Antonio Garrido hat sich einem sehr interessanten Thema gewidmet, dem des ersten Gerichtsmediziners der Geschichte. Für den Leser spielt dieses in zeitlicher und auch räumlicher Ferne, dem China um das Jahr 1200.
Ci, ein Bauernsohn, hat den Traum, in der Hauptstadt Rechtswesen zu studieren und
vielleicht eine Beamtenlaufbahn einzuschlagen. Sein großes Vorbild ist der ehrenwerte Richter Feng, in…mehrAntonio Garrido hat sich einem sehr interessanten Thema gewidmet, dem des ersten Gerichtsmediziners der Geschichte. Für den Leser spielt dieses in zeitlicher und auch räumlicher Ferne, dem China um das Jahr 1200.
Ci, ein Bauernsohn, hat den Traum, in der Hauptstadt Rechtswesen zu studieren und vielleicht eine Beamtenlaufbahn einzuschlagen. Sein großes Vorbild ist der ehrenwerte Richter Feng, in dessen Diensten sein Vater und er schon einmal standen. Der Tod des Großvaters hatte diesen, wegen religiöser Zwänge, jäh unterbrochen.
Der Leser erlebt sechs Abschnitte, die jeweils ihren eigenen Spannungsbogen haben, aber dennoch auf den "Showdown" am Ende des Buches hinarbeiten. Dieser Aufbau ist hervorragend. Die Spannung steigt von Seite zu Seite.
Schon im Prolog erlebt der Leser einen Mord mit. Der Einstieg ist wunderbar gelungen. Die ersten Kenntnisse des "Totenlesers" Ci werden im folgenden Gerichtsverfahren deutlich.
Die Geschichte wogt auf und ab. Oft ist Ci am Abgrund. Aber er rafft sich immer wieder auf und bekommt wahre und falsche Freunde zur Seite. Bis er an den Kaiserhof gelangt vergeht leider zu viel Lesezeit. Doch dann entwickeln sich die Intrigen und Morde meisterhaft. Ci und auch der Leser wissen nicht mehr, wem zu trauen ist. Die Schar der Feinde ist groß und sehr beschlagen.
Das Ende und die Lösungen sind überraschend und vielschichtig. Schön ist auch der Epilog, der das Ende der Geschichte wieder teilweise "öffnet".
Wunderbar wurden die Personen, die Leichen sowie die forensischen und medizinischen Handlungen beschrieben. Der Leser ist hautnah bei den Obduktionen dabei. Die verschiedenen Verhaltensweisen in dieser, für den Leser unbekannten Welt, sind verständlich dargestellt. Manchmal hatte ich aber Angst, die wichtigen Informationen in den Nebensätzen zu überlesen. Der Anhang erläutert zudem wichtige Begriffe und Bereiche der chinesischen Gesellschaft. Er ist eine schöne Bereicherung.
Ein wenig enttäuscht bin ich von der mangelhaften Beschreibung der Landschaften und der Gebäude. Das typisch Chinesische erscheint mir zu sehr vorausgesetzt. Schade.
Auch der Klappentext ist für meine Begriffe ungünstig gewählt und greift zu sehr vor. Dadurch erwartet der Leser einen Roman der hauptsächlich am Kaiserhof spielt, was ja nicht der Fall ist. Einige Leser dürften, wegen dieser langen "Wartezeit", geneigt sein, das Buch zur Seite zu legen.
Schwer ist auch die Entscheidung, als was ich dieses Werk bewerten soll, als historischen oder als Kriminalroman. Ich habe mich für beides gleichzeitig entschieden. So muss ich sagen, dass "Der Totenleser" ein grandioser Kriminalroman mit Thrillertendenzen ist. Dafür gebühren ihm 5 Sterne. Als historischer Roman verdient er nur sehr gute 4 Sterne, da die Zeit und der Raum nicht deutlich genug herausgestellt wurden.
Dennoch hat mich auch der zweite Garrido wieder überzeugt. Ich freue mich auf sein nächstes Werk.
Fazit:
4,5 Sterne - sehr gutes Buch - sehr empfehlenswert für Leser historischer Kriminalfälle