Produktdetails
  • Verlag: Klein, Ingrid
  • ISBN-13: 9783895210242
  • ISBN-10: 3895210242
  • Artikelnr.: 05825866
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.08.1995

Darf sie? Soll sie? Kann sie?
Christiane Peitz untersucht neue Frauenrollen im Kino

Filme machen heißt schöne Sachen mit schönen Frauen machen, lautete einst das libertinäre Credo der französischen Nouvelle vague. Diese schönen Zeiten sind vorbei. Das Objekt der Begierde will endlich selber Subjekt des Begehrens auf der Leinwand sein. Die Frauen sind es leid, angeschaut zu werden. Sie blicken zurück, und manchmal schießen sie auch - schneller als der Mann, wie Jodie Foster als FBI-Agentin Clarice im Showdown von "Das Schweigen der Lämmer". Es ist ihr gelungen, in das Haus des Massenmörders einzudringen. Dieser löscht das Kellerlicht und entzieht sich ihren Blicken, er selbst setzt ein Nachtsichtgerät auf. Er sieht sie, sie ihn nicht. Das eklig grün getönte Bild enthält die Kernthese der feministischen Filmkritik: Männer sehen (haben Visionen und führen Regie), Frauen werden gesehen (bieten Projektionsflächen und sind Stars).

"Hat Hollywood sich endlich der Frauenfrage gestellt?" fragt die Berliner Filmjournalistin Christiane Peitz in ihrem klugen Essay "Marilyns starke Schwestern. Frauenbilder im Gegenwartskino". Beispiel- und kenntnisreich untersucht sie Hollywoodfilme der achtziger und neunziger Jahre, bei denen Frauen im Mittelpunkt stehen. Ihre These: Die Filme der achtziger Jahre trugen den Veränderungen im Berufsleben und in der amerikanischen Öffentlichkeit Rechnung, auch wenn die erfolgreiche Aufsteigerin zur neuen femme fatale erklärt wurde - stark war sie allemal.

Im Kino der neunziger Jahre konstatiert Peitz Rechtsdruck und neuen Konservativismus. Sie porträtiert drei Schauspielerinnen und untersucht die Veränderung ihrer Rollen: Geena Davis ("Thelma und Louise"), Laura Dern ("Wild at Heart") und Jodie Foster ("Angeklagt", "Sommersby"). Sie kann sich auf amerikanische Filmwissenschaftlerinnen berufen.

Die Ambivalenz, so Jeanine Basinger in ihrem Buch "A Women's View", sei das charakteristischste Merkmal für das Genre des Frauenfilms. Einerseits werden die traditionellen Rollenklischees von Hausfrau, Mutter und Gattin am Schluß des Films zumeist neu etabliert, andererseits sehen wir in den 85 Minuten davor, wie eine Frau all das tut, "was sie nicht soll, nicht darf, nicht kann". Da ist sie African Queen, Chefredakteurin, Börsenmaklerin, das Luxusgeschöpf auf dem Egotrip, die geschiedene Männerheldin. Zur Rettung des Kleinfamilienglücks wird Glenn Close in "Eine verhängnisvolle Affäre" am Ende zwar zu Tode gebracht. Haften bleibt dem Zuschauer aber doch die Inszenierung einer leidenschaftlichen Wochenend-Affäre. Frauenfilme, so Christiane Peitz, agieren wie Doppelagentinnen: Sie bedienen die Konvention und deren Übertretungsphantasie zugleich. Das Fazit: "In der Epoche des sogenannten Postfeminismus zollt Hollywood zwar dem Zeitgeist Tribut, aber die Frauenbewegtheit der Kinobranche bleibt pures Lippenbekenntnis."

Nicht so bei der Neuseeländerin Jane Campion ("Sweetie", "Ein Engel an meiner Tafel"), der Peitz etwas zu langatmig die letzten sechzig Seiten ihres Buches widmet. Die Regisseurin wurde für ihren Film "Das Piano" 1994 als erste Frau bei den Filmfestspielen in Cannes mit der Goldenen Palme ausgezeichnet. Den klassischen Kinomythen setzt Jane Campion, eine Anthropologin, einen vollkommen neu geschaffenen visuellen Kosmos entgegen, in dem sie Identitätsbildung, Verstörung und Selbstvergewisserung im Hinblick auf das weibliche Geschlecht erforscht.

"Das Kino als Energiezufuhr" - glücklicherweise erweist Peitz sich selber als Doppelagentin: Kritisch analysiert sie den Subtext der etwa fünfzig von ihr erwähnten Filme und läßt sich doch von deren Sinneslust betören. CHRISTIANE VON WAHLERT

Christiane Peitz: "Marilyns starke Schwestern". Frauenbilder im Gegenwartskino. Ingrid Klein Verlag GmbH, Hamburg 1995. 168 S., geb., 29,80 DM.

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