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Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.06.2002

Ewige Wahrheit im Werden, Wandel und Vergehen
Vom homo erectus zum Kulturpessimisten: Karl-Heinz Ohlig untersucht die Religionsvorstellungen der Menschheitsgeschichte
Die Religion ist das „enzyklopädische Kompendium” dieser Welt, so formulierte Karl Marx. Damit ist die Einsicht verbunden, dass die Religion mit den natürlichen und kulturellen Bedingungen in Wechselbeziehung steht. Wenn Karl-Heinz Ohlig die „Religion in der Geschichte der Menschheit” vom Altpaläololithikum bis in die Gegenwart beschreibt, umfasst dieses Kompendium eine Zeitspanne von 400000 Jahren. Von Pigmentfunden in Höhlen Sambias, die auf rituelle Körperbemalungen des homo erectus schließen lassen, bis zur verschrifteten Religionskritik des modernen Kulturmenschen, der von der Schweiz den Tod Gottes ausrief, reichen die angeführten Zeugnisse.
Dazwischen liegen Veränderungen der menschlichen Gestalt, des Klimas und der Geographie, technische Innovationen und kulturelle Revolutionen. Ohlig ordnet die Religionsbildungen der Weltgeschichte drei großen Paradigmen unter: Die Naturreligionen der Steinzeit, die kosmischen Religionen der frühen Hochkulturen und die bis heute lebendigen Universalreligionen. Ohlig folgt hier wie in vielem den gängigen Annahmen.
Der Übergang zur hochkulturellen Religion wird um 3000 v. Chr. angesetzt. Von der Natur zur Kultur ist das Stichwort: Nicht die Zyklen der Natur sind für diesen neuen Religionstyp kennzeichnend sondern die Verhältnisse in den Gemeinschaften. Die Entgrenzung auf die Menschheit insgesamt und die damit einhergehende monotheistische bzw. monistische Ausrichtung wird als Kennzeichen der Universalreligionen ab dem sechsten vorchristlichen Jahrhundert datiert. Da das Interesse an strukturellen Gemeinsamkeiten im Vordergrund steht, werden die einzelnen Religionen von Ohlig nicht immer ganz übersichtlich in die drei Paradigmen eingeordnet.
Das Buch vermag dennoch anregend zu wirken,denn es zeigt, wie die Religionen kommen und gehen – und doch bleibt: die Religion. Ohlig kann Marx zustimmen, dass die Kulturbedingtheit der Religion „in jeder ihrer Erscheinungsformen deutlich” wird. Aber er verweist gegen Marx zu Recht darauf, dass die Zeit der kulturellen Bedeutung der Religion längst nicht vorbei ist. Die historische Denkweise hat für Religionsgegner wie -verfechter eine beunruhigende Pointe: Die Religionsgeschichte ist seit jeher eine narzistische Kränkung des Absolutheitsanspruches von Religionen, aber auch der radikalen Religionskritik: Der Aufweis vom Werden, Wandel und Vergehen religiöser Vorstellungen stellt einen Einwurf gegen den Anspruch auf unvergängliche letzte Wahrheit dar.
Wie sich die Religionen zu einer historischen Relativierung ihres universalen Anspruches verhalten, ist die Gretchenfrage des Religionsdenkens. Dass die Fähigkeit zur Unterscheidung zwischen der „absoluten” Bedeutung des eigenen Glaubens in der persönlichen Lebensführung und der historisch bedingten und begrenzten Geltung von Religionen nicht nur von theoretischem Interesse ist, liegt heute deutlich auf der Hand. Insofern ist es ein über die Religionsgeschichte hinausgreifendes Interesse, danach zu fragen, ob und wie die Gegenwartsreligionen Mittel ausbilden, sich dieser Frage zu stellen. FRIEDEMANN VOIGT
KARL-HEINZ OHLIG: Religion in der Geschichte der Menschheit. Die Entwicklung des religiösen Bewusstseins. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2002. 272 Seiten, 24,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Friedemann Voigt zeigt sich angetan von diesem Buch über die Religionsbildung in der Geschichte der Menschheit. Der Rezensent referiert, dass Ohlig die Religionen drei "Paradigmen" zuordnet, nämlich zu den Naturreligionen seit der Steinzeit, zu den Hochkulturreligionen und zu den bis heute verbreiteten Universalreligionen. Da der Autor seinen Blick vor allem auf die "strukturellen Gemeinsamkeiten" der Religionen legt, sind seine einzelnen Zuordnungen allerdings nicht immer besonders "übersichtlich", kritisiert der Rezensent. Trotzdem findet er die Lektüre "anregend", weil sie ganz deutlich mache, dass die Bedeutung der Religionen "längst nicht vorbei" ist. Gleichzeitig widerspricht der Autor dem Anspruch einzelner Religionen, die sich im Besitz der alleinigen Wahrheit wähnen, so der Rezensent zustimmend.

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