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Herrad Schenk zeigt in ihrem Buch, daß unsere heutige Auffassung von Mutterschaft sehr jungen Datums ist. Jahrhundertelang wurden sowohl Kindheit als auch Mutterschaft ganz anders bewertet, doch Pädagogik und Psychoanalyse haben uns gelehrt, die Verantwortung der Mutter für das Wohl des Kindes so zu betonen. Daß diese besondere Prinzessinen-Stellung den lieben Kleinen gar nicht so gut bekommt, daß die kindzentrierte Sicht der Eltern sie womöglich zu kleinen Terroristen macht, die permanent bespielt werden müssen, auch diese Facetten vom Mythos der guten Mutter leuchtet dieses spannende und anregende Buch aus.…mehr

Produktbeschreibung
Herrad Schenk zeigt in ihrem Buch, daß unsere heutige Auffassung von Mutterschaft sehr jungen Datums ist. Jahrhundertelang wurden sowohl Kindheit als auch Mutterschaft ganz anders bewertet, doch Pädagogik und Psychoanalyse haben uns gelehrt, die Verantwortung der Mutter für das Wohl des Kindes so zu betonen. Daß diese besondere Prinzessinen-Stellung den lieben Kleinen gar nicht so gut bekommt, daß die kindzentrierte Sicht der Eltern sie womöglich zu kleinen Terroristen macht, die permanent bespielt werden müssen, auch diese Facetten vom Mythos der guten Mutter leuchtet dieses spannende und anregende Buch aus.
Autorenporträt
Schenk, HerradHerrad Schenk, geboren 1948, ist promovierte Sozialpsychologin und lebt als freie Schriftstellerin in der Nähe von Freiburg.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.07.1996

Mehr Liebe heißt mehr Schuld
Herrad Schenk will die Last des Mutter-Mythos erleichtern

"Angst und Schuldgefühle der Mutter sind nie so groß gewesen wie in unserem Jahrhundert, das doch ein Jahrhundert der Befreiung sein wollte", hat die Soziologin Elisabeth Badinter 1980 geschrieben. Herrad Schenk beruft sich in ihrem neuen Buch "Wieviel Mutter braucht der Mensch?" wiederholt auf die französische Kollegin. Auch für sie ist der erst im 18. Jahrhundert entstandene Mythos von der unerschöpflichen Mutterliebe fragwürdig. Sie führt die Diskussion weiter und beschreibt das Dilemma, in das heute viele Frauen geraten, die Kinder haben wollen, aber ihren Beruf nicht aufgeben möchten. Sie leiden nicht nur unter einer kinderfeindlichen Umwelt, sondern auch an den hohen Erwartungen, die an sie als Mutter gestellt werden.

Zentrale Erziehungsinstanz bleibt, auch wenn Väter zunehmend beteiligt werden, die Mutter. Jede Alternative durch Dritte gilt heute - vor allem in den ersten Lebensjahren des Kindes - als minderwertig. Von einer Frau wird erwartet, daß sie nach der Geburt ihres Kindes eigene Interessen zurückstellt und sich mit dem Gewinn neuer Erfahrungen und Gefühle begnügt. Die einzigartige Beziehung zum Kind mag eine Erfüllung sein, zumindest für viele Einschränkungen entschädigen. Doch manchen Müttern gelingt es auf Dauer nicht, damit zufrieden zu sein. Sie trauern ihrem Beruf nach und fühlen sich ausgeschlossen von einer Welt, die sie sich selbst erobert hatten und die zu ihnen gehörte.

Daß die "Wahlfreiheit" zwischen Beruf und Familie meist nur ein leeres Versprechen ist, erfahren Frauen, insbesondere alleinerziehende Mütter, bald mit großer Härte. Auf die Mithilfe ihrer Männer zu setzen ist oft vergeblich, und die wenigen Einrichtungen für Kinder außer Kindergarten und Schule sind kostspielig oder unzulänglich. So entwickeln sich aus der mehr oder minder als Selbstaufgabe empfundenen Beschränkung auf das Familiäre Unzufriedenheit und Schuldgefühle. Denn offenbar sind Mütter niemals gut genug, stets gibt es noch bessere oder zumindest solche, die sich für besser halten, weil sie einzig für ihr Kind leben. Überbemutterung und Vernachlässigung liegen dicht nebeneinander. Daß sich solche verkrampften Beziehungen nicht gerade günstig auf die Entwicklung der Kinder auswirken, ist kein Wunder.

Herrad Schenk will mit ihrem Buch dazu beitragen, Schuldgefühle abzubauen. Sie plädiert für einen entspannteren Umgang mit Kindern, will Mut machen, Verantwortung zu delegieren und neue Formen der Kinderbetreuung zu wagen. Die eigene Familie liefert ihr überzeugende Beispiele aus der Vergangenheit: Großmutter, Mutter und Schwiegermutter befaßten sich keineswegs ausschließlich mit ihren Kindern. Sie hatten ohne die Hilfe moderner Maschinen und vorgefertigter Lebensmittel einen großen Haushalt zu versorgen, waren in bäuerlichen oder handwerklichen Betrieben unmittelbar für einen Teil der Produktion verantwortlich oder genossen ohne Gewissensbisse den Luxus von Reisen und kulturellen Veranstaltungen, während Personal sich um Hausstand und Nachwuchs kümmerte.

Kinder hatten damals mehrere "Bezugspersonen" und wurden früher selbständig. Sie spielten mit Älteren und Gleichaltrigen, waren durch Mithilfe einbezogen in die Arbeit der Erwachsenen. Nicht nur die Eltern erzogen, Autorität waren auch andere Erwachsene. Der gesellschaftliche Konsens wurde nicht in Frage gestellt, Anpassung war selbstverständlich, anerkannte Normen machten die Erziehung einfacher. Noch bis in die fünfziger Jahre standen Fleiß, Disziplin, Gehorsam und Höflichkeit an der Spitze der Erziehungsziele. Gewährenlassen und weitgehende Liberalität lösten die richtige Autorität ab und verunsichern nun manche Eltern.

Heute wächst jedes vierte Kind ohne Geschwister auf. Kindergarten und Schule gewinnen daher große Bedeutung als Orte des sozialen Lernens. Hier entstehen Freundschaften oder Rivalitäten, hier werden auch Kämpfe ausgetragen, und hier bildet sich die Identität aus. Was sich früher von selbst ergab, Spielen mit Gleichaltrigen auf der Straße, auf unbebautem Gelände, muß heute organisiert und geplant werden. Einzelkinder, aber nicht nur die, werden heute von ihren Müttern in übertriebenem Maß verwöhnt, bedient und unterfordert. Sie stehen im Mittelpunkt, sind Lebensinhalt, ja Selbstverwirklichungsprojekt ihrer Eltern. Vor einer von Narzißmus geprägten Jugend hat schon Christopher Lasch gewarnt. Und wieder wird dafür den Müttern mit ihrem Zuviel an Liebe und Fürsorge die Schuld zugeschoben.

Herrad Schenk gibt keine besserwisserischen Ratschläge, keine allgemeingültigen Lösungsvorschläge. Aus dem Rückblick auf die Vergangenheit schließt sie keineswegs auf die Empfehlung einer autoritären Erziehung. Aber sie nennt die Probleme von Müttern, von Familien insgesamt beim Namen und stellt fest: "Es stimmt etwas nicht mit einer Gesellschaft, die es den Frauen so schwer macht, Kinder zu bekommen und großzuziehen." Die Frage "Wieviel Mutter braucht der Mensch?" ist nicht eindeutig zu beantworten. Auf jeden Fall ist, wenn es um die Kinder geht, nicht allein die Mutter gefordert. MARIA FRISÉ

Herrad Schenk: "Wieviel Mutter braucht der Mensch?" Der Mythos von der guten Mutter. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 1996. 238 S., br., 34,- DM.

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