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Die gebürtige Pragerin Libuse Monikova, die seit 1971 in der Bundesrepublik lebt, erzählt die Geschichte der Leonora Marty. Leonora kehrt nach zwanzigjähriger Abwesenheit in die Stadt ihrer Kindheit, nach Prag, zurück, um als Leiterin eines bekannten Ballettensembles eine Gastvorstellung zu geben. Auf einem Streifzug durch die Stadt werden Erinnerungen wach. Sie erlebt Trostlosigkeit, fühlt Mitleid und Ekel. Ein Deutscher, dessen Familie das Land 1945 verlassen musste, rüttelt sie aus ihrer Starre auf. Er bringt sie schließlich dazu, am Ort ihres Ursprungs so etwas wie Freude zu empfinden.

Produktbeschreibung
Die gebürtige Pragerin Libuse Monikova, die seit 1971 in der Bundesrepublik lebt, erzählt die Geschichte der Leonora Marty. Leonora kehrt nach zwanzigjähriger Abwesenheit in die Stadt ihrer Kindheit, nach Prag, zurück, um als Leiterin eines bekannten Ballettensembles eine Gastvorstellung zu geben. Auf einem Streifzug durch die Stadt werden Erinnerungen wach. Sie erlebt Trostlosigkeit, fühlt Mitleid und Ekel. Ein Deutscher, dessen Familie das Land 1945 verlassen musste, rüttelt sie aus ihrer Starre auf. Er bringt sie schließlich dazu, am Ort ihres Ursprungs so etwas wie Freude zu empfinden.
Autorenporträt
Libuše Moníková, geobren 1945 in Prag, studierte Anglistik und Germanistik. 1971 kam sie nach Deutschland und lebte ab 1982 als freie Schriftstellerin in Berlin. 1998 ist sie in Berlin gestorben.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.11.1996

Es wirft ihn aus Liebe in die Moldau
Libuse Moníkovás Prag Von Burkhard Scherer

Von einer global arbeitenden Artistin sollte man eigentlich annehmen, daß sie Routine hat im Umgang mit Menschen und Orten. Von Leonora Marty, "künstlerischer Leiterin eines internationalen Tanzensembles", kann man das definitiv verneinen. "Nach den meisten Menschen muß ich mir die Hand sofort waschen", teilt sie mit, was ja nicht gerade auf ein entspanntes Verhältnis zum Rest der Humanpopulation schließen läßt. Da verwundert es nicht, wenn sie schreibt: "Ich will die Stadt für mich allein haben." Die Stadt ist Prag, Prag im Dezember 1992, und Prag ist die Stadt, die Leonora Marty - wie auch Libuse Moníková - 1971 verlassen hat. Daß die Autorin von "Verklärte Nacht" und das erzählende Ich, das sich Leonora Marty nennen läßt, eine recht enge Beziehung zueinander haben, kann man wohl getrost annehmen.

Das Problem mit Prag ist, daß die Stadt für einen allein nicht zu haben ist. Die anderen sind schon da und wollen nicht gehen oder weichen, die ausländischen Schurken nicht und auch nicht die Touristen, "vor allem die Ostdeutschen, die jetzt mit ihrer Westwährung größenwahnsinnig geworden sind und denken, sie können sich hier alles erlauben". Und die Dingwelt kann da auch nicht versöhnen, eher eklig sind Leonora jene Neubausiedlungen, die es bis zu ihrem Weggang nicht gab, und die Innenstadt sieht sie jetzt überschwemmt von einer Plastikflut. "Eine Klondike-Mentalität greift um sich, die Passagen im Zentrum, wo früher Kinos waren, sind voll von eingeschlepptem Plunder". Das könnte den Eindruck vermitteln, an Leonoras dünner Haut schabten jetzt vor allem nichttschechische Faktoren, aber auch das autochthone Milieu erscheint eher lästig: Kontakt zu Nachbarn wird vermieden, und aus der Zeit vor ihrem Exil erinnert sie sich an die ästhetisch bedenkliche Erscheinung der Bindegewebsschwäche ihrer Landsleute, bei den Frauen arbeitsbedingt, bei den Männern Resultat des beherzten Verzehrs eines beliebten alkoholhaltigen Kaltgetränks.

Anders gesagt: Prag revisited, der Versuch, dort anzuknüpfen, wo man vor einundzwanzig Jahren abbrach, das ist eine trübe Angelegenheit. Und wäre es wohl auch bis zum Ende geblieben, hätte auf Seite neunzig nicht ein Mann Leonora im Theater angesprochen und wäre dann gut zwei Wochen nicht von ihrer Seite gewichen. Bis zum letzten Absatz des Buches nicht, und da ganz besonders wenig. Bis dahin muß er sich aber erst achtundfünfzig Seiten lang als Gutmensch der S-Klasse beweisen. Zum Glück ist Thomas Asperger kultiviert, vielsprachig, diskret, praktisch, zwar Deutscher, aber "für einen Deutschen ist er ziemlich witzig". Der Witz geht so weit, daß der Mann im kältesten Winter auf einem Brückengeländer Kunststückchen machen muß, was erst ihm ein Bad in der Moldau einbringt, gleich darauf der nach ihm suchenden Leonora, und dieser dann eine Lungenentzündung, die all die positiven Seiten in ihm herausfordert. Seine menschlich-pflegerische Glanzleistung allein hätte allerdings auch nicht ausgereicht, ihn im Umfeld Leonoras zu einer geduldeten Figur zu machen, ein elektrischer Schlag bei seiner Verabschiedung aber führt erst zu einem Wechsel der Anredeform und dann ins Bett. Durch Liebe erlöst. Verklärte Nacht.

Was anhebt als anschwellender Bocksgesang - die weibliche Form wird hier absichtlich nicht benutzt! -, mündet abrupt in eine mühselig-unplausible Liebesgeschichte, wobei auch die Anklage gegen die Verhältnisse nicht frei ist von Klischees bis zu sprachlichen Schnitzern ("Das angeborene Mißtrauen der Bevölkerung zur Polizei"). Das Leben unter und Unterleben der kommunistischen Repression war Lebens- und literarisches Thema von Autoren und Autorinnen von Milosz bis Moníková, und ihre Analysen in der Regel erkenntnisfördernder als die der Gesellschaftswissenschaften. Man sollte meinen, dies gelte auch für den Blick auf die Übergangsgesellschaften. Aber das ist hier verschenkt worden. Libuse Moníková hat schöne Bücher geschrieben. Dieses gehört nicht dazu.

Libuse Moníková: "Verklärte Nacht". Carl Hanser Verlag, München und Wien 1996. 148 S., geb., 29,80 DM.

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