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Mausgraue Männer, die einmal im Leben etwas wagen, sich die Lippen kirschrot schminken und nach 44 Ehejahren mit leisem Schauer Rachegedanken hegen; sanfte Voyeure, die auf nächtlichen Balkons ein wenig Frauengenuss ersehnen; Frauen, die in ihrer Ehe- Einsamkeit von angeketteten Männern im Keller träumen; ein liebenswerter Automechaniker, der eine verblüffende und nicht ganz stille Leidenschaft hegt: das sind die unverwechselbaren Helden von Franziska Sperr, die dem Leser so schnell nicht mehr aus dem Kopf gehen. Sie alle versuchen mit ganz eigenen, mitunter höchst seltsamen Tricks, ihrem…mehr

Produktbeschreibung
Mausgraue Männer, die einmal im Leben etwas wagen, sich die Lippen kirschrot schminken und nach 44 Ehejahren mit leisem Schauer Rachegedanken hegen; sanfte Voyeure, die auf nächtlichen Balkons ein wenig Frauengenuss ersehnen; Frauen, die in ihrer Ehe- Einsamkeit von angeketteten Männern im Keller träumen; ein liebenswerter Automechaniker, der eine verblüffende und nicht ganz stille Leidenschaft hegt: das sind die unverwechselbaren Helden von Franziska Sperr, die dem Leser so schnell nicht mehr aus dem Kopf gehen. Sie alle versuchen mit ganz eigenen, mitunter höchst seltsamen Tricks, ihrem Leben ein wenig Glück abzugewinnen. In bestechend scharfen literarischen Momentaufnahmen erzählt die Autorin von Einsamkeit, Liebeshunger und hilflosen Ausbruchversuchen aus der Ereignislosigkeit des Alltags. Fein nuanciert und unbestechlich - ohne ihre stillen und melancholischen Helden jemals der Lächerlichkeit preiszugeben.
Autorenporträt
Franziska Sperr studierte Politikwissenschaft und arbeitet heute als freie Journalistin, Übersetzerin und Autorin. 1995 erschien ihre sehr erfolgreiche Romanbiographie über die Schwabinger Gräfin Franziska von Reventlow. Sie lebt mit ihrer Familie am Starnberger See.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 04.04.2005

Abgründiger Alltag
Franziska Sperr legt ihren ersten Erzählungsband „Stumm vor Glück” vor, das Ergebnis fruchtbarer Wartezeiten
Wenn jemand, der bis vor ein paar Jahren noch den Titel „Sprecherin” trug, nun ein literarisches Debüt mit dem Titel „Stumm vor Glück” vorlegt, so mag man sich seinen Teil denken. Im Falle von Franziska Sperr jedoch hat das eine mit dem anderen eher wenig zu tun. Zwar ist sie bis Mitte 2001 tatsächlich gut zwei Jahre lang die amtliche Sprecherin des damaligen Münchner Kulturreferenten Julian Nida-Rümelin gewesen. Auf die literarische Produktion von Sperr aber hatte das nur insofern Einfluss, als mit dem überraschenden Wechsel von Nida-Rümelin nach Berlin auch ihre Zeit als Verwaltungsmensch zu Ende gegangen war und sie nun endlich wieder Zeit hatte für das, was ihr am liebsten war: das Schreiben.
Nun ist „Stumm vor Glück” im Verlag Albrecht Knaus erschienen, ein Band mit zehn Erzählungen, und es ist ein brillantes Debüt geworden. Wobei „Debüt” in diesem Zusammenhang nicht ganz richtig ist. Denn 1995 war bereits ihre Romanbiografie „Die kleinste Fessel drückt mich unerträglich” über Franziska zu Reventlow erschienen und ein beachtlicher Erfolg geworden. Bei diesem Buch war sie noch an Fakten und Realität gebunden, auch wenn die Dialoge natürlich erfunden waren. An rein literarische Texte aber, so sagt Franziska Sperr, habe sie sich bis dahin und auch noch eine Weile danach nicht so recht herangetraut. Jedenfalls wollte sie keinen veröffentlicht haben. Nach dem Intermezzo als Pressesprecherin des Kulturreferats aber, über dessen etwas abruptes Ende sie heute eher froh ist, erwachte dann wieder die Lust am freien Schreiben. Zudem ermunterte sie der Verlag nach der Lektüre erster Geschichten, in dieser Richtung weiterzumachen.
Zum Glück! Denn Franziska Sperrs Geschichten sind ein großer Wurf geworden. Texte von sperriger Schönheit, könnte man sagen, wenn das nicht so ein blödes Wortspiel mit ihrem Namen wäre. Vermeintlich unspektakuläre Geschichten von unspektakulären Leuten, in denen noch nicht einmal allzu viel passiert. Und trotzdem fesseln sie und halten einen gefangen, bis man sie alle gelesen hat. Weil das Abgründige im Alltag erst einmal so unauffällig daher kommt, so elegant und kaum merklich eingeflochten. In allen Geschichten bleibt ein Hauch von Geheimnis, ein letzter Rest an Rätseln. Und es sind Rätsel, von denen man ahnt, dass man sie nicht lösen kann und eigentlich auch nicht lösen will, weil diese Lösung schrecklich sein könnte.
Vordergründig handelt es sich bei Sperrs Erzählungen um Ausschnitte aus diversen Lebensgeschichten. Da ist in der Titelerzählung ein Mann, der im Café auf seine Geliebte wartet, die niemals kommen wird. Man weiß es schon nach der ersten Seite, so gänzlich unmöglich ist diese Liebe. Er weiß es auch nach 17 weiteren Seiten noch nicht.
Wie die meisten der Geschichten hat „Stumm vor Glück” kein eindeutiges Ende. Franziska Sperr steht damit in der Tradition der angelsächsischen Kurzgeschichte; auch dort wird man ja manchmal allein gelassen am Schluss mit dem leicht Unheimlichen, Geheimnisvollen. Ein melancholischer Grundzug durchzieht alle diese Geschichten, nicht aber die Sprache; die ist messerscharf und klar, erlaubt sich kaum einmal einen Schnörkel. Dass da kein Satz einfach mal so hingeschrieben wurde, merkt man. An manchen Geschichten, sagt Sperr, habe sie monatelang gearbeitet. Einzelne haben nur ein paar Tage gebraucht.
„Ganz normale Menschen” bilden das Personal ihrer Erzählungen: Rentner, ein Drogerieinhaber, Hausfrauen, Büroangestellte. Der versoffene, gescheiterte Architekt in „Chicago” ist fast eine Ausnahme. Franziska Sperr sagt, es mache ihr Spaß, sich zum Beispiel an der Bushaltestelle vorzustellen, welche Lebensläufe, welche Abgründe hinter den dort Wartenden stecken könnten, und was die Seele so mit einem anstellt, nach 44 Ehejahren beispielsweise. „Stumm vor Glück” ist insofern das Ergebnis äußerst fruchtbarer Wartezeiten: Es passiert zwar nicht allzu viel in diesen Geschichten, aber wie es nicht passiert, das ist schlicht großartig.
Franziska Sperr hatte ein wenig Bammel, gibt sie zu, als die Geschichten herauskamen. Aufgrund ihrer Reventlow-Biografie fürchtete sie ein wenig, in der Schublade „Frauenliteratur” abgelegt zu werden. Die ersten Reaktionen zeigten aber, dass diese Furcht unbegründet war. Und nun will sie weiterarbeiten an jenem Roman, der sie schon seit einigen Jahren beschäftigt. Die Arbeit daran hatte sie 1998 unterbrochen, als sie von Nida-Rümelin gefragt worden war, ob sie seine Sprecherin im Münchner Kulturreferat werden wollte.
Inzwischen ist Franziska Sperr allerdings schon wieder so eine Art Sprecherin, nämlich die der eigenen Texte, auf den Lesereisen mit ihrem Erzählungsband. Der Zuspruch sei gut, sagt sie, und es mache ihr auch Spaß zu lesen. Am Donnerstag kann man Franziska Sperr nun auch im Münchner Literaturhaus mit ihren Texten erleben; die Einführung übernimmt Wilfried Schoeller. (Donnerstag, 7. April, 20 Uhr, Salvatorplatz 1, Eintritt 7 Euro, ermäßigt 5 Euro.)
FRANZ KOTTEDER
Franziska Sperr. Es passiert nicht viel in den Geschichten der ehemaligen Sprecherin des Kulturreferats, aber wie es nicht passiert, ist großartig.
Foto: Ohlbaum
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