Marktplatzangebote
Ein Angebot für € 27,72 €
  • Broschiertes Buch

Zwei Menschen sind nach dem Großen Atomkrieg Mitte der 1950er Jahre noch übrig - und nicht einmal diese zwei halten's miteinander aus: Sie blicken in den "Schwarzen Spiegel" der Melancholie und streifen am Ende getrennt über die Erde, die beiden letzten Menschen, über die einen Roman zu schreiben Lichtenberg schon 1793 empfahl. Arno Schmidts Kurzroman von 1951 ist eine Wissensmischung aus Vergangenheit und Ahnungen einer düsteren Zukunft, ein Palimpsest, und sein Held ein kulturelles und psychisches Gedächtnis aus einem Grenzbereich zwischen Vorwelt und tödlicher Zukunft, in der sich ein…mehr

Produktbeschreibung
Zwei Menschen sind nach dem Großen Atomkrieg Mitte der 1950er Jahre noch übrig - und nicht einmal diese zwei halten's miteinander aus: Sie blicken in den "Schwarzen Spiegel" der Melancholie und streifen am Ende getrennt über die Erde, die beiden letzten Menschen, über die einen Roman zu schreiben Lichtenberg schon 1793 empfahl. Arno Schmidts Kurzroman von 1951 ist eine Wissensmischung aus Vergangenheit und Ahnungen einer düsteren Zukunft, ein Palimpsest, und sein Held ein kulturelles und psychisches Gedächtnis aus einem Grenzbereich zwischen Vorwelt und tödlicher Zukunft, in der sich ein Jemand in einen letzten Niemand verwandeln wird. Die Dichte der Anspielungen und Zitate in diesem frühen, düsteren und rapiden Text Arno Schmidts - dem letzten Teil der Trilogie "Nobodaddy's Kinder" - verlangt nach Zitat-Nachweis, Kommentar und Erläuterung, damit der Leser sich in den untergründig zusammenhängenden Texten und Textbruchstücken zurechtfindet und erkennt, dass paradoxerweise die Lust am Erzählen und das anarchische, aber unverdrossene Aneignen von fragmentierter Kultur bei dem namenlosen Ich-Erzähler ungebrochen ist: Die Schilderung des allgemeinen Untergangs wird zur Privat-Utopie, nämlich eines von der restlichen Menschheit ungestörten Bücher-Genusses.
Autorenporträt
Schwier, HeinrichHeinrich Schwier ist Deutsch- und Philosophielehrer. Er hat verschiedene Bände mit Materialien und Aufsätzen zu Arno Schmidt veröffentlicht.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.07.2009

Duliöh, die Gondel!
Heinrich Schwier kommentiert Arno Schmidts „Schwarze Spiegel”
So radikal der Autor, so extrem seine Interpreten? Für Arno Schmidt, den obersten Monomanen der Nachkriegsliteratur und sein Nachleben in der Philologie mag das gelten. Doch sei dahingestellt, ob sich die Schmidt’sche Besessenheit wie ein Virus auf den geneigten Leser überträgt, ob man überhaupt schon verrückt sein muss, um den Bargfelder zu lesen, oder ob überbordender Eifer in den sechziger und siebziger Jahren schlicht dazugehörte, um dem „Steinernen Herz” oder der „Gelehrtenrepublik” wenigstens einen Bruchteil der Aufmerksamkeit zu verschaffen, die diese Werke verdienen. Jedenfalls liegt nun wieder ein Produkt dieser selbstlosen Schmidt-Begeisterung vor: Heinrich Schwiers „kommentierendes Handbuch” zu den „Schwarzen Spiegeln”, Schmidts Post-Atomkriegs- und Radfahrerzählung. Vor drei Jahren erschien in Suhrkamps Reihe „Basis Bibliothek” der kurze Text samt instruktiven Erläuterungen – zum Schulgebrauch durchaus geeignet.
Schwiers Kommentar, der leider ohne sein Bezugswerk erscheint, übertrifft diesen Band an Umfang allerdings bei weitem. Streckenweise wird Wort für Wort den „Erinnerungen, Erinnerungsresten und Signaturen verschiedener Zeiten” nachgespürt, die sich unter dem Text verbergen. Schwier, im Brotberuf Lehrer, ist sich des Problems durchaus bewusst, mit dem sich jeder Kommentator konfrontiert sieht; zwischen der „Skylla der Dürftigkeit und der Charybdis heillos-unendlicher Verzettelung” aber findet er einen gangbaren Weg durch das Gewirr an Anspielungen und Bezügen.
Wenn er manchmal auch übers Ziel hinausschießt: Für den Gebrauch der Wendung „stand ich wie eine Mauer”, die Schmidt einfällt, als er seinen Helden kräftig den Rücktritt betätigen lässt, findet Schwier Belegstellen in Goethes „Dichtung und Wahrheit”, Schillers „Räubern” und Lessings „Minna von Barnhelm”. Hier geht mit dem Schmidtologen die Lust am Text, die Lust an den Texten ein wenig durch – wenn auch demjenigen, der diesen Band in die Hände nimmt, gerade diese Lust nicht fremd sein dürfte.
Hilfreich sind überdies die zahlreichen Sacherläuterungen. Dass es sich etwa bei der „Gondel” um ein Herrenmagazin handelt, dass „Duliöh” – ein „seit dem 19. Jahrhundert in Bayern und Österreich bekannter” Freudenausruf – auch dem norddeutschen Eigenbrötler bekannt war, und dass es sich bei Utys, als der sich der namenlose Erzähler der „Schwarzen Spiegel” einmal bezeichnet, um eben jenen „Niemand” handelt, als der sich Odysseus gegenüber dem Polyphem ausgibt, darüber allein unterrichtet ein schneller Blick auf Seite 77.
Eine durchaus vernünftige Angelegenheit also. TOBIAS LEHMKUHL
HEINRICH SCHWIER: Niemand. Ein kommentierendes Handbuch zu Arno Schmidts „Schwarze Spiegel”. Edition Text & Kritik. München 2009. 318 Seiten, 32 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Heinrich Schwiers Kommentarband zu Arno Schmidts Erzählung "Schwarze Spiegel" findet viel Anklang bei Tobias Lehmkuhl, der hier eine "Lust am Text" erkennt, die er durchaus teilt. Grundsätzlich findet er, dass der Schmidt-Exeget, im Hauptberuf Lehrer, das richtige Maß mit seinen detaillierten Kommentaren findet, wenn er ihn selten auch mal übertreiben sieht, etwa wenn er eine durchaus alltägliche Wendung für eine Vollbremsung auf dem Fahrrad bei Goethe, Schiller und Lessing nachweist. Dafür hat er aber eine Fülle von hilfreichen Erklärungen für die zahllosen Zitate, Anspielungen und Verweise, für die Arno Schmidts Werk berühmt ist, gefunden und so lobt er das Buch bei aller Schmidtomanie, die diesen Kommentar charakterisiert, als "vernünftige Angelegenheit".

© Perlentaucher Medien GmbH