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»Ich weiß nicht«, resümierte ein Zeitgenosse Johann Wolfgang von Goethes (1749-1832), »ob es Vielseitigkeit oder Unbeständigkeit ist, daß er sich in seinen Äußerungen so ungleich ist.« Auch nach gut zweihundert Jahren Goetheforschung weiß man es kaum besser. Peter Matusseks Einführung nähert sich diesem Wesenszug, indem sie deutlich macht, dass Goethe gegenüber unterschiedlichen kulturellen Perspektiven eine Zwischenstellung einnahm, die ihn vor Einseitigkeit und Intoleranz weitgehend bewahrte. Seine entschiedene Offenheit für Differenzen kennzeichnet ein »Weltbürgertum«, dessen Fruchtbarkeit…mehr

Produktbeschreibung
»Ich weiß nicht«, resümierte ein Zeitgenosse Johann Wolfgang von Goethes (1749-1832), »ob es Vielseitigkeit oder Unbeständigkeit ist, daß er sich in seinen Äußerungen so ungleich ist.« Auch nach gut zweihundert Jahren Goetheforschung weiß man es kaum besser. Peter Matusseks Einführung nähert sich diesem Wesenszug, indem sie deutlich macht, dass Goethe gegenüber unterschiedlichen kulturellen Perspektiven eine Zwischenstellung einnahm, die ihn vor Einseitigkeit und Intoleranz weitgehend bewahrte. Seine entschiedene Offenheit für Differenzen kennzeichnet ein »Weltbürgertum«, dessen Fruchtbarkeit für die heutige Diskussion sich in der Nachzeichnung der besonderen lebens-, sozial- und wissenschaftsgeschichtlichen Entstehungsbedingungen des Werkes erweist.
Autorenporträt
Matussek, PeterPeter Matussek ist Professor für Medienästhetik an der Universität Siegen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.08.1998

Im Zeichen der Polarität
Zwischen Faust und Internet: Peter Matussek führt in Goethe ein

Zweiundachtzig Jahre eines auf den Tag genau erforschten, ereignisreichen Lebens und einhundertdreiundvierzig Bände eines ebenso gründlich kommentierten Werkes auf zweihundert Seiten vorstellen zu müssen - um eine solche Arbeit ist kein Goethe-Biograph zu beneiden. Bewundernswert ist daher allein schon der Mut, dergleichen überhaupt zu unternehmen, und wenn das Resultat dann noch passabel ist, besteht Grund zur Zufriedenheit.

Die im Hamburger Junius Verlag unter dem Titel "Zur Einführung" erscheinende Reihe über Philosophen und Dichter umfaßt inzwischen mehr als einhundert Bände. Und da bereits Novalis, Derrida, Jesus und die Kristeva in diesen Olymp gehoben worden sind, war es wohl an der Zeit, auch Goethe an die Reihe kommen zu lassen. In die Hände genommen hat die schwere Arbeit der Berliner Literaturwissenschaftler Peter Matussek, der das schier Unmögliche - nämlich vom Leben Goethes zu erzählen und zugleich Verständnis für dessen wahrhaft unübersehbares Werk zu eröffnen - auf respektable Weise bewältigt, indem er seiner Darstellung den Leitgedanken der Polarität zugrunde legt, der für Goethe nach eigenem Bekunden eine überaus wichtige Rolle gespielt hat.

Für Matussek fängt solche Gegensätzlichkeit symbolischer damit an, daß der kleine Knabe - undenkbarer Gedanke! - beinahe tot zur Welt gekommen wäre, und sie erweist ernsthaft und eindrucksvoll ihre volle schöpferische Kraft in der großen Lebensarbeit des "Faust". Jedes der fünf biographisch orientierten Kapitel schließt mit Betrachtungen zu diesem Werk, von den ersten Faust-Motiven in der Studentenzeit über den "Urfaust" und das Fragment von 1790 bis zu den beiden Teilen der vollendeten Dichtung. Auf überzeugende Art ist damit in die Überfülle des Materials ein roter Faden gewebt.

Neuinterpretationen von Goethes Werk sind bei einer solchen Arbeit nicht zu erwarten und nicht einmal gefragt. Aber kompetent ist im großen Ganzen, was an Fakten vermittelt wird, und anregend sind die Einsichten zu ästhetischen wie naturwissenschaftlichen Aspekten, gelegentlich auch zu einzelnen literarischen Werken wie zum Beispiel den "Wanderjahren". Wenn dieses Buch seine Leser dennoch mit einer gewissen Unzufriedenheit entläßt, so deshalb, weil dem Autor jene Verbindung zwischen Wissenschaftlichkeit und Popularität nicht recht gelingt, die doch offenbar Ziel dieser nicht in erster Linie für Fachleute bestimmten Reihe ist.

Gespreizte Theoriesprache wuchert allenthalben: Interkulturalität, Multiversalität, Alterität, Polyperspektivik, Ambiguitätstoleranz, Kreativitätspotential, Desensibilisierungstraining, Alimentierungsaspekte: Begriffe, die im einzelnen durchaus ihr Recht haben mögen, bilden einen Dschungel, durch den sich nur schwer ein Weg bahnen läßt. Dabei muß zuweilen Goethe selbst das Germanistendeutsch des Kommentators erläutern. So lautet etwa der Satz "Fausts Annäherung an den Erdgeist ist so extrem identifikatorisch, daß ihr Erfahrungsgehalt in völliger Indifferenz verschwindet" im O-Ton Goethes: "Du gleichst dem Geist, den du begreifst, /Nicht mir."

Aufgelockert werden soll die Strenge der Wissenschaft durch einen sprachlichen Populismus, der gelegentlich ins Naßforsche, wenn nicht unfreiwillig Komische entgleitet. Goethes "ungestillte Sehnsucht" nach Italien trieb "poetische Blüten" wie das Mignon-Lied. Das Honorar für "Hermann und Dorothea" war ein "einsamer Rekord", "heruntergeschrieben" wurde das Werk in einer Woche, und Dorotheas Verdienst ist vor allem ihr "tatkräftiger Einsatz für die Verteidigung der weiblichen Keuschheit". Friederike, Tochter des "Landpriesters von Sesenheim", wird vom Karrieristen Goethe "überrollt". Als es beim Eindringen der Franzosen in das Haus am Frauenplan zum Handgemenge kommt, "warf sich Christiane heldenhaft dazwischen. Daraufhin heiratete er sie" - was nun wieder die sexuell "konkurrenzunfähige" Frau von Stein schwer kränkt. Faust aber, wenn er nicht gerade auf seinem Osterspaziergang in ein "ländliches Erholungsgebiet" wandert, unternimmt in seinem "konsumistischen Umgang" mit Margarete "Attacken auf ihre Schamschwelle". Goethe schließlich stand zwar im Austausch mit "vielen Geistesgrößen", war am Ende aber dann doch allein und auf sich gestellt, "trotz seiner Eingebundenheit in ein weltweites Kommunikationsnetz".

Surfte Goethe im Internet? Das wohl nicht, aber auf Seite 231 gibt es tatsächlich einen Abschnitt "Goethe im Internet"; er ist nicht das kleinste Verdienst dieses Bandes. GERHARD SCHULZ

Peter Matussek: "Goethe zur Einführung". Junius Verlag, Hamburg 1998. 235 S., br., 24,80 DM.

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"Peter Matussek hat das schier Unmögliche - nämlich vom Leben Goethes zu erzählen und zugleich Verständnis für dessen wahrhaft unübersehbares Werk zu eröffnen - auf respektable Weise bewältigt, indem er seiner Darstellung den Leitgedanken der Polarität zugrunde legt, der für Goethe nach eigenem Bekunden eine überaus wichtige Rolle gespielt hat. ... . Auf überzeugende Art ist in die Überfülle des Materials ein roter Faden gewebt." (Frankfurter Allgemeine Zeitung)