39,00 €
inkl. MwSt.
Versandkostenfrei*
Versandfertig in 1-2 Wochen
payback
0 °P sammeln
  • Broschiertes Buch

Der demokratische Verfassungsstaat ist, so scheint es, aus den Kämpfen des 20. Jahrhunderts siegreich hervorgegangen. Dennoch ist seine Zukunft ungewiss. Wird er den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gewachsen sein? Wenn wir seinen Erfolg wollen, müssen wir dieses einzigartige Produkt einer langen Geschichte zunächst einmal gut verstehen. In acht Anläufen versucht "Die Grammatik der Freiheit" dazu einen Beitrag zu leisten. Sie fragt insbesondere nach der vielfach diagnostizierten Krise der repräsentativen Demokratie; nach der in der Verfassungsgerichtsbarkeit spannungsreich…mehr

Produktbeschreibung
Der demokratische Verfassungsstaat ist, so scheint es, aus den Kämpfen des 20. Jahrhunderts siegreich hervorgegangen. Dennoch ist seine Zukunft ungewiss. Wird er den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gewachsen sein? Wenn wir seinen Erfolg wollen, müssen wir dieses einzigartige Produkt einer langen Geschichte zunächst einmal gut verstehen. In acht Anläufen versucht "Die Grammatik der Freiheit" dazu einen Beitrag zu leisten. Sie fragt insbesondere nach der vielfach diagnostizierten Krise der repräsentativen Demokratie; nach der in der Verfassungsgerichtsbarkeit spannungsreich auszubalancierenden Relation Demokratie - Verfassungsstaat; nach dem schwierigen, durch die Krisen der letzten Jahre ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückten Verhältnis zwischen Demokratie und Marktwirtschaft; und am Ende ganz explizit nach den Aussichten des demokratischen Verfassungsstaates im 21. Jahrhundert.
Autorenporträt
Peter Graf Kielmansegg, geboren 1937, lehrte bis zu seiner Emeritierung im Jahr 2003 Politische Wissenschaft in Köln, Washington und Mannheim und erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter den renommierten Schader-Preis und den Sigmund-Freud-Preis für wissenschaftliche Prosa.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Eindeutig definieren lässt sich die Demokratie nicht, weiß Karsten Fischer. Gerade deshalb gefällt ihm Peter Graf Kielmanseggs "Die Grammatik der Freiheit" so gut, denn der Autor wägt in seinen acht Versuchen über den demokratischen Verfassungsstaat das Für und Wider ganz unterschiedlicher Argumente ab und behält dabei einen wachen Blick für die Paradoxien, die sich daraus ergeben, erklärt der Rezensent. Zentral erscheint Fischer die These Kielmanseggs, dass die Demokratie unvereinbar mit absoluten Wahrheitsansprüchen sei - solange diese nicht funktional, wie etwa die Ewigkeitsklausel im deutschen Grundgesetz, auf den Erhalt der Demokratie selbst abzielen.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 31.01.2014

Man kann nicht wissen,
ob die Mehrheit Recht hat
Warum Demokratie vom Zweifel lebt
Für die Demokratie gilt, dass zwar jeder zu wissen meint, was sie ist, aber kaum jemand sie trennscharf zu bestimmen, geschweige denn all ihre Probleme zu benennen vermag. Bedeutet Demokratie nur, wie die minimalistische Definition vorschlägt, dass die Regierenden gewählt werden, oder ist sie eine über den politischen Bereich hinausreichende Lebensform? Ist die Demokratie ein Zweck oder ein Mittel zu einem anderen Zweck, wie individueller Freiheit und der Garantie von Menschenrechten? Bedarf die moderne Demokratie bestimmter Institutionen, wie Parlamenten, Parteien und Verfassungsgerichten? Und wie lassen sich die Gleichheit politischer Beteiligungsrechte und die Durchschaubarkeit und also Zurechenbarkeit politischer Entscheidungsprozesse als notwendige Voraussetzungen der Wahl der Regierenden sichern?
  Mitten im amerikanischen Bürgerkrieg, hat Abraham Lincoln eine Definition von Demokratie gegeben, die deren wesentliche Elemente auf den Punkt bringt. Demnach ist Demokratie die Regierung des Volkes, durch das Volk und für das Volk. Damit ist aber wiederum ein Paradox der Demokratie benannt, das Niklas Luhmann prägnant formulierte: „Demokratie heißt: daß das Volk selber herrscht. Und über wen? Über das Volk natürlich.“
  Es ist die Stärke der untereinander verbundenen, „acht Versuche über den demokratischen Verfassungsstaat“, die Peter Graf Kielmansegg nun vorgelegt hat, dass er ein genaues Gespür für solche Paradoxien hat und seine lesenswerte Untersuchung entsprechend komplex anlegen kann. Kielmansegg weiß, dass die Demokratie einen niemals abgeschlossenen, historischen Lernprozess darstellt. Folgerichtig argumentiert er geschichtskundig, auf der Basis empirischer Befunde und in klarer, präziser Sprache.
  Gleich in seinem ersten Versuch stellt Kielmansegg die Gretchenfrage, wie es der moderne, demokratische Verfassungsstaat mit der Wahrheit hält: Gründet er auf Gewissheit oder auf Zweifel? Und wie geht er mit konkurrierenden Wahrheits- und also Geltungsansprüchen um? Kielmansegg betont zurecht die Bedeutung dieser Fragen insbesondere für die Problembeziehung zwischen Politik und Religion, und seine überzeugende Haltung dazu lautet: Demokratie bedarf ebenso notwendig einer Autonomie der Politik gegenüber religiösen Wahrheitsansprüchen, wie sie eine Autonomie des Religiösen garantieren muss. Von hieraus begründet Kielmansegg die für Demokratien konstitutive Mehrheitsregel als Konsequenz ihrer skeptizistischen Wahrheitsunfähigkeit: „Da man nicht wissen kann, ob die Mehrheit Recht hat, muss die Chance der Minderheit, selbst Mehrheit zu werden, immer offen gehalten werden.“ Und er scheut sich nicht, eine Ahnengalerie demokratiegefährdender Wahrheitsfetischisten von Robespierre bis hin zu George W. Bush zu eröffnen. Ergänzen könnte man hier noch den naturrechtlichen Vorbehalt, unter den Papst Benedikt XVI. in seiner Bundestagsrede die Demokratie gestellt sehen wollte.
  Kielmansegg belässt es aber nicht bei dieser Eindeutigkeit, sondern betont, dass sowohl die amerikanische als auch die bundesrepublikanische Verfassung gerade deshalb offene, politische Gestaltungsspielräume bietende Verfassungen seien, weil sie durchaus spezifische Wahrheitsüberzeugungen besäßen. Hierzu zählt er den Anfangssatz der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung, demzufolge bestimmte normative Wahrheiten als selbstverständlich angesehen werden, und die sogenannte Ewigkeitsklausel aus Artikel 79 Absatz 3 Grundgesetz.
  Dies ist jedoch eine unnötige Einschränkung des agnostizistischen Arguments. Denn die Betonung der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung, dass die von ihr reklamierten Wahrheiten für selbstverständlich gehalten würden, zeigt, dass damit keine Anleihe bei religiösen Absolutheitsansprüchen gemacht, sondern der von Hegel als Kennzeichen der Moderne genannte Anspruch erhoben wird, das, was jeder anerkennen solle, müsse sich als ein Berechtigtes zeigen.
  Die Unverfügbarkeit zweiter Ordnung, mit der sich Verfassungen gegen vor- und außerpolitische Unverfügbarkeitsansprüche wehren und vor politischer Aushebelung schützen müssen, verweist auf die im fünften Versuch vorgenommene Problematisierung der Begrenzung von Demokratie durch Verfassungsgerichtsbarkeit. Auch wenn man Kielmansegg nicht darin folgen muss, die Verfassungsgerichtsbarkeit zur „vierten Gewalt“ zu erklären, bleibt richtig, dass Konstitutionalismus und Demokratie in einem Spannungsverhältnis stehen. Stephen Holmes hat dies als autopaternalistisches Paradox der Demokratie beschrieben; dass nämlich Bürger und Bürgerinnen ihre Macht steigern können, indem sie ihre eigenen Hände durch eine Verfassung binden, auf dass ein begrenzter Demokratieverzicht dauerhafte Demokratie befördert. Zurecht fordert Kielmansegg jedenfalls eine Selbstbeschränkung der „Verfassungsgewalt“, beruht doch die moderne Gesellschaft allenthalben auf Selbstbeschränkungen.
  Mit starken Argumenten plädiert Kielmansegg für die repräsentative Demokratie, als deren Kennzeichen er die Verantwortlichkeit der Regierung im Sinne von Amtsprinzip, Rechtsgebundenheit und Gemeinwohlverpflichtung bestimmt. Gegenüber der direkten Abstimmungsdemokratie hält er eine solche Wahldemokratie für geeigneter, den politischen Prozess zwischen Bürgern und Amtsträgern dialogisch zu gestalten und Gewaltenteilung zu garantieren. In diesem Zusammenhang plädiert Kielmansegg auch für den demokratischen Wert politischer Parteien, die eine institutionalisierte Opposition ermöglichen und die Informationskosten der Bürger im politischen Meinungsbildungsprozess verringern. Und wenn er der repräsentativen Demokratie ansinnt, der Auslese der Besten zu dienen, setzt Kielmansegg einen wichtigen Kontrapunkt zu der beliebten Selbstverteidigung von Politikern, sie seien eben nicht besser als die Bevölkerung. Thomas Dehler hätte Kielmansegg hier emphatisch zugestimmt, hatte er doch 1952 gegen die Wiedereinführung der Todesstrafe im Deutschen Bundestag betont, „das Wesen der repräsentativen Demokratie“ sei „das der parlamentarischen Aristokratie“, in der die Abgeordneten einsichtiger und besser handeln müssten als Einzelne es könnten.
  Die Zukunft sieht Kielmansegg vorsichtig optimistisch. Skeptisch ist er, ob ein Regieren jenseits des Staates demokratische Standards erfüllen oder nicht doch der Nationalstaat die „Heimat“ des demokratischen Verfassungsstaates bleiben wird. Auf jeden Fall aber attestiert er der Demokratie, mit zunehmender Lebensdauer Krisen besser zu überstehen. Und auch wenn dies kein Anlass ist, einen Siegeszug der Demokratie zu vermuten, diagnostiziert er eine Tendenz zur Destabilisierung nicht-demokratischer Herrschaftsformen.
KARSTEN FISCHER
Bürger können ihre
Macht steigern, indem sie sich
die eigenen Hände binden
Besteht das Wesen der
repräsentativen Demokratie in der
parlamentarischen Aristokratie?
    
  
Peter Graf Kielmansegg: Die Grammatik der Freiheit. Acht Versuche über den demokratischen Verfassungsstaat. Nomos Verlag, Baden-Baden 2013. 278 Seiten,
39 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
…mehr