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Jutta Schumann möchte Leopold I. zu mehr Licht verhelfen
Im Titel „Die andere Sonne. Kaiserbild und Medienstrategien im Zeitalter Leopolds I.” ist eigentlich schon alles gesagt. Es geht in der Dissertation von Jutta Schumann um den Habsburger Kaiser Leopold I., zu dessen Herrscherattributen, wie damals üblich, die Sonne gehörte. Gegen den Sonnenkönig Ludwig XIV., Leopolds Gegenspieler, hat er sich als Sonne freilich nicht durchsetzen können - zu Lebzeiten nicht und schon gar nicht postum. Das lag unter anderem daran, wie Jutta Schumann meint, dass er ganz anders, viel bescheidener als Ludwig XIV. auftrat und auf eine aufwändige Selbstinszenierung verzichtete. Da er politisch sehr viel defensiver, vorsichtiger handelte, zumeist nur die Grenzen seines Reichs gegen die vorrückenden Truppen der Franzosen im Westen und gegen die der Osmanen im Osten zu verteidigen suchte, möchte Jutta Schumann ihm endlich als „andere”, womit gemeint ist: bessere Sonne gerecht werden und dem so lange vernachlässigten Leopoldus wieder zu etwas Glanz verhelfen.
Schumann konzentriert sich zum einen, eher konventionell, auf das Kaiserbild. Deshalb untersucht sie mit großem Fleiß und Akribie die Flugschriften, Zeitungen, historischen Lieder sowie Theaterstücke zu Leopold I. - manche Bildquelle ist im Anhang abgedruckt. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass die Attribute Leopolds I. zum Großteil aus der Tradition der Habsburger stammen, zu einem geringeren Teil ergaben sie sich aus zeithistorischen Umständen, wie der ständigen Gefährdung durch die Osmanen. Ohne dass der Kaiser sonderlich viel hätte dazutun müssen, erschien er sowohl in der Not als auch später im Triumph als Retter, dem Volk und Adlige spontan huldigten. Leopold I. selbst ließ sich dagegen, getreu der Habsburger Tradition, keineswegs als Sieger feiern, sondern in frommer, bescheidener Pose abbilden, um die Gnade Gottes bittend, die seinem Hause schon so häufig zuteil geworden war.
Zum anderen beschäftigt sich Schumann mit dem, was sie - der immer noch grassierenden Mode der Medien- und Kommunikationswissenschaften folgend - die „Medienstrategien im Zeitalter Leopolds I.” nennt. Dabei kommt sie natürlich nicht darum herum, die meisten Begriffe neu zu definieren, da sich etwa der der „Propaganda” im 17. Jahrhundert nicht in dem heutigen, durch die totalitären Regime des zwanzigsten Jahrhunderts geprägten Sinne verwenden lässt. Seltsam mutet manche ihrer Formulierung an, zum Beispiel wenn sie von „Informationstransporten” durch eine „große Anzahl verschiedener Medien” schreibt, wo es schlicht um die Frage geht, wie in Flugschriften und Zeitungen die politischen Ereignisse und das Handeln des Kaisers den damaligen Lesern vermittelt wurden.
Absurd droht der Begriff der Medienstrategie schließlich zu werden, wenn sich in der Dissertation herausstellt, dass die Habsburger alles andere als Medienstrategen waren. Sie verkannten beispielsweise, wie wichtig es war, die entstehende Presse zu beeinflussen und für die eigenen Zwecke zu nutzen. Stattdessen überließen sie - auch wenn sie durch finanzielle Förderung und Amtsvergaben natürlich indirekten Einfluss ausübten - die Darstellung des Herrschers anderen, etwa Städten oder Adligen, die zu Ehren des Kaisers Feste gaben, oder auch Historikern und Schriftstellern, die sich dem Hause Habsburg genehm machen wollten, oder eben den historischen Ereignissen, die im Falle der Türkensiege dem Kaiserbild Glanz verliehen und die Schmähungen - insbesondere protestantischer - Gegner vergessen ließen. Allein auch dieses Phänomen lässt sich medientheoretisch auf einen Begriff bringen: auf „multiplizierende Imagepflege” setzten die Habsburger demnach im 17. Jahrhundert.
FRANZISKA MEIER
JUTTA SCHUMANN: Die andere Sonne. Kaiserbild und Medienstrategien im Zeitalter Leopolds I. Akademie Verlag, Berlin 2003. 588 Seiten, 74,80 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
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