Land hinter den sieben Bergen, wo die Männer noch Röcke tragen. Dort entflammte sie bei einem Fest einen schmucken Burschen von königlichem Geblüt mit einem Kleid, so durchsichtig wie ein gläserner Sarg. Seitdem hatten die beiden nur noch Augen füreinander. Der Prinz aber wollte unbedingt dereinst ein guter Herrscher sein. Er studierte lange die Geographie und memorierte, wo die Königreiche Barbados, Sankt Vincent und Tuvalu liegen, die seiner Großmutter gehören. Anschließend wurde er Soldat, und dann lernte er auf einer Art Greif durch die Luft zu fliegen, um Bürger in Not zum Siechenhaus zu bringen. Erst achteinhalb Jahre nachdem er die wunderschöne Kate getroffen hatte, holte er aus der Schatzkammer einen ererbten Reif und streifte ihn über ihren Finger. Die Hochzeit soll eine gar fröhliche Feier werden, bei der auch die gute Stiefmutter ihr Krüglein Sherry bekommt.
Ganz schön langweilig, dieses Märchen. Keine gebratene Kinderleber, kein giftiger Apfel, kein Todestanz in rotglühenden Schuhen. Daraus hätte Walt Disney weiß Gott keinen Film gemacht. Auch Ulrike Grunewald hatte hier ein Problem. Catherine Middleton und William Mountbatten-Windsor sind ein Traumpaar. Die Braut ist schön und intelligent, der Bräutigam ist stattlich und sportlich. Über beide kann man mit gutem Gewissen nichts Negatives schreiben. Grunewald tut das in ihrem Buch über "William & Kate - die Geschichte ihrer großen Liebe" auch nicht. Soweit es um die beiden Hauptpersonen geht, ist das Buch schiere Hofberichterstattung und ja, die Schicht Zuckerguss ist ab und an noch etwas dicker, als es nötig wäre.
Nehmen wir als Beispiel gleich den Untertitel. Unter einer "großen" Liebe stellt man sich so etwas Brennendes wie bei Abaelard und Heloisa oder Romeo und Julia vor. Wie die Autorin sie schildert, sind William und Kate aber eher vernünftige und pflichtbewusste Persönlichkeiten. Ihre Beziehung hat sich im gemessenen Butlerschritt entwickelt. William wird einmal ein solider König werden, und seine Königin wird beim Volk recht beliebt sein, aber muss man darüber gleich in Tränen der Rührung ausbrechen? Gelegentlich erweist sich Ulrike Grunewald auch als Meisterin der diplomatischen Formulierung: "Akademische Meriten zu erzielen lag nicht im Fokus des Prinzen."
Nebenbei bemerkt: Die Briten nennen den Ehemann einer Königin nie König, für die Ehefrau eines Königs ist jedoch durchaus die Bezeichnung Königin üblich. Eine Königin Camilla wird es aber schon deshalb nicht geben, weil die Herzogin von Cornwall nur standesamtlich verheiratet ist. Immerhin dürfen wir uns auf eine zukünftige Queen Catherine freuen, wenn wir das wollen.
Da also die Geschichte von William und Kate etwas anämisch ist, hat Ulrike Grunewald ihr Buch aufgebrezelt. Sie berichtet über das Brautpaar und zusätzlich noch ausführlich über die Liebe oder ihre Abwesenheit im Hause Windsor während der letzten siebzig Jahre. Das sind die vollsaftigen Teile des Buchs. Wenn man das alles zum ersten Mal erfährt, ist es ganz unterhaltsam. Die Royals haben wohl auch keinen höheren Hormonspiegel als unsereins, doch sie können ihre Eskapaden nicht so leicht verbergen. Von Wallis Simpson, der Geliebten des später zurückgetretenen Edward VIII., wird zum Beispiel kolportiert, sie habe ihre "außergewöhnlichen Liebespraktiken" in chinesischen Bordellen erlernt. Those were the days. Seitdem ist das erotische Niveau leider sowohl in China als auch in England drastisch gefallen.
Immerhin dient es auch der Wahrheitsfindung, wenn die Autorin noch einmal das Scheitern der Ehe von Williams Eltern Diana und Charles in allen geschmacklosen Einzelheiten vor uns ausbreitet. Wer als Kind einer solch dysfunktionalen Beziehung aufwächst, der ist zu preisen, wenn er trotzdem halbwegs normal bleibt. Für den späteren Unfalltod seiner Mutter gibt William übrigens den Paparazzi, die sie seinerzeit durch Paris gejagt haben, die Hauptschuld. Dieses Trauma ist ein Grund für seine Scheu vor dem Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit. Auftritte mit vielen Mikrofonen und Kameras hat er immer nach Kräften vermieden. Da wird noch einiges auf ihn zukommen.
Am 20. Oktober 2010 fragte William seine Freundin, ob sie seine Frau werden wolle. "Und Kate sagte einfach nur ja, aus tiefstem Herzen." Erst am 16. November wurde die Öffentlichkeit informiert. An diesem Freitag werden die Hochzeitsglocken läuten. Viel Zeit hatte Ulrike Grunewald da nicht für ihr Werk, aber sie kennt sich aus. Von ihr stammt auch "Der Fluch des Hauses Windsor" und "Rivalinnen" (unter anderen über Camilla und Diana). Dass das vorliegende Buch etwas unfertig wirkt, liegt wohl am Produktionsstress. Zum Beispiel lesen wir unnötig oft, dass das Volk Kate Middleton "Waity Katie" nannte, weil so lange nichts passierte. Es stört auch, wenn die Autorin Details erfindet, die sie gar nicht wissen kann. Eine Dokumentation ist kein Roman.
Die Zielgruppe des Buchs ist offensichtlich weiblich. Wir erfahren viel über Kleidung, Frisuren, Schmuck, Handtaschen und Schuhe respektive Stiefel. Im Leben der Windsors spielen aber auch andere Dinge eine wichtige Rolle: Hunde, Pferde, Jagd, Polo, Gin. Angeblich hat Miss Middleton ja auch eine Affinität zu solchen königlichen Lustbarkeiten, im Buch finden wir dazu aber fast keine Einzelheiten. Welches Label trägt die Schrotflinte des Prinzen? Kann Kate eigentlich reiten? Was hält sie von der Fuchsjagd? Sie wird immer wieder als Modepuppe und Partygirl geschildert, das darf sie ja auch gerne sein, das wird ja auch von ihr erwartet, aber sie hat doch hoffentlich noch viele andere gute Eigenschaften.
Das Buch enthält 32 Seiten mit farbigen Bildern. Die Auswahl ist unsymmetrisch. Von den Middletons sehen wir nur Kate, Kate und nochmals Kate sowie einmal ihre Eltern. Ein Foto aus dem Jahr 2005 zeigt die Königin in spe noch vor ihrem Relaunch als Stilikone. Damals liebte sie Jeans, Cowboystiefel und Schlapphüte. Heute ähnelt sie mehr den Models auf der Verpackung von Haarfärbemitteln. Die Windsors hingegen werden in ihrer ganzen vielfältigen Pracht gezeigt. Wunderbar sind vor allem die Kopfbedeckungen der Damen, dafür haben Regimenter von verrückten Hutmachern geschuftet. Das berühmte durchsichtige Kleid sieht allerdings etwas vulgär aus.
ERNST HORST
Ulrike Grunewald: "William & Kate". Die Geschichte ihrer großen Liebe.
Droemer Knaur Verlag, München 2011. 304 S., geb., Abb., 16,99 [Euro].
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