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Benjamín Labatut erzählt vom schmalen Grat zwischen Genie und Wahnsinn, von der zwiespältigen Kraft der Wissenschaft und dem verhängnisvollen Moment, an dem wir aufhören, die Welt zu verstehen.
Sie sind Pioniere und Verdammte. Eroberer von Raum und Zeit. Träumer des Absoluten. Sie verändern den Lauf der Geschichte und verzweifeln an sich selbst: Werner Heisenberg, dessen Gleichungen – im Wahn auf der Insel Helgoland entstanden – zum Bau der Atombombe führen. Der Mathematiker Alexander Grothendieck, der es vorzieht, seine Formeln zu verbrennen, um die Menschheit vor ihrem zerstörerischen…mehr

Produktbeschreibung
Benjamín Labatut erzählt vom schmalen Grat zwischen Genie und Wahnsinn, von der zwiespältigen Kraft der Wissenschaft und dem verhängnisvollen Moment, an dem wir aufhören, die Welt zu verstehen.

Sie sind Pioniere und Verdammte. Eroberer von Raum und Zeit. Träumer des Absoluten. Sie verändern den Lauf der Geschichte und verzweifeln an sich selbst: Werner Heisenberg, dessen Gleichungen – im Wahn auf der Insel Helgoland entstanden – zum Bau der Atombombe führen. Der Mathematiker Alexander Grothendieck, der es vorzieht, seine Formeln zu verbrennen, um die Menschheit vor ihrem zerstörerischen Potential zu schützen. Oder Fritz Haber, dessen physikalische Verfahren eine Hungerkrise vermeiden und zugleich das diabolischste Werkzeug der Nationalsozialisten hervorbringen werden ...


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Autorenporträt
Benjamín Labatut, geboren 1980 in Rotterdam, wuchs in Den Haag, Buenos Aires und Lima auf. Er veröffentlichte zwei preisgekrönte Romane und Kurzgeschichten in Letras Libres. Das blinde Licht erschien in über 30 Ländern, stand auf der Shortlist des International Booker Prize, des National Book Award, auf der Summer Reading List von Barack Obama und war eines der 10 Best Books of 2021 laut New York Times Book Reviews. MANIAC ist Labatuts neuer Roman. Der Autor lebt mit seiner Familie in Santiago de Chile.

Thomas Brovot lebt als Übersetzer (unter anderem Mario Vargas Llosa, Juan Goytisolo, Federico García Lorca) in Berlin. Seine Arbeit wurde mehrfach ausgezeichnet, zuletzt mit dem Paul-Celan-Preis.

Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.05.2020

Du und das Atom
Der chilenische Schriftsteller Benjamín Labatut imaginiert die Geschichte der modernen Naturwissenschaft als große Schmerzensgeschichte

Die Grenze zwischen fiction und non-fiction ist heute durchlässiger als früher, doch bei Licht betrachtet ist das nichts Neues: Peter Schneiders Vivaldi-Biographie zum Beispiel ist kein Roman, sein Buch "Die Lieben meiner Mutter" aber sehr wohl, obwohl beide Texte sich nur thematisch, nicht aber stilistisch unterscheiden. Trotzdem ist es ein Rätsel, warum der Suhrkamp Verlag das soeben auf Deutsch erschienene Buch "Das blinde Licht" des Chilenen Benjamín Labatut als Roman apostrophiert - der Untertitel "Irrfahrten der Wissenschaft" trifft den Sachverhalt genauer. Die Lektüre erinnert mich an dickleibige Wälzer mit Titeln wie "Du und die Natur", "Du und die Physik", die ich als Jugendlicher begeistert verschlang, obwohl oder weil ich von den Ausführungen über Atomphysik und Quantentheorie nur die Hälfte verstand und das Gelesene sofort wieder vergaß.

So auch hier: Der Autor nimmt sich nichts Geringeres vor, als die Grundlagen moderner Physik und Chemie, von der Relativitätstheorie bis zum Bau der Atombombe, nicht zu erklären, sondern zu erzählen. Das gelingt ihm so gut, dass man das Buch mit Bedauern aus der Hand legt, weil es spannender ist als jeder Tatort-Krimi. Also doch ein Roman? Ja, aber ohne das, was seit Robinson Crusoe und Madame Bovary Generationen von Lesern fasziniert: eine Hauptfigur, mit deren tragischem Schicksal man sich identifiziert.

Stattdessen kommen in Labatuts Buch die wissenschaftlichen Koryphäen gleich dutzendweise zu Wort, und um den Überblick zu behalten, hat der Autor sie zu Paaren gebündelt wie einst die Parallelbiographien von Plutarch: Einstein und Max Planck, Heisenberg und Schrödinger, Robert Oppenheimer und Niels Bohr. Die wirklichen Helden des Buchs aber sind Atome - nein, subatomare Teilchen oder Wellen, die sich mit Lichtgeschwindigkeit bewegen, zugleich aber stillstehen und, wenn sie die Umlaufbahn wechseln, Blitze aussenden. Das verstehe, wer will!

Labatuts Buch beginnt mit einem Einstieg, der die Leser, ob sie wollen oder nicht, wie ein cliffhanger zum Weiterlesen zwingt: "Bei einer Untersuchung Monate vor Beginn der Nürnberger Prozesse fiel den Ärzten auf, dass Hermann Görings Finger- und Fußnägel knallrot gefärbt waren." Nicht etwa durch Nagellack, den Göring auftrug, wenn er sich in Karinhall als Nero kostümierte, sondern durch Überdosen von Schmerzmitteln, die er konsumiert hatte, um dem Stress des Krieges gewachsen zu sein. Um vor dem Nürnberger Tribunal auszusagen, musste Göring erst von dieser Sucht geheilt und entgiftet werden. Von hier war es nur ein kleiner Schritt zur Zyankalikapsel, die er aufbiss, als er erfuhr, dass er nicht, wie gewünscht, erschossen, sondern gehängt werden sollte.

Es ist bewundernswert, wie der Erzähler Labatut den Bogen schlägt vom zyanidhaltigen Preußischblau über die Wandfarbe Pariser Grün, deren Arsenausdünstung Schillers und Napoleons Gesundheit zerrüttete, zu Giftgasattacken im Ersten Weltkrieg und zur Massenvernichtung der Juden durch Zyklon B. Aber in dem rasanten Tempo, mit dem Labatut die Geschichte durcheilt und jedes Mal elegant die Kurve kriegt, liegt eine Gefahr, die im Verlauf der Lektüre deutlich hervortritt. Hier zwei Stichproben: "In den letzten Lebenswochen des Kaisers zerstörte die Krankheit seinen Körper. Seine Haut nahm einen grauen, leichenfahlen Ton an, seine Augen verloren allen Glanz, die Armmuskulatur schwand, in seinem spärlichen Bart klebten Reste von Erbrochenem." Und: "Die Krankheit begann mit zwei Blasen am Mundwinkel. Nach einem Monat bedeckten sie seine Hände, die Füße, die Lippen, den Hals und die Genitalien. Nach zwei Monaten war er tot."

Das erste Mal ist von Napoleon die Rede, der auf St. Helena dahinsiecht, das zweite Mal von Karl Schwarzschild, dem Entdecker der nach ihm benannten Unschärferelation, die Albert Einstein faszinierte, sowie der Schwarzen Löcher im All, wo Raum und Zeit implodieren. Schon hier zeigt sich, welchen Preis der Autor bezahlt, um die Fortschritte der modernen Physik verständlich und sinnlich nachvollziehbar zu machen. Gemeint ist eine fatale Tendenz, die Protagonisten des Buches zu Schmerzensmännern zu stilisieren, die wie Säulenheilige in der Wüste von Teufeln gequält und von Dämonen gepiesackt werden, um durch Nacht zum Licht, sprich: zur Erkenntnis der Wahrheit, zu gelangen.

Der Unterschied zwischen wissenschaftlicher Arbeit und mystischer Schau wird so zur quantité négligeable, ähnlich wie der zwischen dem Physiker Niels Bohr und dem Künstler van Gogh. Es gibt süßen und sauren Kitsch, und um die Selbstaufopferung der Forscher glaubhaft zu machen, zieht Labatut alle Register seiner Erzählkunst und schreckt vor keiner noch so absurden Übertreibung zurück: "Eine Kette aus Menschenköpfen um den Hals, schwang Kali mit ihren zahlreichen Armen Schwerter, Äxte und Messer und bespritzte ihn mit Blutstropfen, und dabei rieb sie ihm das Geschlecht, bis er es vor Erregung nicht mehr aushielt, und in dem Moment enthauptete sie ihn und verzehrte seine Genitalien." Kein Splatter-Roman, sondern ein Versuch, zu veranschaulichen, dass und wie die Quantenmechanik unsere Vorstellungen von Raum und Zeit, Leben und Tod durcheinanderwirbelt. Trotz aller Einwände aber ist das von Thomas Brovot vorzüglich übersetzte Buch ein großer Wurf und macht neugierig auf das, was dieses enfant terrible der chilenischen Literatur geschrieben hat und in Zukunft noch schreiben wird.

HANS CHRISTOPH BUCH

Benjamín Labatut: "Das blinde Licht". Irrfahrten der Wissenschaft.

Aus dem Spanischen von Thomas Brovot. Suhrkamp

Verlag, Berlin 2020. 192 S., geb., 22,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Ralph Hammerthaler scheint fasziniert von Benjamin Labatuts Roman, der sich laut Rezensent aus einem "schweifend essayistischen Schreiben herausschält". Eine Geschichte des Gifts Cyanid enthält das Buch ebenso wie kleine Porträts von Wissenschaftlern wie Karl Schwarzschild oder Werner Heisenberg. Die Komposition scheint Hammerthal kunstvoll, Stil und Sprache  "brillant". Selten wurden dem Rezensenten die Grenzen des Denkens und Zustände der Epiphanie in der Wissenschaft unterhaltsamer nahegebracht.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 23.09.2020

Warnung vor dem
blinden Fortschritt
Benjamín Labatuts „Das blinde Licht“
Gegen Mitternacht betritt der junge Heisenberg eine Künstlerkneipe und winkt einem Mann zu, den er für den Kellner hält. Der Mann setzt sich zu ihm und fängt an zu reden, ohne je wieder aufzuhören, ein Radiojournalist, der dann aber doch zwei bedenkenswerte Fragen aufwirft: „Sagen Sie mir, Professor, wann hat es angefangen, mit dem ganzen Irrsinn? Wann haben wir aufgehört, die Welt zu verstehen?“
Es sind die 1920er-Jahre, und ehe Werner Heisenberg 1932 den Nobelpreis für Physik erhält, ehe ihn die Nationalsozialisten im Zweiten Weltkrieg mit Forschungen für eine Atombombe beauftragen und ehe die Amerikaner diese Atombombe bauen und sie im August 1945 auf Hiroshima und Nagasaki abwerfen, werden noch viele Jahre vergehen. Damals aber ist er Assistent von Niels Bohr, im Kopenhagener Institut für theoretische Physik, und entwickelt seine Version der Quantenmechanik, die berühmte Theorie von der Unschärferelation.
Benjamín Labatuts Roman „Das blinde Licht“, im Untertitel „Irrfahrten der Wissenschaft“, schält sich aus einem schweifend essayistischen Schreiben heraus, wobei seine vier Teile auch für sich stehen könnten, wären sie nicht durch das Thema der Irrfahrt und eine Handvoll Motive halbwegs verzahnt. Von einer kleinen Geschichte des Gifts Cyanid über den Physiker Karl Schwarzschild und den Mathematiker Alexander Grothendieck bis hin zu Werner Heisenberg erstreckt sich die kühn gespannte Komposition. Zwischen den Figuren stiftet Labatut keine Beziehungen, wenigstens keine örtlich konkreten; daran wagt er sich erst im vierten und längsten Teil, dem Heisenberg-Teil, genauso wie er jetzt auch Dialoge einstreut. Erst im vierten Teil gelangt der Roman vollständig ans Licht.
1980 wurde Labatut in Rotterdam geboren, aufgewachsen ist er in Den Haag, Buenos Aires und Lima, heute lebt er mit seiner Familie in Santiago de Chile. Kurzgeschichten und zwei Romane hat er bisher veröffentlicht. Jetzt ist er erstmals auf Deutsch zu haben, mit seinem Roman „Das blinde Licht“. Einzuordnen ist dieses Buch nur schwer, es ist weder dies noch das, aber auf vertrackte Weise aus einem Guss. Eine historisch gesättigte Operation am offenen Herzen der Wissenschaft. Unbeirrt und immer wieder steuert es auf die Grenzen des Denkens zu, erfreut sich an geistesheller Ekstase und scheint von der Erkenntnis durchdrungen zu sein, dass es Fortschritt allein zum Guten nicht gibt; dass in der großartigsten Erfindung ein potenzieller Schaden für die Menschheit steckt. Überall lauert Missbrauch. Dabei sind Labatuts Stil und Sprache brillant, und es ist ein Glück, die atmende Übersetzung von Thomas Brovot zu lesen.
Die Gruselgeschichte „Preußischblau“ ist noch auf pure Fakten gestützt. Im Titel verweist sie auf ein synthetisches Pigment, das später Cyanid hervorbringt. Aus Cyanid wird ein gasförmiges Pestizid gewonnen, nämlich Zyklon für die Schädlingsbekämpfung, das als Zyklon B später in den Gaskammern der Nazis auch Menschen tötet. Nach dem verlorenen Krieg beißt ein Nazifunktionär nach dem anderen auf eine Zyankalikapsel, auch sie von fern verwandt mit Preußischblau.
Über Alexander Grothendieck erfährt man, wie er die Mathematik revolutioniert hat, um dann, unter dem Eindruck des Vietnamkriegs, seiner Wissenschaft den Rücken zu kehren und als Eremit zu leben; und wie er, als ihm eine amerikanische Mathematikerin auf die Spur kommt, ein Gespräch in Aussicht stellt, vorausgesetzt, sie würde ihm eine einzige Frage beantworten: Was ist ein Meter?
Schlafwandlerisch steuert Labatut auf Zustände der Epiphanie zu, denen die Wissenschaft große Sprünge verdankt, immer auf Du und Du mit dem Wahnsinn, weil das Etablierte anders nicht zu überwinden wäre. Seine Genies sind allesamt männlich, obwohl sich für ein Buch, das viel von Physik und Chemie handelt, Marie Curie als zweimalige Nobelpreisträgerin geradezu aufgedrängt hätte; aber leider fällt ihr Name nur in einer Aufzählung, sie unter anderen auf einer Konferenz. Genie und Wahnsinn rücken die Wissenschaft in die Nachbarschaft der Künste. Mit Blick auf Mary Shelleys „Frankenstein“, „einer Warnung vor dem blinden Fortschritt der Wissenschaft“, spricht Labatut sogar von der „gefährlichsten aller menschlichen Künste“.
Wellen, heißt es einmal, „waren wie das Wasser des Meeres, groß und weit, sich ausdehnend über eine riesige Fläche. Als solche gab es sie an vielen Stellen zur selben Zeit. Stieß eine Welle gegen einen Fels, konnte sie ihren Weg um ihn herum fortsetzen. Trafen zwei von ihnen aufeinander, konnten sie sich aufheben und verschwinden, oder eine ging durch die andere hindurch, ohne in Mitleidenschaft gezogen zu werden“. In dieser Äußerung verbirgt sich nicht weniger als Labatuts literarisches Verfahren, „Das blinde Licht“ ist in Wellen geschrieben.
Albert Einstein spielt in diesem Roman keine Hauptrolle. Doch im Hintergrund wirkt er wie permanent anwesend. „Gott würfelt nicht“, sagt er naserümpfend über die Unschärferelation. Und Niels Bohr als Heisenbergs Mentor entgegnet: „Es ist nicht an uns, Ihm zu sagen, wie Er mit der Welt umgehen soll.“ Einstein hält auch die Rede auf der Begräbnisfeier eines Freundes, des Astronomen und Physikers Karl Schwarzschild. Was ihn nicht daran hindert, dessen Lebenswerk, die Schwarzschild-Singularität, zwei Jahrzehnte später zu verwerfen. Noch im selben Jahr aber, 1939, wird Robert Oppenheimer diese Singularität zweifelsfrei bestätigen. Schwarzschild hat herausgefunden, dass ein Riesenstern, dem der Brennstoff ausgeht, kollabiert, er wird immer kompakter, und seine Dichte nimmt zu, bis sich der Raum unendlich krümmt und sich selber schließt, sodass die Zeit stehen bleibt. Wenn ein atomares Teilchen oder gar ein ganzer Planet die Grenze zur Singularität überschreiten, werden sie für immer verschluckt und verschwinden aus dem Universum. Karl Schwarzschild hat die unheimliche Kraft der Schwarzen Löcher entdeckt.
RALPH HAMMERTHALER
Benjamín Labatut: Das blinde Licht. Irrfahrten der Wissenschaft. Aus dem Spanischen von Thomas Brovot. Suhrkamp Verlag, Berlin 2020. 187 Seiten, 22 Euro.
„Es ist nicht an uns,
Ihm zu sagen, wie Er mit
der Welt umgehen soll.“
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»Benjamín Labatut zeigt meisterlich die Grenze zwischen Wahnsinn und Wissenschaft ... und schafft es, dass Quantenmechanik und Biochemik begreiflich werden. Ich kann Das blinde Licht von Herzen empfehlen.« Charlotte Van den Broeck SWR2 lesenswert Magazin 20210922