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Ob Restaurant, Supermarkt oder Zugabteil, ob Kindergarten, Schule oder Elternabend man entkommt ihnen nicht: den Supermuttis und ihren Blagen. Da ist zum Beispiel: die engagierte Elternvertreterin eine Wiedergeburt der Streberin von früher, die schon als Klassenkameradin kaum zu ertragen war. die Fußballmutti, deren 16jähriger immer noch ihr Baby ist und zugleich ihr Held. die Seelenmutti, die ihre Macht schamlos ausnutzt, frei nach dem Motto: "Ich habe Leben gegeben gib du mir deinen Respekt." Die verdiente Abrechnung mit einer unerträglichen Spezies das Buch für alle, die genug von den Supermuttis haben und lieber ihr eigenes Leben leben wollen.…mehr

Produktbeschreibung
Ob Restaurant, Supermarkt oder Zugabteil, ob Kindergarten, Schule oder Elternabend man entkommt ihnen nicht: den Supermuttis und ihren Blagen. Da ist zum Beispiel: die engagierte Elternvertreterin eine Wiedergeburt der Streberin von früher, die schon als Klassenkameradin kaum zu ertragen war. die Fußballmutti, deren 16jähriger immer noch ihr Baby ist und zugleich ihr Held. die Seelenmutti, die ihre Macht schamlos ausnutzt, frei nach dem Motto: "Ich habe Leben gegeben gib du mir deinen Respekt."
Die verdiente Abrechnung mit einer unerträglichen Spezies das Buch für alle, die genug von den Supermuttis haben und lieber ihr eigenes Leben leben wollen.
Autorenporträt
Lotte Kühn ist das Pseudonym der Berliner Autorin Gerlinde Unverzagt, die bereits zahlreiche Bücher zu den Themen Erziehung und Bildung veröffentlicht hat. Als Lotte Kühn landete sie mit dem "Lehrerhasser-Buch" einen Bestseller, der ein riesiges Medienecho auslöste.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.02.2008

Über Eltern dürfen wir nicht schweigen

Kaum zeigt die Debatte um das Turbo-Gymnasium politische Wirkung, da mischt Lotte Kühn, Bestseller-Autorin des "Lehrerhasserbuches", mit ihrem neuen Werk "Supermuttis" die Szene auf.

Das hört man gern. Die Debatte um das Turbo-Gymnasium scheint erste Früchte zu tragen. Die Politik reagiert. Eine "Bildungskompetenz" vorspiegelnde ministerielle Anmaßung wird als solche erkannt und in die Schranken gewiesen. Mehrere Ministerpräsidenten kündigen an, die ungemein schlampig und inkompetent durchgeführte Schulreform reformieren zu wollen. Und zwar nicht irgendwann, sondern so, dass die Reform der Reform schon im übernächsten Schuljahr greifen könne, wie soeben Günther Oettinger erklärt. Regierungschefs ließen das gesellschaftliche Großthema bisher treiben. Nun ist man offenbar aufgewacht. Anders gesagt: Man ist jäh auf den Hosenboden gefallen, auf den zu setzen man den Fünft- und Sechsklässlern stereotyp empfiehlt, wenn man ihnen im Turbo-Gymnasium bis zu fünfzig Stunden Lernzeit pro Woche abverlangt - und sie damit um entscheidende außerschulische Lebenserfahrungen bringt, von der Überforderung der Eltern durch Dauernachhilfe zu schweigen (F.A.Z. vom 19. Januar und 4. Februar). Jetzt rückt das Thema auf der politischen Agenda endlich dorthin, wo es hingehört: nach ganz oben.

Je heftiger und öffentlicher der Streit um die Vorschläge zur Straffung des Unterrichts in concreto geführt wird, desto geringer die Gefahr, dass das Thema wieder in jenes entsetzlich verschwiemelte schulpolitische Klein-Klein zurücksackt, in dem es bisher feststeckte, klein- und schöngeredet von den knochentrockenen "Bildungsexperten", welche gewohnt sind, ihre administrativen Tischvorlagen zu humanistischen Manifesten hochzuschreiben. Da es im fachpädagogischen Betrieb wie nirgends sonst einen durch nichts zu irritierenden besserwisserischem Elan gibt, einen Mitteilungsdrang höchster Emsigkeit, braucht man sich um die Lebendigkeit der G8-Debatte fürs Erste keine Sorge mehr zu machen. Was am Ende zählt, ist der politische Wille, sich über all diese Nickligkeiten hinwegzusetzen und Kindern ihre Kindheit zu sichern.

Wer über Kindheit redet, darf über Eltern nicht schweigen. Sie bilden gleichsam den zweiten Debattenstrang des Themas. Hier mischt seit dieser Woche Lotte Kühn die Szene auf. Der Mutter von vier Kindern, die mit richtigem Namen Gerlinde Unverzagt heißt, war mit dem "Lehrerhasserbuch" ein Bestseller gelungen. Nun ist ihr neues Buch "Supermuttis" im Handel. Der Untertitel - "Eine Abrechnung mit überengagierten Müttern" - ist nicht ganz korrekt, handelt es sich doch in Wahrheit um eine Abrechnung auch mit überengagierten Vätern. Kindheit ist demnach nicht nur durch eine Schule bedroht, die sich als Managerschmiede für Sechstklässler geriert, sondern nicht minder durch Eltern, die - von "Bildungsexperten" kirre gemacht - ihre Kinder überbehüten, eine overprotection betreiben, die wiederum die Kinder kirre, verwöhnt und maulig macht. Es ist das Pathos der Praktikerin, mit dem Lotte Kühn auch diesmal vielen Eltern aus dem Herzen sprechen dürfte.

Die abschätzige Art, mit der sie die akademischen Erziehungsbegleiter behandelt, hat bei ihr Methode. Da sie nicht nur vier Kinder erzieht, sondern ihr Urteilsvermögen mit einem gekonnt pamphletistischen Stil verbindet, macht sie den Besserwissern die Widerrede schwer. Das Phänomen Lotte Kühn zeigt ähnlich wie der Debattendurchbruch bei G 8: Manche Themen haben erst dann eine Chance, sachgemäß debattiert zu werden, wenn ein boulevardesker Zungenschlag einkehrt. Nur so werden sie aus der Sphäre des Verstiegenen, Verschrobenen und Manierierten herausgerissen, in der sie kaltgestellt waren.

Unter Lotte Kühns verfremdenden Blick erscheint der betuliche Perfektionismus, wie er sich heute mit der Idee der Kinderaufzucht verbindet, als historisch einmalige Idiotie. Unter Überschriften wie "Alles in Mutter", "Der Kult ums Kind" oder "Ratschläge sind auch Schläge" legt die Autorin eine Aufklärungsschrift vor, die aller Fachpädagogik den letzten verbliebenen Schneid nimmt.

Dass die abstrakte, gleichwohl stets gegenwärtige Optimierungsidee nicht nur Kinder ruiniert, sondern auch Eltern unter einen bizarren Leistungs- und Konkurrenzdruck bringt, wird in Kapiteln dargelegt wie "Warum Mütter andere Mütter nicht leiden können", "Warum hierzulande jeder einer Mutter erzählen darf, was eine gute Mutter ist" oder "Zickenterror, Stutenbissigkeit und Kampfmutterschaft". Man wird, wie gesagt, in etlichen Passagen "Mütter" durch "Väter" ersetzen können. Eine Streitschrift wider den Zeitgeist als Expertengeist, wie sie deftiger und wahrer nicht zu wünschen ist.

Diese Autorin hat den Durchblick, den die "besserwisserische Expertenzunft" (Lotte Kühn) gerade verstellt: "Das überbordende Angebot an Ratschlägen verwirrt nicht nur, sondern lässt Müttern im medialen Stakkato immer neuer Fachbegriffe und Erkenntnisse die Ohren klingen. Wir Mütter schwimmen wie Treibgut im Meer modischer Erziehungsstrategien, konzentrierter Gesundheitsfürsorge und einfühlsamer Sicherheitsverwahrung unserer Kinder; wir leben ständig in der furchtsamen Erwartung, alles, was wir bisher getan haben, als falsch entlarvt zu sehen und an den Klippen der Optimierung des eigenen Kindes gestrandet zu sein. Und wir benehmen uns dabei immer häufiger wie charakterlose Streber, die nur danach trachten, die anderen auszustechen, um auf dem dunklen Hintergrund des kläglichen Versagens der Nachbarin den eigenen Stern umso heller strahlen zu lassen."

Und tatsächlich geschieht an der Hand der Lotte Kühn etwas Sonderbares mit uns: Die schlichte, ganz und gar nicht romantisierende Beschreibung der früheren, noch am eigenen Leib erlebten Kindheit kommt uns wie das Protokoll einer großen Wurstigkeit aus einer versunkenen Welt vor. Sollte damals - vor gerade mal dreißig, vierzig Jahren - etwa nichts von dem eine Rolle gespielt haben, was uns heute als unbedingtes Gebot früh- und spätkindlicher Förderung vor Augen steht? Gab es noch keine Hirnforschung, die die Eltern dazu anhielt, ihre Kinder täglich mit "Anregungen" zu überhäufen, damit sich nur ja die Hirnzellen förderlich verschalten? War man damals gar noch frei von der Angst, "Fehler" im Umgang mit seinen Kindern zu machen, ihnen durch irgendwelche Nachlässigkeiten von heute einen "Schaden" für immer zuzufügen?

Lotte Kühn gesteht das Unsagbare: "Das Abendessen nahmen wir Kinder allein ein, denn meine Eltern wollten dann und wann für sich sein, ungestört von Kindergeplapper, Geschwisterstreit und umfallenden Saftgläsern. Was für ein egoistisches, kinderfeindliches Verhalten! Meine Mutter hätte bei den Müttern von heute wohl keine Chance gehabt, als gute Mutter zu gelten." Wie sind wir damals bloß alle davongekommen? Waren wir verwahrlost und merken es erst heute?

Wie es aussieht, brauchen wir nicht nur eine Debatte über das Turbo-Gymnasium. Wir brauchen eine Debatte über die Frage, wie Eltern wieder lernen können, sich selbst zu vertrauen. Eine Verständigung darüber, was wir unter unbeschwerter Kindheit verstehen wollen. Unbeschwerte Kindheit, das hieße heute doch wohl auch dies: eine Kindheit unbeschwert vom Geschwätz unserer aufgeplusterten Kindheitsexperten.

CHRISTIAN GEYER

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