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Die Untersuchung beginnt mit ethnografischen Erkundungen einer Kunsthochschule. Unter diesem Blickwinkel sind die 96 % derer, die freie Kunst studieren, ohne je von ihrem Metier leben zu können, genauso interessant wie die Stars des Kunstbetriebs. Fritz Kramer übergeht Kleingruppen, Trinkrunden, Seilschaften, Neid, Eifersucht, Intrigen, weil sie in allen Institutionen gang und gäbe sind. Stattdessen fragt er, wie Künstler ein sie irrtierendes Terrain erkunden und ihm ein Bild geben, als Maler aus Asien oder Afrika im Alltag einer deutschen Großstadt oder als Deutsche in fernen Ländern und…mehr

Produktbeschreibung
Die Untersuchung beginnt mit ethnografischen Erkundungen einer Kunsthochschule. Unter diesem Blickwinkel sind die 96 % derer, die freie Kunst studieren, ohne je von ihrem Metier leben zu können, genauso interessant wie die Stars des Kunstbetriebs. Fritz Kramer übergeht Kleingruppen, Trinkrunden, Seilschaften, Neid, Eifersucht, Intrigen, weil sie in allen Institutionen gang und gäbe sind. Stattdessen fragt er, wie Künstler ein sie irrtierendes Terrain erkunden und ihm ein Bild geben, als Maler aus Asien oder Afrika im Alltag einer deutschen Großstadt oder als Deutsche in fernen Ländern und nahen Heterotopien. Ihre Kunst zeigt, dass sie dabei je eigene Wege einschlagen, aber alle mit unbekannten Sinngebungen konfrontiert sind. Ihr Blick enthierarchisiert sich und das ihnen Vertraute spielt in das Unvertraute hinein, überlagert und verfremdet es. Die Auswahl der vorgestellten Kunstwerke ergibt sich dabei allein aus der leitenden Frage nach Bildern von Künstlern und Künstlerinnen, die wie in der Ethnografie eine kulturelle Grenze überschreiten.
Autorenporträt
Fritz W. Kramer *1941, unterrichtete Ethnologie an der Freien Universität Berlin, war freiberuflicher Publizist und Lehrer im Theoriebereich der Hochschule für bildende Künste Hamburg. Ethnographische Recherchen bei den Huli des Wagatals im Hochland von Neuguinea, in Jejuri, Indien, am Tanafluß, Kenia; lebte als teilhabender Beobachter in den südlichen Nubabergen, Sudan, und unter Künstlern in Hamburg, jeweils mit Blick auf die Ästhetik performativer Künste. Hat das Recht, im heiligen Hain von Daaduruumi, Jebel Korongo, Südkordofan, Sudan, bestattet zu werden, lebt in Berlin und verfolgt die Debatten über Kunst und Corona aus der Tiefe des Ruhestands.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.05.2021

Hamburger Labyrinthe

Ende der 1980er Jahre hatte es den Ethnologen Fritz Kramer nach längerem Feldforschungsaufenthalt in Ostafrika - "zufällig", wie er schreibt - auf eine Professur an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg verschlagen. Kaum dort angekommen und noch den Schock der Rückkehr aus einer vom Krieg erschütterten agrarischen Gesellschaft ins bürgerliche Hamburg verdauend, beginnt er, in den Werken seiner Studierenden nach Spuren kultureller Grenzüberschreitungen zu suchen. Die Ergebnisse dieser Betrachtungen sind in ein kleines Buch eingeflossen.

Insgesamt neun Künstlerinnen und Künstler stellt Kramer vor. Die Auswahl ist vor allem dem Kriterium der kulturellen Transgression geschuldet (vier der Maler sind in Ostasien aufgewachsen, einer hat lange in Tansania gelebt). Die Perspektive wird dabei im Verlauf des Bandes zunehmend fokussierter: von der großen synoptischen Geste des ersten Kapitels über eine Rekapitulation der Tradition von Künstlern als Ethnographen im zweiten zu den Beschreibungen der im Anhang aufgenommenen Bildtafeln.

Firmieren die Protagonisten anfangs noch unter dem generischen Epitheton "werdende Künstler", über die der ethnographische Berichterstatter generalisierende Aussagen trifft, wird der Text mit zunehmendem Verlauf persönlicher - bis hin zu den Einzelbetrachtungen im letzten Kapitel.

Hier wechseln Passagen der Beschreibung mit zaghaften Deutungsversuchen und eröffnen dem Leser Perspektiven auf Gemälde und Zeichnungen, die in sonderbarer Spannung zum Gewohnten zu stehen scheinen, häufig jedoch ohne dass man den Ursprung dieser Verstörung gleich benennen könnte. Kramers spielerische Übersetzungen erweisen sich da als Ariadnefaden durch das Labyrinth kultureller Grenzüberschreitungen. Man klappt den Band womöglich nicht klüger zu, auf jeden Fall aber beseelt und mit großem Hunger auf Gemälde in Originalgröße.

THOMAS REINHARDT

Fritz W. Kramer: "Unter Künstlern". Erkundungen im Lerchenfeld. Textem Campo, Hamburg 2020. 152 S., br., 16,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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