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Winklers Kündigung in einer Werbeagentur eröffnet neue Perspektiven. Georg-Büchner-Preis 2009 für Walter Kappacher.
Winkler, Angestellter in einer Werbeagentur, leidet unter den Widrigkeiten seiner beruflichen Existenz. Erst als er kündigt, sieht einer abenteuerlichen Zukunft entgegen.
»Kappacher erzählt das Märchen von einem, der auszieht und stecken bleibt in einer Welt mit gläsernen Mauern, die er nicht begreift, die auch gar nicht begriffen werden will, sondern von dem Fremden wie von allen ihren Bewohnern einzig Unterwerfung verlangt.« Anni Carlsson, Neue Zürcher Zeitung
Georg-Büchner-Preis 2009 für Walter Kappacher
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Produktbeschreibung
Winklers Kündigung in einer Werbeagentur eröffnet neue Perspektiven. Georg-Büchner-Preis 2009 für Walter Kappacher.
Winkler, Angestellter in einer Werbeagentur, leidet unter den Widrigkeiten seiner beruflichen Existenz. Erst als er kündigt, sieht einer abenteuerlichen Zukunft entgegen.

»Kappacher erzählt das Märchen von einem, der auszieht und stecken bleibt in einer Welt mit gläsernen Mauern, die er nicht begreift, die auch gar nicht begriffen werden will, sondern von dem Fremden wie von allen ihren Bewohnern einzig Unterwerfung verlangt.«
Anni Carlsson, Neue Zürcher Zeitung

Georg-Büchner-Preis 2009 für Walter Kappacher

Autorenporträt
Kappacher, WalterWalter Kappacher, geboren 1938 in Salzburg. Seit 1978 freier Schriftsteller. Lebt in Obertrum bei Salzburg. Zahlreiche Auszeichnungen, u. a. Hermann-Lenz-Preis 2004, Großer Kunstpreis des Landes Salzburg 2006; Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Zuletzt erschienen: 'Selina oder das andere Leben' (2005) und 'Hellseher sind oft Schwarzseher' (2007) und 'Der Fliegenpalast' (2009). Walter Kappacher erhält 2009 den Georg-Büchner-Preis.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.11.2010

Held seines eigenen Romans

Prüfung einer Lebensart: Die ersten drei Bände der Werkausgabe Walter Kappachers zeigen die Anfänge eines Schriftstellers, der nie ein Anfänger war.

Von Paul Ingendaay

Wir lesen, so könnte man sagen, hundert Seiten über das Dasein einer Sekretärin, die aufsteigt, weil sie mit dem Chef schläft, innerlich aber traurig und unerfüllt bleibt, sich überfordert, sich als Rädchen in der Maschinerie der Arbeitswelt empfindet und am Ende zum Whisky greift, um die Nerven zu beruhigen, was naturgemäß nicht weiterhilft, sondern alles nur schlimmer macht.

Das wären die Stichpunkte zum Leben von Rosina, der Heldin von Walter Kappachers gleichnamiger Erzählung aus dem Jahr 1978, die der Deuticke Verlag im vergangenen Jahr nach der Verleihung des Büchner-Preises an den lange Zeit wenig gelesenen österreichischen Schriftsteller neu aufgelegt hat.

Es ist eine ältere Welt, die uns in diesem kleinen Buch entgegentritt, alt in den Büromaschinen, den Kommunikationsformen und den Spielarten der Einsamkeit. Um sich zu zerstreuen, kauft Rosina zum Beispiel "Quick" und "Revue", und samstags studiert sie in der Zeitung die Heiratsannoncen, weil sie nicht als spätes Mädchen enden will. Männer, sofern sie einen nicht im Büro belästigen, lernt man im "Tanzlokal" kennen, vielleicht sogar im Italienurlaub, der so freudlos bleibt wie alles andere, und wirkliche Gefahr droht auf dem Betriebsausflug, wenn mit steigendem Alkoholpegel auch die Hemmungen über Bord gehen.

Die Szenerie von "Rosina" wäre trist genug, um den Leser zu bedrücken. Doch das Buch zieht uns nicht hinunter, sondern hinauf, zu den Lichtungen seiner schlackenlosen, hochverdichteten Sprache. Denn Walter Kappacher verwandelt eine graue, gruselige Existenz voller Sackgassen in ein funkelndes Rätsel, weil seine Heldin zwischen dem zwanzigsten und dreißigsten Lebensjahr, durch eine wie feiner Staub herabrieselnde Entzauberung, zum Innehalten, zu tastenden Reflexionen geführt wird. Fragen zu stellen, sich selbst und dem Leben, das gehört genauso zu Kappachers Figuren wie ihr wortkarges Auftreten, die Menschenscheu und das Verlierergesicht. Und manche ihrer Beobachtungen - etwa Rosinas Gedanke beim Blick in den Spiegel, ihre Zähne "seien älter als sie" - trifft uns ins Mark.

Aus den kurzen Abschnitten, in die der Autor seine Geschichte unterteilt und die manchmal die Geschliffenheit von Aphorismen haben, blitzen Erkenntnisse nur am Wegrand auf, eher erahnt als gewusst. "Was war das für eine Schule, durch die man ging, um ein Chef zu werden?" Solche Sätze verraten uns nicht nur, wo in diesem Buch oben und unten ist, sondern auch, dass Rosina die Macht, von der sie zerrieben zu werden droht, zumindest verstehen will. "War das ihr Leben? Hatte sie es alles gewollt, wie es verlaufen war? Hätte sie ein anderes Leben haben können?"

Das ist die große Kappacher-Frage: Wie sähe ein gelungenes Leben aus? Und weil "Gelingen" in der Renommier- und Verbrauchsgesellschaft am beruflichen Aufstieg und der Anschaffung entsprechender Statussymbole abgelesen wird, geraten Kappachers frühe Figuren stets in Widerspruch zu den Normen der Arbeitswelt: Sie drängeln sich nicht vor, sie schleimen nicht, sie sind nicht annähernd hart genug, um sich dem Konkurrenzkampf im Büro zu stellen. Ihr (liebesloses, eheloses) Privatleben kann unter solchen Umständen nur ein karger Rest sein, und dieser Rest besteht vor allem aus routinierter Betäubung. Rosina, so wird uns gesagt, "hatte auch einmal versucht, ein Tagebuch zu führen, aber es war ihr nichts eingefallen, was sie hätte niederschreiben können; es war einfach nichts gewesen, was zu notieren sich gelohnt hätte".

Der jetzt erschienenen Neuausgabe ist die frühe Prosaskizze "Kommen und Gehen" beigegeben, eine fünfseitige Vorstufe des Rosina-Stoffs. Darin schildert Kappacher das Schicksal der Sekretärin Helga nicht in der personalen Erzählform, wie er es in "Rosina" tut, sondern aus der subjektiven Sicht eines am Geschehen Beteiligten. Das hat seinen Reiz, weil es außerordentlich straff erzählt wird, erreicht aber nicht die schwebende Qualität des späteren Textes, der sich ausschließlich im Inneren der Figur bewegt.

Seit der Autor im vergangenen Jahr durch den Büchner-Preis zu plötzlichem Ruhm kam, ist die Geschichte seines ersten Buches schon öfter erzählt worden. Der Roman "Morgen" erschien 1975 im Alfred Winter Verlag und erntete eine enthusiastische Rezension von Martin Walser. Kappachers Arbeitsprogramm sei "das echte Roman-Arbeitsprogramm: Prüfung einer Lebensart", schrieb Walser. "Unsere Lebensart hat jetzt einen ernsthaften Feind mehr." Wie Rosina betrachtet der junge Ich-Erzähler dieses Buches die Ereignisse vom Rand aus, verweigert die erwarteten Gesten und geht oft befremdet durch seine kleine Welt aus Familien- oder Berufsbeziehungen. Ebendieser Abstand zu den Ritualen der Gesellschaft, die den Helden umgibt, ein eingeborenes Misstrauen gegen die Üblichkeiten des Lebens, mag Walser seinerzeit fasziniert haben. Heute, beim Wiederlesen, springt dem Rezensenten vor allem die Komik dieses wunderbaren kleinen Buches ins Auge, sein sanfter Slapstick und der leicht schnodderige, nie übertriebene Tonfall der Hauptfigur.

Natürlich kann man sich fragen, was diese Stellvertreter in der Fiktion mit dem Autor zu tun haben, aus welchem Winkel der Seele er sie hervorholt und welcher chemischen Verwandlung er sie unterwirft - auch Kappacher selbst ist ja ausgestiegen und hat die Büros zugunsten des prekären "freien" Schriftstellerdaseins für immer hinter sich gelassen. Die Antwort darauf wird länger, je mehr Titel die Werkliste umfasst, erst recht seit dem letzten Roman "Der Fliegenpalast" (2009), in dem mit Hugo von Hofmannsthal zum ersten Mal ein Künstler im Mittelpunkt steht. Doch schon vorher hatten die Romane in der Kunst den Gegenentwurf zum stumpfsinnigen Einerlei der Erwerbswelt ausgemacht, und vollständig ausbuchstabiert wird dieser Konflikt in "Ein Amateur" aus dem Jahr 1993, autobiographisch wohl das aufschlussreichste Buch in Kappachers Gesamtwerk.

"Ein Amateur" zeichnet den Werdegang des jungen Simon nach, die jugendliche Begeisterung für Motorräder, die Schauspielschule, die Verlockung durch das Reisebüro, die Entdeckung der Literatur. Kappachers Helden sind arm und weitgehend vaterlos; bürgerlicher Kunstgenuss gehört einer anderen Sphäre an. Der Weg also verläuft nicht gerade, und niemand kann Simon irgendetwas versprechen, geschweige denn das Terrain ebnen. Er selbst ist der Held des Bildungsromans, den er, wie er dunkel ahnt, irgendwann aus eigener Kraft schreiben muss, doch bis es so weit ist, braucht es ein halbes Dutzend Erweckungserlebnisse, und von ihnen handelt dieses Buch. Eines ist die rauschhafte Lektüre von Dostojewskis "Verbrechen und Strafe". Dem Schauspielschüler öffnet sich das fiebrige Universum der russischen Literatur und damit der tragischen Exaltation - "die Figuren des Romans zogen ihn stärker in ihren Bann als wirkliche Menschen" -, und irgendwann begreift Simon, wo seine Berufung liegt. Als er in der Zeitung die Kurzgeschichte eines ihm unbekannten Autors liest, sagt er sich: "Das kannst du auch."

Trotz der spürbaren autobiographischen Nähe zwischen dem Autor und seinen Figuren hat es Walter Kappacher geschafft, sich hinter seine Bücher zurückzuziehen und nur sein hochdifferenziertes, sich immer weiter verzweigendes Werk sprechen zu lassen. Nach acht Romanen wird man wohl sagen können: Dieser kapitale Schriftsteller ist mehrere. Und wie immer, wenn ein literarisches Werk seiner eigenen Logik gemäß in die Tiefe und in die Breite wächst, bietet sich dem Autor die schöne Gelegenheit, dahinter unsichtbar zu werden.

Walter Kappacher: "Rosina". Erzählung. Mit einem Nachwort von Armin Ayren. Deuticke Verlag, Wien 2010. 128 S., geb., 14,90 [Euro].

Ders.: "Morgen". Roman. Deuticke Verlag, Wien 2009. 126 S., geb., 15,90 [Euro].

Ders.: "Ein Amateur". Roman. Deuticke Verlag, Wien 2009. 271 S., geb., 19,90 [Euro].

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