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Ulrich Barth gibt in seiner Berliner Vorlesung einen Überblick über die Hauptthemen der Dogmatik. Das Ganze ist nicht als ein Gefüge von Lehrbestimmungen oder Bekenntnisartikeln angelegt, sondern als Symbolhermeneutik des Christentums. So entstehen die Konturen einer liberalen evangelischen Dogmatik, die sich dem aufgeklärt-kritischen Religionsdiskurs ebenso verpflichtet weiß wie der Einsicht in die existentielle und kulturelle Bedeutung des christlichen Glaubens in der Moderne. Die einzelnen Kapitel werden jeweils nach biblischem Leitsymbol, menschlicher Lebenssituation, dominierender…mehr

Produktbeschreibung
Ulrich Barth gibt in seiner Berliner Vorlesung einen Überblick über die Hauptthemen der Dogmatik. Das Ganze ist nicht als ein Gefüge von Lehrbestimmungen oder Bekenntnisartikeln angelegt, sondern als Symbolhermeneutik des Christentums. So entstehen die Konturen einer liberalen evangelischen Dogmatik, die sich dem aufgeklärt-kritischen Religionsdiskurs ebenso verpflichtet weiß wie der Einsicht in die existentielle und kulturelle Bedeutung des christlichen Glaubens in der Moderne. Die einzelnen Kapitel werden jeweils nach biblischem Leitsymbol, menschlicher Lebenssituation, dominierender Gottesvorstellung und religiösem Grundgefühl durchgeführt. Zweck der Darstellung ist es, die innere Verbindung von Religion und Leben herauszuarbeiten. Vorangestellt (Prolegomena) ist ein kritischer Durchgang durch die Geschichte des Terminus 'Dogma' und ein konstruktiver Entwurf eines an den Kulturwissenschaften orientierten Begriffs von Dogmatik.
Autorenporträt
Geboren 1945; seit 1978 Kirchenmusiker in St. Albani Göttingen; 1982 Promotion in Göttingen; 1990 Habilitation in Göttingen; akademische Lehrtätigkeit in München, Mainz, Göttingen und Hamburg; 1993-2010 Professor für Systematische Theologie (Schwerpunkt Dogmatik und Religionsphilosophie) an der Theologischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg; 2010-15 Seniorprofessor an der Theologischen Fakultät der Humboldt Universität Berlin; 2016/2017 Vertretungsprofessur in Leipzig.

Geboren 1968; 2003 Promotion in Halle; wiss. Mitarbeiter am Interdisziplinären Institut für Pietismusforschung in Halle; wiss. Mitarbeiter bei der Troeltsch-Forschungsstelle in München; Studienleiter am Centro Melantone in Rom; seit 2013 Hochschulpfarrer in München.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Für den Rezensenten Reinhard Bingener hat die Dogmatik des Theologen Ulrich Barth das Zeug, die Debatte um das Christentum neu zu befruchten. Barths Problembewusstsein und seine Kenntnisse der Philosophiegeschichte und der protestantischen Theologie sind laut Bingener das Fundament, auf dem der Autor zunächst auf klassische Weise die Heilsgeschichte von der Schöpfung bis zu letzten Fragen betreffend die Eiwgkeit entwickelt. Allerdings biegt der liberal denkende Autor alsbald von den herkömmlichen Wegen des Offenbarungswissens ab und schaut auf den "Vollzug" des Gottesgedankens, indem er etwa die Hohlheit manches Dogmas nachweist, so erklärt Bingener. Ein Plädoyer für das "religiös Normale", das voll auf Barths liberalprotestantischer Linie liegt, findet der Rezensent.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.02.2022

Hinter dem Schlagbaum des Verstands
Ulrich Barth gibt mit seiner Dogmatik ein scharfsinniges Plädoyer für das religiös Normale

Um die Dogmatik steht es, aufs Ganze betrachtet, nicht sehr gut. Bis in die Sechzigerjahre galt sie neben der historisch-kritischen Exegese weltweit als das Glanzstück deutschsprachiger Theologie. Heute wirkt das Fach ermattet, wobei unklar bleibt, ob dies an der generellen Plausibilitätskrise des Christentums liegt oder eher an der Drittmittelindustrie an den hiesigen Universitäten. Vermutlich an beidem.

In dieser Lage ist es ein Glücksfall, dass mit Ulrich Barth einer der scharfsinnigsten Theologen der Gegenwart seine Dogmatik vorlegt. In Fachkreisen hatten viele nicht mehr erwartet, dass dieses Werk erscheint - Barth hat es nun aus Dankbarkeit zwei Kollegen aus der medizinischen Fakultät gewidmet. Im Kern handelt es sich bei dem Werk um jene Dogmatikvorlesung, die Barth nach seiner Emeritierung in Halle an der Berliner Humboldt-Universität gehalten hat. Die Abschrift seiner Vorlesung hat er dann mit seinem Schüler Friedemann Steck bearbeitet und ergänzt. Am Ende steht ein fünfhundert Seiten starkes Werk, in das seine über die Jahrzehnte geleisteten religionsphilosophischen Vorarbeiten eingeflossen sind - "das Fazit eines Lebens", wie Barth schreibt.

Auf den ersten Blick weist das Buch einen klassischen Aufbau nach heilsgeschichtlichem Schema auf: Die Dogmatik beginnt mit der Schöpfung und endet mit den letzten Fragen der Ewigkeit. Diese Gliederung täuscht indes über den Graben hinweg, der zwischen herkömmlichen Entwürfen und dem liberalen Denken Ulrich Barths liegt, dem es nicht um supranaturale Wahrheiten oder Offenbarungswissen geht. Dieser Weg, für den im zwanzigsten Jahrhundert vor allem sein Namensvetter Karl Barth stand, ist für Ulrich Barth schon mit Kant passé. Die Frage nach der "Vernunft der Religion" entscheide sich seither nicht mehr an der Rationalität des Gottesgedankens, sondern an ihrem Vollzug, den es in der aufgeklärten Gesellschaft und gegenüber anderen Wissenschaften zu plausibilisieren gelte.

Barths Darstellung der christlichen Religion ruht auf zwei Säulen. Zum einen geht er davon aus, dass der Gottesgedanke unter neuzeitlichen Bedingungen von seiner kosmologischen Funktion entlastet wird, dafür aber in einen noch engeren Zusammenhang mit der menschlichen Selbstreflexion rückt. Diese Reflexion spielt sich selbstverständlich nicht auf einer tabula rasa des Bewusstseins ab, sondern ist eng mit einer institutionell abgestützten Überlieferung verknüpft.

Die Verbindung der Religion mit "Kultur", "Deuten" und "Sinn" bildet die zweite methodische Säule der Darstellung. Hier kommen auch die titelgebenden "Symbole des Christentums" ins Spiel. Gemeint sind damit Kernvorstellungen wie "Schöpfung". Symbole bilden für Barth die Sprache, die am besten zur Religion passt. Denn sie stiften, anders als abstrakte Begriffe, emotionale Wärme und bieten Orientierung. Religiöse Symbole verweisen zwar in den Bereich jenseits des "Schlagbaums des Verstandes", der mit Kant heruntergekracht ist. Sie verstricken sich dabei - das ist der eigentliche Punkt - anders als die klassische Metaphysik aber nicht in unlösbare Aporien.

Im Optimalfall werden religiöse Symbole unter aufgeklärten Bedingungen im "Wissen um die Uneigentlichkeit ihres Bezeichnens" verwendet, so Barth. Der Glaube an die "Schöpfung" sei deshalb etwas ganz anderes als der Versuch von Kreationisten, der Astrophysik und der Evolutionstheorie eine religiöse Erklärung entgegenzusetzen. In früheren Kulturen seien Religion und Kosmologie noch Hand in Hand gegangen, doch mit den modernen Naturwissenschaften sei dies obsolet.

Das fromme Gefühl der Ehrfurcht

Barth plädiert dafür, Schöpfung strikt subjektbezogen zu verstehen. Schöpfung sei "das religiöse Symbol für den transzendenten Sinnhorizont allen Geschehens". Zentrale Bedeutung kommt dabei laut Barth der "Gottesebenbildlichkeit" zu. Barth weist nach, wie diese normative Verortung des Menschen im Kosmos vermittelt durch die Aufklärungstheologie in neuzeitliche Menschenwürde-Konzeptionen einfloss.

Doch Gott ist für einen Christen nicht nur Schöpfer des eigenen Lebens, er ist zugleich auch der "Herr über Leben und Tod", der ihm dieses Leben dereinst wieder nehmen wird. Barth wehrt sich gegen Versuche von Kirchenleuten, diesen abgrundtiefen Widerstreit abzuschwächen. Zum einen, weil sich die christliche Gottesvorstellung prinzipiell nicht mit dem Verlangen nach rationaler Konsistenz zur Deckung bringen lässt. Zum anderen, weil die Verborgenheit und Unausforschlichkeit Gottes auch eine religiöse Funktion hat: Sie verhindert, dass der Mensch "religiös frech" wird, und verleiht dem monotheistischen Gottesbild seinen eigentlichen Ernst.

Das dazugehörige fromme Gefühl ist die "Ehrfurcht". In einem längeren Exkurs, der zu den stärksten Abschnitten des Buchs zählt, weist Barth die Konjunktur dieser Empfindung seit dem siebzehnten Jahrhundert nach und zeigt ihre Bezüge zur Kunst- und Naturreligion der Moderne auf. Die Ehrfurcht sei ebenso wie das Mitleid keine einfache, sondern eine vermischte Empfindung aus Elementen der Lust wie der Unlust. Religiös sei die Ehrfurcht als komplementäre Doppelbewegung von Ursprungsreflexion und Endlichkeitsreflexion zu werten, in der sich letztlich Dankbarkeit fürs Leben und Furcht vorm Tod vereinen.

Ein wenig seelische Erhebung

In den folgenden Kapiteln zur Sündenlehre und Christologie regiert dann die Abrissbirne. Barth erkennt zwar an, dass die Herausbildung des traditionellen Dogmas historisch naheliegend war. Er würdigt auch, dass Augustins Sündenobsession immerhin dazu geführt hat, dass erstmals in der Geistesgeschichte die grundlegende Bedeutung des Willens erkannt wurde. Doch von der Sündenlehre als solcher bleibt bei Barth nicht mehr als ein geschärftes "Sensorium für eigene Egoismen". Überhaupt fordert Barth die Theologie auf, höher vom Menschen zu denken, denn die logische Grundlage von Sünde sei eine Befähigung zum moralischen Handeln. Kant habe zu Recht darauf hingewiesen, dass wahre Demut und Selbstachtung einander bedingen.

Auch mit Blick auf die Christologie betrachtet Barth grundlegende Revisionen als unumgänglich. Dogmen wie die Zwei-Naturen-Lehre zielen seiner Ansicht nach religiös ins Leere, denn mit abstrakten Begriffen erreiche man nie eine für die Frömmigkeit erforderliche Anschaulichkeit. Die Aufgabe der Dogmatik erkennt Barth daher darin, das ungleich kräftigere Christusbild der Evangelien methodisch zu reflektieren, wobei die Referenzgrößen dann nicht mehr in der Philosophie, sondern in Geschichts- und Literaturwissenschaft gefunden werden.

Das Christusbild rekonstruiert Barth nach dem Muster liberaler Theologen des neunzehnten Jahrhunderts. Pate steht vor allem Adolf von Harnack: Ins Zentrum gerückt ist Jesu Lehre von der Gotteskindschaft des Menschen. In der Folge erscheint Jesus weniger als Erlöser, sondern eher als Vorbild in puncto Gottesbewusstsein. Diese dogmatische Abrüstung bedeutet für Barth gar keinen Mangel. Denn anders, als sich das viele Amtsträger einbildeten, gingen die Leute sonntags nicht in die Kirche, um sich eine durch Sündenlehre und Kreuzestod gefädelte Rechtfertigungslehre anzuhören, sondern "um ein wenig seelische Erhebung" zu erfahren. Seine Dogmatik versteht Barth deshalb auch als ein "Plädoyer für das religiös Normale".

In der Kirchenlehre setzt Barth diesen liberalprotestantischen Kurs nahtlos fort, indem er vehement die Unsichtbarkeit der wahren Kirche und die "strikt funktionale" Bestimmung des kirchlichen Amts durch Luther verteidigt, was sich sowohl gegen die römisch-katholische Kirchenlehre wie auch lutherische Klerikalismen richtet.

Im letzten Kapitel geht es dann um das "Rätsel aller Rätsel": den Tod. Für Barth steht außer Frage, dass hier die Barriere des Wissens und selbst des Vorstellens überstiegen wird. Nicht einmal Symbole helfen weiter, die ja zumindest eine Ahnung davon erfordern, wofür sie stehen. Dem pantheistischen Weg Schleiermachers, das Ich nach dem Tod anonym im Universum aufgehen zu lassen, möchte Barth, der in seinem Werk stets auf strikte Transzendenz Gottes setzt, nicht folgen. Stattdessen orientiert er sich am Begriff der "Aufhebung" im hegelschen Sinne: Der Tod sei Ende, Erhaltung und Erhöhung in einem. Ende, weil Zeitlichkeit und Leiblichkeit unwiderruflich zum Abschluss kämen. Erhaltung, da die Zueignung der Gnade Gottes an den Einzelnen mit dem Tod nicht ende - und damit auch dessen Individualität nicht, die nach dem Tod gereinigt und geläutert werde. Mit dieser "Extrapolation" der Gotteskindschaft vom Diesseits ins Jenseits soll auch das Problem der fehlenden Vorstellbarkeit umgangen werden.

Eindrucksvoll an Barths Dogmatik ist neben dem Problembewusstsein die Beherrschung der Philosophiegeschichte und der protestantischen Theologie. Sein Entwurf hat das Potential, die Debatte neu zu befruchten. Selbst wenn die Darstellung stellenweise geschlossener sein und manche exegetische Diskussion schon aus Gründen der Lesbarkeit hätte entfallen können. In weiteren Auflagen, die dem Buch zu wünschen sind, ließen sich auch allerlei kleinere Fehler, vor allem bei der Behandlung der Alten Kirche, beseitigen. REINHARD BINGENER

Ulrich Barth: "Symbole des Christentums". Berliner Dogmatikvorlesung.

Herausgegeben von Friedemann Steck. Mohr Siebeck Verlag, Tübingen 2021. 579 S., br., 49,- Euro.

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