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Die Sehnsucht nach Orientierung in gesellschaftlichen und politischen Fragen ist groß - echte Leitsterne gibt es wenige. Einer ist der ehemalige Bundesinnenminister Gerhart Baum, der am 28.10.2012 seinen 80. Geburtstag feiert. Anlass für eine Rückschau auf sein politisches Wirken und eine Einschätzung der gegenwärtigen Lage der Bundesrepublik.
Gerhart Baum ist politisches Urgestein. Er nimmt auch heute noch zu wichtigen gesellschafts-, rechts- und sicherheitspolitischen Fragen engagiert Stellung. Neben seiner Zeit als Minister - Baum hat entscheidend dazu beigetragen, die RAF-Diskussion zu
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Produktbeschreibung
Die Sehnsucht nach Orientierung in gesellschaftlichen und politischen Fragen ist groß - echte Leitsterne gibt es wenige. Einer ist der ehemalige Bundesinnenminister Gerhart Baum, der am 28.10.2012 seinen 80. Geburtstag feiert. Anlass für eine Rückschau auf sein politisches Wirken und eine Einschätzung der gegenwärtigen Lage der Bundesrepublik.

Gerhart Baum ist politisches Urgestein. Er nimmt auch heute noch zu wichtigen gesellschafts-, rechts- und sicherheitspolitischen Fragen engagiert Stellung. Neben seiner Zeit als Minister - Baum hat entscheidend dazu beigetragen, die RAF-Diskussion zu versachlichen - gehören seine vier erfolgreichen Verfassungsbeschwerden (u.a. gegen den "Großen Lauschangriff" und gegen das Luftsicherheitsgesetz) zur respektablen Bilanz eines leidenschaftlichen und zugleich besonnenen Bürgerpolitikers.
Autorenporträt
Baum, Gerhart
Gerhart Baum, geb. 1932, gehört zu den profilierten Linksliberalen in der FDP. Von 1966 bis 1998 verschiedene Funktionen im FDP-Bundesvorstand. Von 1978 bis 1982 Bundesminister des Innern, seit 1994 wieder als Rechtsanwalt tätig. Baum ist verheiratet und lebt in Köln und Berlin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.03.2013

Mit erhobenem Zeigefinger
Der FDP-Veteran Gerhart Baum zieht seine Lebensbilanz

Nur wenige Politiker überleben im kollektiven Gedächtnis. Manche versuchen, mit Erinnerungen nachzuhelfen und ihr Bild für die Nachwelt selbst zu prägen. Gerhart Baum, einst Bundesinnenminister in der letzten Phase der Kanzlerschaft von Helmut Schmidt, gehört dazu. Aus Anlass seines 80. Geburtstages zieht er im Gespräch mit dem Journalisten Matthias Franck eine Bilanz seines politischen Lebens. Das Buch ist eine Mischung aus Kampfschrift und "Denkmalpflege". Baum, der sich als leidenschaftlicher Sozialliberaler versteht, kämpft um den "richtigen" Weg der FDP, das heißt gegen den Kurs, der viele Jahre mit dem Namen Guido Westerwelle verbunden war - und damit für eine Neuorientierung unter Christian Lindner. Dabei ziert er sich nicht, eben zu jenen stilistischen Mitteln zu greifen, die er an der Westerwelle-FDP verabscheut. Man erinnere sich an die im Fernsehen übertragene Beteiligung an der Zertrümmerung des Guidomobils mit dem Vorschlaghammer unter dem Ruf "Bürgerrechte".

Was ist nun sozialer Liberalismus? Baum verbleibt im Abstrakten. Den Kern des Liberalismus bilden die Grundrechte. Aber ein positives politisches Programm wird kaum sichtbar. "Eine wirkliche Existenzberechtigung hat die FDP nur dann, wenn sie konsequent liberal auf allen Feldern der Politik auftritt. Es geht um ein rundum liberales Lebensgefühl, das bei jeder politischen Entscheidung sichtbar werden muss." Sozialdemokraten und Grüne befassten sich immer wieder mit Entscheidungen, "die sich mit Bevormundung und Umverteilung mehr beschäftigen als mit freier Entfaltung der Persönlichkeit". Auch die Union habe liberale Defizite; so seien die Folgen der "überhasteten Energiewende" nicht marktwirtschaftlich durchdacht. Im Gegensatz zur "Einthemenpartei" fordert Baum einen "ganzheitlichen Liberalismus": eine Wirtschaftspolitik, die auch auf gesellschaftlicher Verantwortung gegründet sei; eine Bildungspolitik der Chancengleichheit, eine Bürgerrechtspolitik, "die allen Versuchungen zur Unfreiheit widersteht", eine Vertiefung der Demokratie und den Schutz der Umwelt.

Konkret wird Baum nur als Gegenspieler, wenn er zum Schutz der Grundrechte gegen Andere agiert. So war Baum, der Deutschland in der Furcht vor dem Terrorismus in den freiheitsgefährdenden Präventionsstaat abdriften sieht, an zahlreichen Verfassungsbeschwerden beteiligt. Er versteht sich als Anwalt der Geschädigten, als edler Ritter im Kampf um die Menschenrechte - "eine Lebensaufgabe", so in den neunziger Jahren als Leiter der deutschen Delegation in der UN-Menschenrechtskommission in Genf oder von 2001 bis 2003 als UN-Sonderberichterstatter für die Menschenrechte in Sudan.

Die gerade Linie, die Baum selbst durch sein politisches Leben zieht, vom Kampf gegen "die Schatten der eher autoritären Adenauer-Zeit" über das Ringen um den sozialen Liberalismus der Freiburger Thesen bis zur Sicherung der Freiheitsrechte gegenüber einem zu starken Drang nach innerer Sicherheit weckt die Neugierde nach möglichen Brüchen in seiner Regierungszeit, 1972 bis 1978 als Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesinnenministerium und als Bundesinnenminister 1978 bis 1982. Die Jahre der politischen Verantwortung sind denn auch weichgezeichnet. Hervorgehoben werden natürlich Aktionen, die zu Baums Lebens-Leitplanke passen wie die Abschaffung der vom Radikalenerlass geforderten Regelanfrage oder das umstrittene Gespräch mit dem Ex-Terroristen Horst Mahler.

Recht schweigsam bleibt Baum bei den zentralen Themen der letzten Jahre der Kanzlerschaft Schmidt - dem Nachrüstungsbeschluss oder den wirtschafts- und sozialpolitischen Konflikten zwischen den Liberalen und Sozialdemokraten, die im Herbst 1982 zum Bruch der sozialliberalen Koalition führten. Der Interviewband regt zum Nachdenken an. Er interessiert vor allem aus der aktuellen politischen Perspektive der FDP. Das von Baum gezeichnete Selbstbildnis zeugt von einer facettenreichen und widerspenstigen Persönlichkeit, die heute in der Politik selten ist. Dieses Bild birgt aber auch einige verbissene und geradezu illiberale Züge. Immer wieder kommt der erhobene Zeigefinger zum Vorschein.

WOLFGANG JÄGER.

Gerhart Baum: Meine Wut ist jung. Bilanz eines politischen Lebens im Gespräch mit Matthias Franck. Kösel-Verlag, München 2012. 159 S., 17,99 [Euro].

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