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»'Die Hölle' ist ein stark erschütterndes Buch. Ist Zeugnis, Lebens-, Überlebensbericht. Ist ein die Grenzen der Nation sprengendes Dokument der Zeitgeschichte.« Deutschlandfunk, Rosemarie Bollinger
Als junge Frau gehörte Luz Arce zur paramilitärischen Leibwache Allendes. Nach dem Putsch am 11. September 1973 ging sie in den Untergrund. Einige Monate später wurde sie von der Geheimpolizei DINA verhaftet. Durch die Hölle der Folter gebrochen und um das Leben ihres Bruders zu retten, erklärte sie sich bereit, Freunde zu verraten und ihren Folterern neue Opfer auszuliefern. Fünf Jahre lang…mehr

Produktbeschreibung
»'Die Hölle' ist ein stark erschütterndes Buch. Ist Zeugnis, Lebens-, Überlebensbericht. Ist ein die Grenzen der Nation sprengendes Dokument der Zeitgeschichte.«
Deutschlandfunk, Rosemarie Bollinger

Als junge Frau gehörte Luz Arce zur paramilitärischen Leibwache Allendes. Nach dem Putsch am 11. September 1973 ging sie in den Untergrund. Einige Monate später wurde sie von der Geheimpolizei DINA verhaftet. Durch die Hölle der Folter gebrochen und um das Leben ihres Bruders zu retten, erklärte sie sich bereit, Freunde zu verraten und ihren Folterern neue Opfer auszuliefern. Fünf Jahre lang arbeitete sie als Beamtin für die Geheimdienste DINA und CNI.

1980 konnte sie ihre Entlassung erreichen, und es begann eine zweite Hölle: Sie fand nicht ins normale Leben zurück, zerbrach beinahe an den seelischen und körperlichen Folgen der Haft. Am Ende beschloss sie, mit ihrem Wissen an die Öffentlichkeit zu treten und der Wahrheit zuliebe alle Anfeindungen zu ertragen.

Luz Arces Schilderungen von Verhören, Misshandlungen und Folterungen in den geheimen Zentren der Diktatur gehören zu den eindringlichsten und erschütterndsten Zeugnissen dieser Art.
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Autorenporträt
Luz Arce wurde 1948 in Santiago, Chile, geboren. Sie studierte Sport an der Universidad de Chile und war anschließend als Sportlehrerin tätig.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.04.1995

Chilenische Erinnerungen
Eine Mitarbeiterin der politischen Polizei Pinochets berichtet

Luz Arce: Die Hölle. Eine Frau im chilenischen Geheimdienst. Eine Autobiographie. Aus dem Spanischen übersetzt von Astrid Schmitt-Böhringer. Hamburger Edition, Hamburg 1994. 408 Seiten, 48,- Mark.

Vor nun schon vier Jahren erzählte Luz Arce einer chilenischen Zeitschrift von ihrer Tätigkeit als Mitarbeiterin der politischen Polizei des Diktators Pinochet. Sie war als Angehörige der Sozialistischen Partei des durch Pinochets Putsch gestürzten Präsidenten Allende verhaftet, dann über lange Zeit hindurch brutal gefoltert und schließlich umgedreht worden. Die Enthüllungen der von einer Gefolterten zur Mitarbeiterin von Folterern gewordenen Luz Arce erregten großes Aufsehen in Chile, selbst in den Jahren, als fast jede Woche Mordtaten der Diktatur aufgedeckt und Massengräber von Opfern gefunden wurden. (Vergleiche F.A.Z. vom 21. März 1991.) Luz Arce nannte die Namen von Generälen und Offizieren, die im demokratischen Chile noch hochrangige Posten innehatten, und beschrieb in allen Einzelheiten deren Schandtaten. Im November 1993 erschienen Luz Arces Erinnerungen unter dem Titel: "El Infierno" (Die Hölle) in Chile als Buch und liegen jetzt auch, mit einem Nachwort des Augsburger Hispanisten Scheerer versehen, in deutscher Sprache vor.

Die damals sechsundzwanzigjährige Luz Arce wurde im März 1974 bei einem Treffen mit im Untergrund tätigen Parteifreunden festgenommen. Die Dirección Nacional de Investigaciones (Dina), Pinochets vorwiegend aus Militärs gebildete politische Polizei, vermutete zunächst, daß sie der Bewegung der Revolutionären Linken (MIR) angehörte, einer linksradikalen Partei, die als einzige in den ersten Jahren der Diktatur aktiven, auch bewaffneten Widerstand leistete. Luz Arce kannte einige MIR-Mitglieder. Um von ihr Daten über MIR-Aktivisten zu erfahren, die sie aber gar nicht kannte, wurde sie sehr lange und grausam gefoltert, ähnlich wie die gefangenen Mitglieder der linksgerichteten Parteien, die sich bemüht hatten, im Untergrund Verbindungen innerhalb ihrer Organisationen aufrechtzuerhalten oder gar neue Strukturen aufzubauen. Luz Arce beschreibt die Schläge und Demütigungen, die häufigen Vergewaltigungen durch Mitglieder der Dina, angeordnet von den auf ihr gutbürgerliches Familienleben stolzen Offizieren des chilenischen Heeres, für die sie, ein Jahr zuvor der Sozialistischen Partei des demokratisch gewählten Präsidenten Allende beigetreten, nur eine "rote Hure" war. Sie beschreibt auch die Wirkung der Elektroschocks auf dem sogenannten Grill und die langen Monate, die sie, durch einen Schuß verletzt, bei schlechtester medizinischer Versorgung und fast ohne jede Hygiene mit verbundenen Augen auf den von ihr für sicher gehaltenen Tod wartete.

Die ehemalige Mitarbeiterin von Präsident Allendes Privatschutztruppe wird durch die Drohung, ihren Bruder zu töten, ihr Kind ins Unheil zu stürzen, und wohl auch mit der Angst vor neuen Folterungen gefügig gemacht, und nach einigen Jahren wird Luz Arce zur Beamtin der politischen Polizei, zur Mitarbeiterin ihrer früheren Peiniger, vor denen sie allerdings immer noch Angst hat und aus guten Gründen glauben muß, daß, wenn sie einmal nicht mehr von Nutzen für die Dina sein werde, man sie als gefährliche Mitwisserin umbringen lasse. Dank einiger nach außen hin zumindest weniger brutaler Offiziere, die ihr Sympathien entgegenbringen und mit denen sie erotische Bindungen unterhält, erreicht sie schließlich 1985 ihre Entlassung als Polizeibeamtin und geht für einige Zeit ins Ausland. Nützlich war Luz Arce den Folterern Pinochets durchaus: Sie gibt zu, ehemalige Genossen ausgeliefert zu haben, behauptet allerdings, manche auch durch Hinweise und falsche Informationen an ihre Polizeivorgesetzten gerettet zu haben. Später hat sie dann vor der nach dem Juristen Raúl Rettig benannten "Nationalen Kommission für Wahrheit und Versöhnung" und vor Richtern ausgesagt. Bei diesen Untersuchungen und mit der Herausgabe des Berichtes der Rettig-Kommission wurden den Chilenen viele bis dahin verschwiegene oder abgestrittene Einzelheiten der Verbrechen unter der Diktatur bekannt wie auch die genauen Verantwortlichkeiten von Pinochet, jetzt im demokratischen Chile noch Oberkommandierender des Heeres, und anderer hochrangiger Generäle für Folter, Mord und das Verschwinden von Menschen. Strafrechtliche Folgen haben die jetzigen Ermittlungen für die Angeklagten allerdings nicht. Pinochet hatte vor seiner Abwahl eine Selbstamnestie für sich und seine Komplizen erlassen. Nur die im Ausland begangenen Verbrechen gegen die Menschenrechte dürfen in Chile gerichtlich verfolgt werden; so konnte Dina-Chef Contreras wegen der Ermordung - in Washington - des früheren Außenministers Letelier zu einer Gefängnisstrafe verurteilt werden.

Das Buch "Die Hölle, eine Frau im chilenischen Geheimdienst" bestätigt viele schlimme Nachrichten, die damals von den in Chile arbeitenden ausländischen Journalisten und manchen Diplomaten zugetragen oder von ihnen recherchiert wurden. Gelesen werden sollten die Erinnerungen von Luz Arce - ebenso wie die einer anderen umgedrehten Gefangenen, der "Dünnen Alejandra" (Flaca Alejandra) - von vor allem deutschen Journalisten und auch ausländischen Diplomaten, die mit erstaunlichem Eifer und Fleiß nach dem Putsch und auch noch in den Jahren der Pinochet-Diktatur alles mögliche taten, um die Grausamkeiten des damaligen chilenischen Regimes zu verdecken oder abzustreiten. Der Bericht von Luz Arce ist ein weiterer Beweis dafür, daß nach den ersten Monaten des allgemeinen Abschreckungsterrors Chiles Polizei noch über Jahre hin ausgewählte Opfer gefoltert und ermordet hat. Das war in der gleichen Zeit, als in zahlreichen europäischen Publikationen, etwa in Sonderheften der Hans-Seidel-Stiftung, selbst die klarsten Verbrechen der Dina, wie der Mord an Letelier, abgestritten wurden. Ein beachtlicher Teil der demokratischen Rechten Europas wollte nicht akzeptieren, daß das Pinochet-Regime böse sein könne, einfach deshalb schon nicht, weil es auch von der Sowjetunion angeklagt wurde.

Die Sowjetunion hatte auch recht opportunistische Gründe, um den Pinochet-Terror so häufig und vor so vielen internationalen Gremien anzuklagen. Chile war eines der wenigen lateinamerikanischen Länder, in denen eine an Moskau orientierte kommunistische Partei vergleichsweise zahlreiche Wähler fand. Als einige Jahre später in Argentinien eine Militärregierung noch mehr und noch brutalere Verbrechen beging, protestierten die Sowjets kaum: denn in Argentinien gab es keine nennenswerte kommunistische Partei, und mit der Militärjunta in Buenos Aires machte Moskau damals gute Geschäfte. Deutsche Leser erfahren von Luz Arce einiges über die von Deutschen gegründete und geleitete Colonia Dignidad, wo politische Gefangene von der Dina gefoltert und wahrscheinlich auch getötet wurden. Die obersten Folteroffiziere haben gegenüber der Autorin mehrmals erwähnt, daß sie in die berüchtigte, aber lange Zeit auch von manchen deutschen Politikern sehr geschätzte Colonia Gefangene brachten, die man besonders intensiv und ungestört "verhören" müsse. Ein halbes Jahr nach Pinochets Putsch starb der Innenminister und General Bonilla bei einem Hubschrauberabsturz. Man konnte damals in Santiago erfahren, daß Bonilla, ein Mann mit guten Freunden bei den Christlichen Demokraten, der Terror seiner Waffenkameraden mißfiel und er sich deswegen schon bei Pinochet beschwert hatte. Der Major Rolf Wenderoth, einer der höchsten Dina-Offiziere, erzählte der Autorin, daß der Absturz Bonillas wohl "provoziert" worden sei, denn der General sei für die Militärjunta wie auch für die Dina inzwischen zu einem großen Problem geworden. Wenderoth schenkte Luz Arce in der Zeit, in der er ihr Geliebter war, offensichtlich besonderes Vertrauen und tat auch manches, um ihre Lage innerhalb der Dina zu verbessern.

Luz Arce schreibt viel - zu viel - über sich selbst, besonders ausgiebig über ihre Liebschaften und die Anziehung, die sie offensichtlich auf Männer verschiedener Art, auf Folterer wie auf politische Idealisten, ausübte. Dagegen läßt sie einige bestimmt wichtige Dinge aus ihrem Leben weiterhin im dunkeln. Eine Liste der Menschen, die durch sie in die Hände der Dina fielen, hatte Luz Arce einem Untersuchungsrichter übergeben. Für manche ihrer ehemaligen Genossen wird Luz Arce jetzt noch mit dem Makel des Verrats und der Zusammenarbeit mit einer der unmenschlichsten Folterorganisationen der Welt behaftet sein. Für andere, auch führende Politiker der chilenischen Linken, ist sie vor allem eine Frau, die gefoltert und mißhandelt wurde und die später den Mut aufbrachte, die Verantwortlichen der Folterorganisation namhaft zu machen.

Der oberste Verantwortliche ist der General Augusto Pinochet. Von Luz Arce erfahren wir, daß Pinochet in der schlimmsten Zeit der chilenischen Repression regelmäßig mit dem inzwischen zu sieben Jahren Gefängnis verurteilten Chef der Dina, dem General Contreras, zum Frühstück zusammentraf. Die Erinnerungen von Luz Arce sind ein wichtiges zeitgeschichtliches Dokument, von großem Interesse auch als Einblick in die Psychologie von Folterern im Staatsdienst. Der Autorin gelingt es gut, die großen Unterschiede im Persönlichkeitsbild der einzelnen Offiziere festzuhalten. Daß dabei die mehr oder weniger leidvollen Erfahrungen mit dem jeweiligen Dina-Angehörigen oder auch persönliche Sympathien eine Rolle spielen, ist nicht auszuschließen. Doch nimmt Luz Arce nicht einmal den Major Rolf Wenderoth, der sie besser als jeder andere behandelt und ihr wahrscheinlich das Leben gerettet hat, in Schutz. Wenderoth gab sich als ein sehr korrekter Offizier, der es vermied, selbst zu foltern, den Gequälten kleine Erleichterungen zukommen ließ, sich sogar im kleinen Kreis über den Sadismus der brutalsten seiner Offizierskameraden, wie Krassnoff und Urrich, empören konnte, über die Notwendigkeit der politischen Polizei Dina und die prinzipielle Rechtmäßigkeit ihres Vorgehens allerdings keinerlei Zweifel hegte. Eine sehr oberflächliche Kenntnis von politischen Dingen verband sich bei ihm, wie offenbar bei vielen chilenischen Militärs, mit blindem Gehorsam gegenüber den Befehlen von Vorgesetzten. Wenderoth war nach seiner Tätigkeit bei der Dina Militärattaché an der Botschaft Pinochets in Bonn und wegen seiner gepflegten Umgangsformen in der rheinischen Cocktailgesellschaft ein gerngesehener Gast. Immerhin hat Wenderoth den Dienst im Heer quittiert; heute lebt er als Geschäftsmann in Südchile. Im Süden des Landes kommandiert der brutale Krassnoff, der im Heer geblieben ist und befördert wurde, eine Division. Die in der Dina diensttuenden Offiziere des chilenischen Heeres und der militarisierten Polizei machten keine Unterschiede in ihrer fanatischen und grausamen Bekämpfung der Andersdenkenden. So ließ der Major Moren Brito seinen eigenen Neffen foltern und schrie dazu: "Nicht einmal in der eigenen Familie bleibt man von diesen MIR-Leuten verschont . . . aber den bring' ich um, Neffe hin, Neffe her!" Luz Arce erlebte auch Hilfsbereitschaft und Gesten der Menschlichkeit bei der Dina, doch immer nur bei einfachen Soldaten, die als Wehrdienstleistende dorthin verpflichtet worden waren. Der Luftwaffensoldat Rudolfo González, der auch schon mal Briefe von Gefangenen an ihre Familien transportierte, wurde später, als seine Hilfsbereitschaft herauskam, von seinen vorgesetzten Offizieren gefoltert und schließlich umgebracht. Aus dem Bericht von Luz Arce erfährt man auch, wie empfindlich das Pinochet-Regime - trotz der eigenen trotzigen gegenteiligen Behauptungen - auf Kritik und Proteste im Ausland reagierte. Die Dina zeigte sich dann geradezu beunruhigt und bemühte sich zumindest um mehr Vorsicht bei ihrem Terror gegen Einzelpersonen und Gruppen. In der gleichen Zeit versuchten die politischen und journalistischen Hilfstruppen Pinochets in Europa den gegen die Menschenrechtsverletzungen Protestierenden weiszumachen, Kritik von außen verhärte die Haltung der chilenischen Militärregierung nur noch mehr. Diese Freunde Pinochets beriefen sich gern auf den Priester und Fernsehkommentator Raúl Hasbún. Der wiederum, so berichtet Luz Arce, besuchte häufig den Dina-Chef, General Contreras, in dessen Hauptquartier. So erfährt jetzt auch eine breite Öffentlichkeit, wo viele der Kommentare im Fernsehkanal der katholischen Universität ihren Ursprung hatten und woher so manche über Hasbún in die Weltpresse gelangte Manipulation herkam: aus dem Büro des Chefs der politischen Polizei Chiles, der berüchtigten Dina.

Dem deutschen Verlag sind die zuverlässige Ausgabe, die Übernahme des Personen- und Decknamenregisters, einige erklärende Fußnoten und das Nachwort zu danken, Astrid Schmitt-Böhringer die gut lesbare und korrekte Übersetzung.

WALTER HAUBRICH

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