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Carl von Clausewitz bestimmt den Krieg als Zweikampf. Bernd Hüppaufs Grundlegung einer Kulturgeschichte des Kriegs widerspricht: Es gibt keinen Krieg ohne Diskurs. Der Blick auf den Kriegsdiskurs von seinen Anfängen in Mesopotamien bis zu den intelligenten Waffen in Cyberwar und Drohnenkrieg zeigt, dass Krieg aus militärischem Kampf und kulturellem Diskurs besteht.Militärgeschichte fetischisiert die Fakten, die Kulturgeschichte des Kriegs dagegen baut sie in ein Netz aus Bedeutungen ein. Erst so geraten Begeisterung, Angst, Grausamkeit und Grauen als Elemente des Kriegs in den Blick. Und erst…mehr

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Produktbeschreibung
Carl von Clausewitz bestimmt den Krieg als Zweikampf. Bernd Hüppaufs Grundlegung einer Kulturgeschichte des Kriegs widerspricht: Es gibt keinen Krieg ohne Diskurs. Der Blick auf den Kriegsdiskurs von seinen Anfängen in Mesopotamien bis zu den intelligenten Waffen in Cyberwar und Drohnenkrieg zeigt, dass Krieg aus militärischem Kampf und kulturellem Diskurs besteht.Militärgeschichte fetischisiert die Fakten, die Kulturgeschichte des Kriegs dagegen baut sie in ein Netz aus Bedeutungen ein. Erst so geraten Begeisterung, Angst, Grausamkeit und Grauen als Elemente des Kriegs in den Blick. Und erst so wird das Netz aus Symbolen, Handlungen und Bedeutungen beschreibbar, aus denen jede Erinnerung die Wirklichkeit des Kriegs konstruiert. Es ist der Blick auf Erlebnis, Ethik, Subjektivität und Identität, der die Kontinuität von Krieg über 3000 Jahre Kriegsgeschichte bis in die Gegenwart erweist. Daraus ergibt sich nicht weniger als das Erfordernis einer zu schreibenden Gefühlsmoral um die Frage: Dürfen Soldaten überhaupt töten?
Autorenporträt
Hüppauf, BerndBernd Hüppauf (Prof. Dr.) ist Emeritus für Deutsche Literatur und Literaturtheorie der New York University. Er hat an Universitäten in Deutschland, Australien und den USA gelehrt. Sein Forschungsschwerpunkt ist die Mentalitäts- und Kulturgeschichte der Moderne. Er lebt seit seiner Emeritierung in Berlin.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Die Frage, was Krieg sei, findet Karl-Heinz Kohl bei Bernd Hüppauf nicht restlos überzeugend beantwortet. Die Thesen des Autors, wonach die Vorstellung vom Krieg jedenfalls zeithistorisch gebunden sei, etwa an die Bilder vom Krieg, und die Geschichte des Krieges erst vor rund dreitausend Jahren einsetzte, möchte Kohl jedenfalls so nicht stehenlassen. Kriegerische Auseinandersetzungen kann er sich schon unter Jägern und Sammlern vorstellen -  natürlich nur aufgrund entsprechender Höhlenmalereien.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.11.2013

Auch im Cyberwar werden Körper getroffen
Von den antiken Stadtstaaten des Nahen Ostens bis zur Drohnentechnik der Gegenwart: Bernd Hüppauf schreibt eine weit ausgreifende Kulturgeschichte des Krieges

Eine prähistorische Höhlenmalerei im Matobo-Nationalpark von Zimbabwe zeigt eine Gruppe von zehn Männern, die sich gegenseitig mit Pfeil und Bogen bekämpfen. Einige von ihnen liegen bereits tot am Boden, andere werden gerade von ihren Gegnern niedergestreckt. Als Forscher des Frobenius-Instituts dieses Felsbild 1928 entdeckten, zweifelten sie nicht daran, die Darstellung eines Kriegs vor sich zu haben. Weshalb waren sie sich darin so sicher? Gab es tatsächlich auch schon im Paläolithikum Kriege, oder projizierten sie in die frühe Menschheitsgeschichte nur, was Europa ein Jahrzehnt zuvor zutiefst erschüttert hatte? Was ist Krieg eigentlich? Was unterscheidet ihn von Mord und Totschlag?

Dem Literaturwissenschaftler Bernd Hüppauf zufolge wäre es verfehlt, wollte man im Krieg nur eine Abfolge von gewaltsamen Handlungen sehen, die auf die Unterwerfung des Gegners zielen. Vielmehr stelle er ein komplexes Phänomen aus Erzählungen und Imaginationen, aus Propaganda, Polemiken und Bildern dar. Erst seine Einbettung in den gesellschaftlichen Diskurs verleihe ihm die Bedeutungen, aus denen er seine gemeinschaftsbildende und identitätsstiftende Wirkung bezieht. Einer Kulturgeschichte des Krieges könne es daher nicht um die Realität des Kriegs, sondern um die Vorstellungen, die Menschen sich von ihm machen, gehen. Oft sind es auch erst diese Vorstellungen, durch die einzelne Vorfälle in den Rang verursachender historischer Ereignisse erhoben werden. Hüppauf zeigt dies am Prager Fenstersturz, der zunächst nur eine skurrile Episode war, der dann aber in einen umfassenden Kriegsdiskurs eingebunden und zum Auslöser des Dreißigjährigen Kriegs erklärt wurde.

Einzelne Ereignisse tragen ihre Bedeutung also nicht schon in sich. Wird sie ihnen erst post festum zugeschrieben, so kann sie ihnen später auch wieder abgesprochen werden. Viel hängt dabei von der Erinnerung ab. Denn mit ihr, die sich im kulturellen Gedächtnis immer wieder von neuem formiert, ändert sich auch der Charakter eines Ereignisses selbst.

Nun könnte man dem entgegenhalten, dass sich nur wenige Ereignisse ähnlich intensiv in das Gedächtnis einprägen wie die mit Entbehrungen, Schmerzen und Todesangst verbundenen des Kriegs. Wie wir sie verarbeiten, bleibt gleichwohl kulturell kodiert. Es hängt von den jeweiligen gesellschaftlichen Normen ebenso ab wie von den technologischen Möglichkeiten, über die jede historische Epoche verfügt. Die aber haben seit dem Beginn der Moderne nicht nur zur Produktion von immer effektiveren Kriegswaffen geführt, sondern auch der Manipulation des kollektiven Gedächtnisses Tor und Tür geöffnet.

Fotografie und Film eigneten sich zu diesem Zweck gerade deshalb so gut, weil sie ein so hohes Maß an Authentizität versprachen. Aus der Kriegsberichterstattung waren sie bald nicht mehr wegzudenken. Fotografen suchten den Wirklichkeitsanspruch ihrer Aufnahmen noch dadurch zu verstärken, dass sie durch die gewählten Perspektiven und Einstellungen Unmittelbarkeit suggerierten. Tatsächlich aber waren einige der berühmtesten Kriegsfotografien des zwanzigsten Jahrhunderts gestellt: Das trifft auch auf Robert Capas bekanntes Bild eines im Lauf von einer Kugel getroffenen Milizionärs zu, das bis heute als eine der großen Ikonen des Spanischen Bürgerkriegs gilt.

Steht in dieser Tradition möglicherweise auch die Ästhetik der unprofessionell wirkenden und verwackelten Handybilder aus den Ländern der "Arabellion", die bei uns allabendlich über den Bildschirm flackern? Zur Verbreitung von Kollektivängsten und Feindbildern trugen die Medien nicht wenig bei.

Schon kurz nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs kam es in vielen Ländern zu hysterischen Verfolgungen angeblicher Spione, für die selbst noch im fernen Australien Unschuldige ihr Leben lassen mussten. Die Grausamkeiten, die deutsche Soldaten bei der Okkupation Belgiens verrichtet haben sollen, führten zur Verfestigung des Hunnenbildes, das Kaiser Wilhelm II. durch seine Bremerhavener Rede von 1900 bereits selbst in medienwirksamer Form in die Welt gesetzt hatte. Im kulturellen Gedächtnis der Mitglieder der Entente überlebte es auch noch den Zweiten Weltkrieg, während in Deutschland das auf die britische Weltmacht gemünzte Bild vom "perfiden Albion" nach 1945 schnell in Vergessenheit geriet.

Hüppaufs These scheint freilich auch selbst zeithistorisch gebunden. Sie spiegelt die zentrale Rolle wider, die visuelle Medien in der modernen Kriegsberichterstattung spielen. Erst die Bilder in Presse, Fernsehen und Internet verleihen Kriegen heute ihre Wirklichkeit. Was besagt das aber über die Vergangenheit? Dürfen wir tatsächlich nur die gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Gruppen als Krieg bezeichnen, von denen uns bis heute Bilder und Vorstellungen erhalten geblieben sind?

Hüppauf vertritt in der Tat die Auffassung, dass die Geschichte des Krieges erst vor rund dreitausend Jahren in den Stadtstaaten des Nahen Ostens begonnen habe und in Zusammenhang mit dem in dieser Region einsetzenden Urbanisierungsprozess gesehen werden müsse. Richtig ist sicher, dass die ersten auf den Krieg bezogenen Inschriften und Tontafeln aus dieser Zeit stammen. Kriege aber - auch in dem Sinn der von ihm entwickelten diskursanalytischen Kategorie - hat es gewiss schon früher gegeben. Von Jäger-und-Sammler-Gesellschaften weiß man, dass territoriale Besitzansprüche auch ihnen durchaus geläufig sind und mit Waffengewalt verteidigt werden.

Hirtennomadische Völker weisen eine noch entschieden höhere Kriegsbereitschaft auf. Sind den Hunnen und Mongolen nicht die größten Reiche der Weltgeschichte zum Opfer gefallen? Da es sich dabei um Gesellschaften ohne eigene Schrifttradition handelte, wissen wir nur wenig über die Motive, Vorstellungen und Bilder, die sie mit ihren Kriegen verbanden. Fragmente der frühen Kriegsdiskurse haben sich jedoch erhalten; zu ihnen zählt etwa auch die biblische Rede vom Gelobten Land.

Wie aber steht es um die Zukunft des Krieges? Klassische zwischenstaatliche Kriege sind seit Ende des zwanzigsten Jahrhunderts selten geworden. Dafür nehmen die ethnisch und religiös motivierten Bürgerkriege zu. In Form von terroristischen Anschlägen strahlen sie heute auch auf andere Staaten aus. Gegen diese Bedrohung haben die westlichen Industrienationen mit der Drohnentechnik ein Kampfmittel entwickelt, das es ihnen erlaubt, Kriege weitgehend im Geheimen zu führen. Ähnliche Entwicklungen lassen sich im Bereich des Cyberwar beobachten. Ist der Krieg nach einer jahrtausendealten Geschichte also zu seinem Ende gekommen?

Die Antwort des Autors ist wenig optimistisch. Bisher habe noch keine neue Kampfwaffe zu einer Humanisierung des Kriegs beigetragen. Möglicherweise werde der Einsatz von Drohnen nur zu einer Rückkehr regelloser Gewaltpraxen führen und eine weitere Eskalation terroristischer Anschläge zur Folge haben. Wird das ethische Regelwerk, das sich die Staaten nach den großen Katastrophen des zwanzigsten Jahrhunderts gaben, diesem doppelten Druck standhalten? Es bleibt nur zu hoffen, dass man sich nicht bald nach einer Zeit zurücksehnen wird, in der Kriege noch offen geführt und von einer demokratischen Öffentlichkeit kontrolliert wurden.

KARL-HEINZ KOHL

Bernd Hüppauf: "Was ist Krieg?" Zur Grundlegung einer Kulturgeschichte des Kriegs.

transcript Verlag, Bielefeld 2013, 562 S., Abb., br., 29,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Zweifelsfrei eine substantielle Erweiterung der einschlägigen Forschung und mit dem Potential zum Standardwerk.« Jonas Nesselhauf, www.literaturkritik.de, 7 (2014) »Ein relativ unkonventioneller Zugang zum Thema, der neue Perspektiven aufzeigt.« Oliver Neumann, www.lehrerbibliothek.de, 12 (2013) »Dieses Buch liefert [...] eine umfangreiche und fundierte theoretische Begründung für einen kulturgeschichtlichen Umgang mit dem Phänomen Krieg.« Andreas Wiedermann, www.media-mania.de, 04.11.2013 O-Ton: »Eine beeindruckende Ausnahme« - Gert Scobels persönlicher Buchtipp auf 3sat am 23.10.2013. Besprochen in: Wiener Zeitung, 26.11.2013 Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19.11.2013, Karl-Heinz Kohl Andreas Wiedermann, www.media-mania.de, 04.11.2013 Erwachsenenbildung, 4 (2013) Deutschlandradio Kultur, 01.01.2014, Dietmar Süß SWR2 Forum Buch, 12.01.2014, Friedrich Pohlmann zeitzeichen, 2 (2014), Martin Zähringer Damals, 3 (2014) Portal für Politikwissenschaft, 20.03.2014, Christian Patz KL/WL, 20 (2014) Friedhof und Denkmal, 4 (2014), Stefanie Hamann Historische Zeitschrift, 299/3 (2014), Dieter Langewiesche geschichte für heute, 2 (2015), Hartmann Wunderer