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"Dies ist ein Buch über meine Kindheit. Eine grausame, furchtbare Kindheit - aber eben trotzdem eine Kindheit. Um in sich eine Liebe zur Außenwelt zu bewahren, um groß und erwachsen zu werden, braucht ein Kind wirklich wenig: ein Stück Speck, eine Scheibe Brot mit Wurst, eine Handvoll Datteln, blauen Himmel, ein paar Bücher und die Herzlichkeit eines menschlichen Worts. Dies genügt, es ist mehr als genug." (der Autor)
Ausgezeichnet mit dem Russischen Booker Prize 2003
Ruben Gonzalez Gallego wird im September 1968 in der Klinik des Kreml geboren. Seine Mutter, eine Spanierin, wurde dort
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Produktbeschreibung
"Dies ist ein Buch über meine Kindheit. Eine grausame, furchtbare Kindheit - aber eben trotzdem eine Kindheit. Um in sich eine Liebe zur Außenwelt zu bewahren, um groß und erwachsen zu werden, braucht ein Kind wirklich wenig: ein Stück Speck, eine Scheibe Brot mit Wurst, eine Handvoll Datteln, blauen Himmel, ein paar Bücher und die Herzlichkeit eines menschlichen Worts. Dies genügt, es ist mehr als genug." (der Autor)

Ausgezeichnet mit dem Russischen Booker Prize 2003


Ruben Gonzalez Gallego wird im September 1968 in der Klinik des Kreml geboren. Seine Mutter, eine Spanierin, wurde dort als Notfall aufgenommen dank ihrer Verbindungen zur geheimen Spanischen Kommunistischen Partei; sie war schwanger mit Zwillingen. Das erste Baby stirbt. Bei der Geburt des zweiten, Ruben, treten Komplikationen auf; seine Beine bleiben gelähmt und die Feinmotorik seiner Hände ist beeinträchtigt. Zunächst in einem Waisenhaus für Angehörige der kommunistischen Elite untergebracht, beginnt für Ruben ab dem zweiten Lebensjahr eine Odyssee durch Heime für behinderte Kinder; seiner Mutter sagt man, er sei gestorben. Rubens letzte Station 1990 ist ein Altersheim, in dem all die untergebracht werden, die keiner "nützlichen Tätigkeit" mehr nachgehen können. In den Wirren der Perestroika 1990 gelingt es ihm mit Hilfe einer Pflegerin, seiner späteren ersten Frau, zu entkommen.
Autorenporträt
Ruben Gonzalez Gallego, geboren 1968 in Moskau, Studium der Jura und Anglistik. Der Autor lebt mit seiner Familie in Madrid.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.07.2004

Im dritten Stock
Ruben Gonzalez Gallegos großer Roman „Weiß auf Schwarz”
„Unnütz”, „undankbar”, „debil” - das sind die Worte, die der kleine Junge mit der dunklen Haut immer wieder über sich sagen hört. Ruben Gonzalez Gallego, so heißt er, kennt nur sowjetische Kinderheime und Krankenhäuser. Seine Füße sind gelähmt, seine Hände kann er nicht feinmotorisch benutzen, auf den Ellenbogen schafft er kriechend dreihundert Meter in einer halben Stunde. Die Welt, in der Ruben aufwächst, lernt er aus der Perspektive des Fußbodens kennen. „Ungefähr seit ich fünf war, wurde mir gesagt, dass ich sehr schwer bin, weil ich viel esse. ,Er frisst und frisst, und wir müssen ihn tragen. Er hat überhaupt kein Schamgefühl. Die Neger haben sich fortgepflanzt wie die Karnickel, und wir müssen ihn sein Leben lang tragen!‘” Bloß nicht um Hilfe bitten, das ist die Lektion, die Ruben früh lernt.
Die Pflegerinnen in den Heimen haben ihm erzählt, dass er das Kind einer „Negerhure” sei. Seine Mutter, Tochter des Chefs der geheimen spanischen Kommunistischen Partei, brachte ihn 1968 in der Kreml-Klinik als einzigen Zwilling lebend, aber mit Zerebralparese, zur Welt. Nachdem sie über ein Jahr mit ihm in einer Klinik bei Moskau eingeschlossen war, wurde ihr das Kind weggenommen. Später sagte man ihr, es sei gestorben.
Ruben Gonzalez Gallego hat ein verstörendes Buch geschrieben, das er einen „Bericht” nennt. Hier berichtet jemand, der aufgewachsen ist in einer Planwirtschaft des Todes, die für Menschen wie ihn zwar eine Schulbildung vorsieht, sie aber gleich danach ins Altersheim schickt, wo sie nach kurzer Zeit verhungern oder verunglücken. Mit „Weiß auf Schwarz” wollte er „von den Siegern” erzählen, schreibt Gallego im Nachwort. Er selbst, das wird zu Anfang des Buches klar, zählt sich zu den Siegern. Er hat vier Jahre Altenheim überlebt und konnte in den Wirren des Jahres 1990 fliehen, fand schließlich seine Mutter in Prag und lebt heute bei ihr in Madrid.
Doch was ihn wirklich zu einem Sieger macht, ist, dass er sich seine Würde erhalten konnte. Dass er mit seinem berührenden Buch dem Stolz, der Würde und der Kraft der Schwachen einen literarischen Ausdruck verleiht, der Hoffen, Verzweifeln, Ohnmacht und Mut in einfachen Worten bündelt. Das ist auch der gelungenen Übersetzung von Lena Gorelik zu verdanken, die mit der Übertragung aus dem Russischen ihr Debüt vorlegt. Einzig der vereinzelt süddeutsche Sprachgebrauch der in München lebenden Russin und die für Kenner des Russischen merkwürdig anmutenden Formen wie „Pelimeni” statt „Pelmeni” oder „Serjoga” statt „Serjoscha” sind Stolpersteine, die den Stil, aber nicht die Stimmung stören. Doch gelingen ihr schwierige Übertragungen köstlicher Wortspiele, wie sie typisch für Diktaturen sind, denen es ja per se an Ironie mangelt: „Defizit, das ist im Russischen ein feststehender Begriff für Mangelware. (. . .) Die Mitarbeiter des Kinderheims wenden sich oft an Sascha mit der Bitte, ein Defizit aufzutreiben. Meistens lehnt Sascha ab. (. . .) Er weiß einfach, dass seine Mutter nicht in der Lage ist, alle mit Defiziten zu versorgen.”
Viele seiner Figuren beschreibt Gallego als „Sieger”, alle müssen sie kämpfen und greifen dabei zu den ungewöhnlichsten Mitteln. Manchmal besteht so ein Sieg einfach darin, „sich selbst zu töten statt sich (wie später im Altenheim) in den dritten Stock fahren zu lassen”. Der dritte Stock wird zum Sinnbild für das Sterben nach Plan. Gallego beschreibt den täglichen Alptraum in dieser Brave New World nüchtern, vorwurfslos, ja geradezu verständnisvoll. Er ist der Unmenschlichkeit entkommen, aber ein Mensch geblieben. Und er hat uns dieses großartige Buch geschenkt. Er ist ein Held. Er hatte einfach keine andere Wahl.
TOBIAS MÜLLER
RUBEN GONZALEZ GALLEGO: Weiß auf Schwarz. Ein Bericht. Aus dem Russischen von Lena Gorelik. SchirmerGraf Verlag, München 2004. 214 Seiten, 17,80 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.06.2004

Funksprüche aus der Alltagshölle
Höchste Schicksalsladung: Ruben Gonzalez Gallegos Aufzeichnungen aus der Unterwelt russischer Anstalten

Dieses Buch liest seinen Leser. Der Autor, Sproß der Liebe einer spanischen Juniorkommunistin während ihres Moskauer Studiums, wurde ohne die physische Grundausstattung des Normalmenschen, funktionsfähige Arme und Beine, auch ohne Vater und Mutter, auf einen Lebensweg geschickt, der ihn durch die geschlossenen Anstalten Rußlands führte. Die Essenz des Menschlichen, abzüglich der Vermittlung körperlicher Fertigkeiten und westlicher Zivilisationspolster - wer, wenn nicht dieser Mann, sollte ihrem Wesen nahegekommen sein.

Das Bild vom Menschenwurm verliert seine theologischen und literarischen Würden und wird zur bloßen Tatsache. Jedenfalls für denjenigen, der, um nachts zur Toilette zu gelangen, sich aus dem Bett fallen läßt und nackt durch eisige Flure kriecht. Was die versehrte Waise diese und viel härtere Prüfungen überstehen läßt, ist ein Kampfgeist, der menschliche Niedertracht schweigend registrieren, sich an Erlebnissen von Liebe oder Schönheit jedoch vollzusaugen versteht wie ein Kamel, bevor es die nächste Wüste durchquert.

Ein Held sei er, stellt Ruben Gonzalez sich vor, weil ihm keine andere Wahl bleibe. In seiner Lebensprosaernte, die nach ihrer russischen Erstveröffentlichung ihm im vergangenen Jahr den russischen Booker-Preis einbrachte, kristallisiert sich die Welt zu zweiundvierzig Schlüsselepisoden, -figuren, -bildern von höchster Schicksalsladung. Der im Kinderheim Bücher verschlingende Autor begreift nicht, wie gesunde Menschen überhaupt verzagen können. Ein einbeiniger Freund, der einen Winter lang für den Zweikampf mit einem gesunden Nebenbuhler trainiert hat, ist über dessen Willenlosigkeit erschüttert.

Auch jener krampfgelähmte Anstaltsgenosse, der sich nachts zum Schulaufgabenmachen ins Klassenzimmer schleppt, oder der vom Schlag getroffene Straflagerveteran, der mit seinem bleischweren Krückstock die Zwangsverlegung in die Sterbeabteilung abzuwenden vermag, lassen spüren, wie der Kompressionsdruck von Lebenswidrigkeiten Sinne schärfen und Energien mobilisieren kann, während sie unter komfortablen Bedingungen abstumpfen. "Man möchte sich geradezu etwas abschneiden", kommentiert der Moskauer Verleger Alexander Iwanow die Wirkung der Lektüre.

Gonzalez' Buch nimmt mit in eine Normalhölle, aus der kaum jemals literarische Funksprüche an die lesende Öffentlichkeit dringen. Darin werden invalide Waisen, die keine Berufsarbeit leisten können, nach dem Schulabschluß kurzerhand ins Altersheim verfrachtet - was sie in der Regel um wenige Wochen überleben. Wie jener mit achtzehn Jahren zehn Kilo schwere Genka, der soeben noch für eine Schülerin schwierige Mathematikaufgaben löste. Gonzalez hat aus dem Altersheim fliehen können. Seine Aufzeichnungen aus dieser Unterwelt führen vor Augen, daß sich der Mensch auch im hiesigen Überlebenskampf zu furchtbarer Erhabenheit aufraffen kann. Beispielsweise jene Greisin, die andere füttert, um nicht selbst bettlägerig zu werden, oder jener beinlose General, dessen Selbstmord schrecklich und würdevoll ist wie der eines antiken Stoikers.

Die von den Erziehern empfohlene Lebensweisheit besteht in pflichtschuldiger Dankbarkeit, Geduld und der Universalmedizin Wodka. Der gelehrige Spanier beherzigt alle drei. Seinen Lebenstreibstoff jedoch hat er offenbar aus der in Rußland zäh wuchernden Liebe gesogen, deren merkwürdigen Metamorphosen er eindrucksvolle Denkmäler setzt. Etwa jener alten Frau, die als Einbrecherin der Wohltätigkeit über den Anstaltszaun klimmt, um das hilflose Kind mit Pfannkuchen zu füttern. Den göttergleichen Pflegeschwestern, die man aus Kindheits- und Krankheitstagen kennt. Oder aber jenem betrunkenen Soldaten, den der Held an seine verstümmelten Afghanistan-Kameraden erinnert. Es erscheint wie ein Sinnbild für die lebensspendenden Mißverständnisse, zu denen auch die Wortkunst gehört, wenn das trüb flackernde Bewußtsein dieses wilden Mannes in ihm den Bruder erkennt.

Ruben Gonzalez Gallego: "Weiß auf Schwarz". Ein Bericht. Aus dem Russischen übersetzt von Lena Gorelik. Verlag SchirmerGraf, München 2004. 224 S., geb., 17,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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'Weiß auf Schwarz ist mehr als ein schrecklicher Tatsachenbericht: Es ist ein starkes Stück Literatur, in dem ein geborener Autor seine poetische Stimme erhebt.' Le Courrier, Genf - 'Ruben Gonzalez Gallego hat die ausgetretenen Pfade des Erzählens verlassen ... Er schreibt wie im Fieber und ist dabei vollkommen kontrolliert.' Libération

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Als Funksprüche aus einer Normalhölle, von wo aus "kaum jemals literarische Funksprüche an die lesende Öffentlichkeit dringen", empfindet Rezensentin Kerstin Holm diese Aufzeichnungen, die ihr außerdem vor Augen geführt haben, "dass sich der Mensch auch im hiesigen Überlebenskampf" zu furchtbarer Erhabenheit aufraffen kann. Autor dieser Aufzeichnungen über einen Lebensweg, der durch Russlands geschlossene Anstalten führte, ist den Informationen der Rezensentin zufolge Ruben Gonzalez Gallego, ein "Spross der Liebe einer spanischen Juniorkommunistin während ihres Moskauer Studiums", der ohne funktionstüchtige Arme und Beine und auch ohne Vater und Mutter extremen Lebensprüfungen ausgesetzt wird. Die russische Erstveröffentlichung seiner "Lebensprosaernte" hat ihm im vergangenen Jahr den russischen Brooker-Preis eingebracht, teilt die Rezensentin mit, die im Wesentlichen offen lässt, was sie selber von diesen "zweiundvierzig Schlüsselepisoden" von höchster Schicksalsladung hält.

© Perlentaucher Medien GmbH"