom Erzähler immer nur "Quartier" genannt. Hinter der kleinen Wohnung ragen Mauern und Fabrikschornsteine auf. Zu dieser Schattenseite gehört aber auch eine Lichtseite: der benachbarte Volksgarten, der in der Erinnerung des Jungen zur poetischen Insel wird.

Großvater Gustav Fontana, der sich gern als Privatgelehrter ausgibt, versammelt um sich eine "Akademie", deren obskure Mitglieder sich in einer seltsam verbogenen Logik üben. Vater Friedrich ist ein Hansdampf in allen Gassen, und seine Schwester Elisabeth schlittert von einer attraktiven Verlobung zur anderen, ohne in der Ehe anzukommen. Aber die Welt ahnungsloser Kindheit hier, rheinischen Ulks und rheinischer Lebenskunst dort, ist längst unterminiert. Wo die zunehmende Gewalt des Naziregimes beschrieben wird, bricht ein böser Märchenton ins humoristische Erzählen ein. Ein Hang zur Schematisierung setzt sich gelegentlich durch, wie man ihn aus Theaterstücken Fortes kennt. Aber dann gelingt ihm eine starke erzählerische Verdichtung, als ein Martinszug in die "Reichskristallnacht" hineingerät und das Licht der Papierlaternen sich in den Scherben zertrümmerter jüdischer Geschäfte spiegelt.

Das Beste, was Forte bisher geschrieben hat, findet sich in den Kapiteln über den Krieg, genauer über den Bombenkrieg. Hier schreibt sich Forte offensichtlich von einem Trauma der eigenen Kindheit frei. Mit den Bildern einer durch Luftminen zerstäubten oder durch Feuer in Asche gelegten Stadt, eines irdischen Infernos also, mit den Bildern eines Höhlenlebens in den Kellern der Ruinenstadt oder des Terrors in den letzten Tagen des Regimes, auch in den kleinen Geschichten von der List der Hilfsbereitschaft gegenüber Häftlingen und Lagerinsassen erreicht die Darstellung ihren Höhepunkt. Mit der Schließung des "Ruhrkessels" durch die alliierten Truppen endet der zweite Teil des Romans.

Forte hatte den unglücklichen Einfall, im dritten Teil plötzlich die Chronologie aufzugeben. Vielleicht glaubte er das Kriegspanorama vervollständigen zu müssen. Nachgetragen wird eine jahrelange Odyssee der Ausgebombten, des Jungen und seiner Mutter, durch die deutsche Provinz. Gewiß wird niemand dem alten Denkmuster von der Stadt als dem Pfuhl der Verkommenheit und dem Land als dem Hort einer gesunden Lebensmoral noch eine Träne nachweinen. Aber Forte dreht das alte Denkklischee einfach um. Der Junge und seine Mutter geraten aus einer Solidargemeinschaft in eine Welt der verhärteten Herzen und des blinden Führerglaubens - als ob die Nachrichten vom Soldatentod der Männer und Söhne nicht auch in den Dörfern und kleinen Städten angekommen wären. Mit seinen Überzeichnungen überzieht Forte den Kredit, den er sich vorher durch erzählerische Kunst verdient hat.

Am Heiligabend des Jahres 1945 ist die Familie wieder in Düsseldorf vereinigt. Der Roman ist auf Umwegen an ein Ziel gelangt, das schon ganz nahe war. So gleicht der Erzähler dem Künstler, der nach Bravourstücken sein Publikum mit mäßigen Zugaben festhält. WALTER HINCK

Dieter Forte: "Der Junge mit den blutigen Schuhen". Roman. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1995. 304 S., geb., 38,-DM

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