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Produktdetails
Trackliste
CD
1Solitude00:08:11
2Hofstetten00:05:04
3The trail00:05:59
4Birds00:04:11
5Uncultivated land00:06:25
6As ware follows wave00:06:09
7Sanctuary00:06:22
8Quiet river00:06:26
9Village for sale00:05:23
10Dipper00:04:12
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.04.2015

Pastorale mit schweigendem Lamm

Wie eine Hommage beginnen auf Billie Holiday, die heute hundert Jahre alt geworden wäre? Fallen wir mit der Tür ins Haus: "Good Morning Heartache", das könnte als ein Werkmotto und, glaubt man den vielen schlimmen Geschichten, die da kursieren, auch als Motto ihres Lebens gelten. So beginnt auch José James seine Billie-Holiday-Hommage "Yesterday I Had the Blues" (Blue Note/Universal) mit diesem Stück. Der sonst eher im Funk und Hiphop beheimatete Sänger nimmt sofort für sich ein. Bedenkt man, dass es an Frauen, die wie Holiday singen wollen, nicht mangelt (am besten gelingt das wohl Madeleine Peyroux), ist seine Lesart eine willkommene Überraschung. Es klingt so kontemplativ, als schaue der Sänger die ganze Zeit über in die historische Ferne der Holiday-Originale: Deren manchmal neckische Aufgekratztheit weicht dem Elegischen. Überraschend außerdem, dass James die Stücke in das musikalische Gewand eines luftigen Jazztrios kleidet: Bei "What a Little Moonlight Can Do" hetzen Kontrabass, Piano und Schlagzeug minutenlang durch irre Bebop-Kaskaden, bevor der Gesang überhaupt einsetzt. "Lover Man" ist vollkommen "laid back" gespielt und gesungen. Und mit "Strange Fruit", Holidays furchtbarer Metapher für die gelynchten Schwarzen in den amerikanischen Südstaaten, gelingt James eine schwarzgallige Gospel-Variante, bei der seine Stimme über Summ-Chor und Händeklatschen wehmütig schimmert: ein angemessenes Ständchen für die Geehrte.

wiel

*

Jazz mit Traditions- und Klangbewusstsein, weitherziger Grammatik und einem immensen Vokabular ist die musikalische Muttersprache des Posaunisten Nils Wogram. Sein Album "Nature", eingespielt als Nostalgia Trio, also zusammen mit Dejan Terzic (Schlagzeug) und Arno Krijger (Hammondorgel), ist von schönen Plätzen in der sogenannten Natur inspiriert, wovon es in der Schweiz etliche gibt, und von einer introvertierten wie auch stets den Horizont in den Blick nehmenden Haltung geprägt (Nwog-records/edel). Also: alles andere als naiv. Aber auch nicht ironisch, sondern von nachdrücklicher Einfachheit und fast altmeisterlich schnörkelloser Schönheit, voller Klarheit, Bewegungsfreiheit und Raffinesse. Im Trio gibt es kein Versteckspiel, dafür böige thematische Unisono-Passagen zwischen der Posaune und der rechten Hand des Organisten, halb gezähmte Wildheiten in Rhythmik und Klang des Schlagwerkers und immer wieder Posaunensoli, die melodisch sind, trotzdem kein bisschen eingängig, und denen man fast nachtrauert, wenn sie vorbei sind.

HJL

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Jeder kennt die ins Ohr schneidende, einen Halbton nach oben glissandierende Mundharmonikaklage aus Sergio Leones "Spiel mir das Lied vom Tod". Oder die in punktiertem Rhythmus chromatisch aufwärts federnde Basslinie in "Pink Panther" von Blake Edwards. Aber wer hat diese Melodien komponiert? Diese CD mit dem Titel "Saxophone Cinema" hier gibt Auskunft (Dabringhaus & Grimm, MDG/New Arts International) Mit Bearbeitungen bekannter wie auch eher unbekannter Soundtracks bieten die von Milan Turkovic angeleiteten zwölf Musiker der Gruppe Selmer Saxharmonic großartiges Hörkino. Christoph Enzel hat Auszüge aus Filmmusiken von Hanns Eisler, Bernard Herrmann, Nino Rota, Henry Mancini, Ennio Morricone, John Williams, John Barry, Michael Nyman und Hans Zimmer arrangiert. Saxophonklänge in allen Lagen lassen Erinnerungen an "Psycho", "Dolce vita", "Star Wars", "Dances with Wolves" oder "Fluch der Karibik" frei. Orchestraler Breitwandsound und raffinierte Effekte zeichnen eine Transkription von Georgi Sviridovs "Schneesturm" nach Puschkin aus. Das minimalistisch bewegte Klangkontinuum von Nymans "Hôtel de la ville" kommt vielfarbig und virtuos daher. Und geradezu ein Glücksgriff ist die kompakte, dichte Anverwandlung von Eislers Musik zu "Dans les Rues" von Victor Trivas.

wmg.

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Mit hüpfenden Lämmchen habe seine "Pastoral Symphony" nichts zu tun, schrieb Ralph Vaughan Williams 1938 an die Dichterin Ursula Wood. Tatsächlich sei das meiste davon Kriegsmusik, ausgebrütet im Sommer 1916, als der Komponist in Nordfrankreich die Toten und Verwundeten unter seinen englischen Kameraden einsammelte. Er war Sanitäter im Ersten Weltkrieg. Seine dritte Symphonie ist eine Pastorale in Feldgrau, Idyll eines beschädigten Menschen in einer geschändeten Natur. Leicht zu dirigieren ist sie nicht, da die Kontraste eher weichgezeichnet als scharf umrissen sind. Aber Mark Elder, der mit dieser Weltkriegspastorale seinen Vaughan-Williams-Zyklus beim Hallé Orchestra in Manchester fortsetzt, meistert das höchst aufmerksam (Hallé/Naxos). Anders als Adrian Boult oder Roger Norrington, die das Stück straff durchdirigiert haben, gliedert Elder plastischer, durch leichte Verzögerungen und diskrete Zäsuren. Der Orchesterklang ist so gut durchhörbar, dass dem aufmerksamen Ohr all die zarten Überlagerungen der Motive nicht entgehen. Genau das braucht dieses tiefsinnige Stück über Krieg, Natur und Kunst.

jbm.

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