Roland Barthes war 60 Jahre alt, als er beim Betrachten alter Fotos seine Gedanken notierte und 'Über mich selbst' [Roland Barthes par Roland Barthes] veröffentlichte: ebenso originelle wie anregende Reflexionen über sein Leben. »All dies muss als etwas betrachtet werden, was von einer Romanfigur gesagt wird«, beginnt Barthes und stellt klar, dass es sich bei 'Über mich selbst' um eine fiktive Autobiographie handelt - um ein »Neu-Schreiben« mit dem Barthes »den Büchern, Themen, Erinnerungen, Texten eine andere Art des Aussagens hinzufügen« will. Die bewusst fragmentarischen literarisch-fiktiven Metamorphosen der eigenen Person werden dabei an dielustvolle körperliche Erfahrung des Schreibaktes zurückgeführt. Erst im Schreiben entwirft sich Roland Barthes als Subjekt und setzt sich aus den autobiographischen Splittern und Fragmenten zusammen.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 06.08.2019NEUE TASCHENBÜCHER
Antibiografisch,
autobiografisch
Bereits der Titel des 1975 erschienenen Werkes führt den unbedarften Leser an der Nase herum: Eine Echtheit vorheuchelnde Autobiografie von eben jenem Autor, der einst mit seinem Aufsatz „Der Tod des Autors“ gegen die genialische Überhöhung des Subjekts anschrieb? Roland Barthes ist davon natürlich weit entfernt, nicht nur weil er vorwiegend in der dritten Person Singular schreibt. Sein einleitender, programmatischer Satz stünde noch heute, inmitten der Renaissance der Biografiebesoffenheit, so manchem Authentizitätsschinken gut zu Gesicht: „All dies muss als etwas betrachtet werden, was von einer Romanperson gesagt wird.“
Barthes zersplittert sich selbst als vielfältig existierendes und erkennendes Subjekt und ist so aktueller denn je. Er umkreist biografische Schnipsel, Begriffe und Einflüsse, er kommentiert sein eigenes Schaffen. Wie in anderen Hauptwerken geschieht dies in kurzen Fragmenten, die mit der Linearität der Erzählung brechen. Die multiperspektivische Kombination der Einzelteile wird zur Aufgabe des wachen Lesers, der so den Inspirationsfuror von „R.B.“ fortschreiben und Pfade eines mannigfaltigen Werkes freilegen kann. VOLKER BERNHARD
Roland Barthes: Über mich selbst. Aus dem Französischen von Jürgen Hoch. Matthes & Seitz, Berlin 2019. 272 Seiten, 12 Euro.
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Antibiografisch,
autobiografisch
Bereits der Titel des 1975 erschienenen Werkes führt den unbedarften Leser an der Nase herum: Eine Echtheit vorheuchelnde Autobiografie von eben jenem Autor, der einst mit seinem Aufsatz „Der Tod des Autors“ gegen die genialische Überhöhung des Subjekts anschrieb? Roland Barthes ist davon natürlich weit entfernt, nicht nur weil er vorwiegend in der dritten Person Singular schreibt. Sein einleitender, programmatischer Satz stünde noch heute, inmitten der Renaissance der Biografiebesoffenheit, so manchem Authentizitätsschinken gut zu Gesicht: „All dies muss als etwas betrachtet werden, was von einer Romanperson gesagt wird.“
Barthes zersplittert sich selbst als vielfältig existierendes und erkennendes Subjekt und ist so aktueller denn je. Er umkreist biografische Schnipsel, Begriffe und Einflüsse, er kommentiert sein eigenes Schaffen. Wie in anderen Hauptwerken geschieht dies in kurzen Fragmenten, die mit der Linearität der Erzählung brechen. Die multiperspektivische Kombination der Einzelteile wird zur Aufgabe des wachen Lesers, der so den Inspirationsfuror von „R.B.“ fortschreiben und Pfade eines mannigfaltigen Werkes freilegen kann. VOLKER BERNHARD
Roland Barthes: Über mich selbst. Aus dem Französischen von Jürgen Hoch. Matthes & Seitz, Berlin 2019. 272 Seiten, 12 Euro.
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