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Das Tagebuch eines der wichtigsten Kunstvermittler der Jahrhundertwende.Julius Meier-Graefe (1867-1935) gilt als der einflussreichste aber auch umstrittenste Kunsthistoriker und Kunstwissenschaftler des beginnenden 20. Jahrhunderts in Deutschland und weit über die Grenzen hinaus. Der Umfang seiner Interessen, seiner Bekanntschaften und Verbindungen machen Meier-Graefe zu einer Zentralfigur des kulturellen Lebens seiner Zeit. 1995 wurden seine tagebuchartigen Aufzeichnungen aus den Jahren 1903 bis 1917 entdeckt: ein Journal sui generis, authentisch durch und durch, ohne Gedanken an die Nachwelt…mehr

Produktbeschreibung
Das Tagebuch eines der wichtigsten Kunstvermittler der Jahrhundertwende.Julius Meier-Graefe (1867-1935) gilt als der einflussreichste aber auch umstrittenste Kunsthistoriker und Kunstwissenschaftler des beginnenden 20. Jahrhunderts in Deutschland und weit über die Grenzen hinaus. Der Umfang seiner Interessen, seiner Bekanntschaften und Verbindungen machen Meier-Graefe zu einer Zentralfigur des kulturellen Lebens seiner Zeit. 1995 wurden seine tagebuchartigen Aufzeichnungen aus den Jahren 1903 bis 1917 entdeckt: ein Journal sui generis, authentisch durch und durch, ohne Gedanken an die Nachwelt verfasst. Zusammen mit Aufzeichnungen seiner Amerikareise von 1928 und weiteren bisher unveröffentlichten Dokumenten werden die Texte in dieser sorgfältig kommentierten Edition erstmals publiziert. Das Journal spiegelt - zumeist in stichwortartigen Aufzeichnungen zu Theaterbesuchen und Lektüren, aber auch in ausführlicheren Beschreibungen von Begegnungen und Reisen sowie Briefentwürfen - den Alltag eines vielseitig interessierten Intellektuellen und Kunstsammlers wider. Wir erleben Meier-Graefe als unbestechlichen, uneitlen Menschen mit einem wachen Interesse für das Zeitgeschehen und einer nie nachlassenden Leidenschaft für die Kunst.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Autorenporträt
Julius Meier-Graefe (1867-1935), Spross einer oberschlesischen Industriellenfamilie, entwickelte sich vom schreibenden Bohemien im Berlin der 1890er Jahre zum wichtigsten Vermittler im pressionistischer Kunst in Deutschland.

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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.04.2010

Im Schlafwagen durch die Moderne

Wenn das Wissenschaftliche im Kunstbetrieb wieder nach der Zufuhr von Literarischem verlangt, ist Julius Meier-Graefe der Mann der Stunde. In seinen Tagebüchern ist jetzt ein Wegbereiter der modernen Kunst und ein deutscher Weltbürger wiederzuentdecken.

Der Name hat einen vertrauten Klang, und dass Julius Meier-Graefe einer der großen Wegbereiter der modernen Kunst in Deutschland war, wird noch gewusst. Aber schon die Tatsache, dass er ein Konservativer war, der die Moderne, die wir heute die "klassische" nennen, nicht zu ihrer Zukunft öffnen, sondern mit ihrer Vergangenheit verschweißen wollte, ist weniger bekannt.

Als er seine "Entwicklungsgeschichte der modernen Kunst" schreibt, interessiert ihn weniger, was sie noch aus sich herauszusetzen verspricht als ihre Wurzeln im neunzehnten Jahrhundert. Zum Aufbruch des Expressionismus fiel ihm nichts ein. Von den Jüngeren interessierte ihn einzig Beckmann. Dass Hans von Marées einer seiner absoluten Favoriten blieb, für den er in München ein eigenes Museum schaffen wollte, ist dafür bezeichnend.

Meier-Graefe suchte auch in der weiter zurückliegenden Vergangenheit nach Stützen für sein künstlerisches Weltbild, das er aus der unmittelbaren Gegenwart genommen hatte. So kann er für sich die Entdeckung El Grecos als eines Modernen in Anspruch nehmen. Der spanische Maler wurde da zu einem Zeitgenossen des Jugendstils, von Munch und van Gogh. Über Munch veröffentlichte Meier-Graefe 1895 seinen ersten kunstkritischen Essay, der der literarischen Darstellung den Vorzug vor der wissenschaftlichen gab, misstrauisch gegen eine Kunstgeschichte, die den affektiven Zugang zu den Werken verwehrte. Und doch hielt er sich lebenslang in der Spannung zur Kunstgeschichte, stand mit ihren großen Vertretern, wie Wilhelm von Bode, in einer Dauerfehde.

Vergessen ist auch, dass Meier-Graefe der eigentliche Initiator für den Plan der 1906 in Berlin verwirklichten Jahrhundertausstellung war, weil er sich als Modernist und Franzosenfreund von der Realisierung fernzuhalten hatte. Aber seine künstlerischen Vorlieben konnte er immerhin auch an den deutschen Malern des neunzehnten Jahrhunderts geltend machen: Die Entdeckung Caspar David Friedrichs, Runges, Blechens und des verborgenen Frühwerks Menzels war nicht zuletzt das Verdienst Meier-Graefes. Aber seine Hauptleidenschaft war die zeitgenössische Kunst Frankreichs. Auch wenn er Künstlerfreundschaften nicht suchte, war er mit vielen der großen Maler in Berührung gekommen: mit Lautrec, mit Renoir und Seurat, mit Beardsley und Whistler.

Der literatenhafte Gestus, den Meier-Graefe pflegte, auch um die Distanz zur Wissenschaft genau zu bezeichnen, dürfte seinem Nachleben zunächst am wenigsten zugutegekommen sein, denn die emotionalen Anteile altern schneller als die wissenschaftlichen. Heute aber kann man beobachten, dass dieser Vorgang sich auch umkehren kann, wenn die wissenschaftliche Haltung selbst nach einer Zufuhr an Literarischem verlangt. Das ist Meier-Graefes Chance, wiederentdeckt zu werden.

Eine einzigartige Autorität besaß Meier-Graefe, weil er, die Gründung der Zeitschrift "Pan" schon hinter sich, für zehn Jahre nach Paris gegangen war, um die moderne Kunst auf ihrem primären Schauplatz zu beobachten. Seinem schriftstellerischen Temperament kam der Essay über einzelne Künstler am meisten entgegen, sogar einen "Vincent" betitelten Künstlerroman hat er geschrieben. Doch es ist wohl dem hohen Tempo der modernen Bewegung zuzuschreiben, dass nicht nur die künstlerischen Affinitäten, sondern auch deren Darstellung trotz ihres modernen Zuschnitts bald überholt waren. Trotz ihrer zwingend gegenwärtigen Sprache blieben sie in die Kunstwelt des ausgehenden neunzehnten Jahrhunderts gebannt. Er konnte noch vom "unverlierbaren Glanz des Schönen" sprechen oder von der Kunst als "Trost". So erklärt sich sein Schicksal, von Bekanntheit wie Unbekanntheit zugleich.

Insofern ist es verdienstlich, dass jetzt der Ausgabe von Meier-Graefes Briefen ein Band mit Tagebüchern folgt. Es sind vor allem die Jahre im wilhelminischen Deutschland, nach Meier-Graefes Rückkehr aus Frankreich, die in diesem Tagebuch ihren Niederschlag finden. Hier fällt der bittere Satz: "Wir empfinden auf Schritt und Tritt den Mangel des Berliner Deutschlands an politischem Instinkt und an generösen Regungen." Politischer Instinkt und generöse Regungen: Da lag der Tschudi-Streit schon hinter Meier-Graefe, den er von Anfang an aufmerksam verfolgte, ein weiterer Grund, nicht in Berlin Fuß zu fassen.

Meier-Graefe - das ist die andere Seite der wilhelminischen Zeit - gehörte einer kosmopolitischen Teilgesellschaft an, die in ganz Europa zu Hause war und sich anschickte, nach Amerika überzugreifen (1928 reist Meier-Graefe in die Vereinigten Staaten, wo er die Galerie- und Museumsszene, die sein Lebenselement ist, in einer frischeren, intensiveren Variante antrifft.)

Was Meier-Graefe in seinem Tagebuch exemplarisch vorführt, ist der moderne Künstlerkult, bei dem es nicht mehr nur um die Feier einzelner Großer geht, wie Michelangelo oder Rembrandt, sondern um überraschende Figuren aus der zweiten Reihe, die in eine spannungsreiche Konstellation mit den etablierten Großen treten und sie sogar entthronen: So etwa Meier-Graefes Verherrlichung El Grecos. Diese neuen Meister springen aus ihrer Zeit heraus und gewinnen eine bedrängende Aktualität.

Meier-Graefes Tagebuch kartographiert jenes mit Beginn des Weltkriegs untergegangene kultivierte Europa, das mit Nachtzügen der Internationalen Schlafwagengesellschaft, mit so wenig Zeitverlust wie möglich, zu Bildern, Opern- und Theateraufführungen, zu den alten Kunststädten in Deutschland, Frankreich oder Italien reiste. Die künstlerische Aufnahmefähigkeit dieser Gesellschaft ist vielleicht nur mit dem Kunstbetrieb der Gegenwart zu vergleichen. Die Imago des Kunstfreundes wird von Meier-Graefe verkörpert, der im oberen Bett des Schlafwagens durch die Nacht fährt, hellwach, in die Lektüre eines Buches von Dostojewski vertieft, über den er eines Tages ein Buch schreiben wird.

HENNING RITTER

Julius Meier-Graefe: "Tagebuch 1903-1917 und weitere Dokumente". Herausgegeben und kommentiert von Catherine Krahmer unter Mitwirkung von Ingrid Grüninger und Jeanne Heisbourg. Wallstein Verlag, Göttingen 2009. 525 S., geb., 40,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Hansjörg Graf erfreut sich an diesem von Catherine Krahmer herausgegebenen "lebensgeschichtlich und kulturkritisch bedeutenden" Tagebuchband. Beim Lesen erscheint ihm der Schriftsteller und Essayist Julius Meier-Graefe als jemand, der ästhetische Wahrnehmung und politisches Bewusstsein in seinen Texten zu verbinden wusste. Für Graf bleibt die Lektüre zwar nicht ohne Längen (zum Beispiel die Streifzüge durch Museen). Doch der Einblick in Meier-Graefes Gedankenwerkstatt, die vielen Anekdoten aus der Pariser Kunstszene und des Autors Faible fürs Savoir-vivre (siehe seine Untersuchungen zum Pariser Tango) entschädigen ihn reichlich. Ein informatives Vorwort und das umfangreiche Register machen das Rezensentenglück vollkommen.

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