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Die Herausgabe einer Gesamtübersetzung der Entomologischen Erinnerungen von Jean-Henri Fabre in zweisprachiger Fassung wird mit der vorliegenden 3. Serie fortgesetzt. Sie schliesst an die Herausgabe der 1. Serie 2009, der 2. Serie 2010, der 10. Serie 2011 und der 6. Serie 2013 an

Produktbeschreibung
Die Herausgabe einer Gesamtübersetzung der Entomologischen Erinnerungen von Jean-Henri Fabre in zweisprachiger Fassung wird mit der vorliegenden 3. Serie fortgesetzt. Sie schliesst an die Herausgabe der 1. Serie 2009, der 2. Serie 2010, der 10. Serie 2011 und der 6. Serie 2013 an
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 23.05.2014

Dramen in der
Nussschale
Der Insektenforscher Fabre in einer neuen Ausgabe
Drei Fragen hatte die klassische Zoologie an ihren Forschungsgegenstand: Wie heißt du? Wo wohnst du? Was frisst du? Waren sie beantwortet, durfte die jeweilige Spezies als „beschrieben“ gelten. Der Erste, der diesen engen Rahmen durchbrach, war der Franzose Jean-Henri Fabre. Er wird manchmal als der Vater der Verhaltensforschung in Anspruch genommen, aber tatsächlich war er viel mehr als das. Mit den kleinsten, scheinbar uninteressantesten Kreaturen überhaupt hat er sich sein Leben lang beschäftigt, den Insekten. Man höre ihm zu, was er über sie zu sagen hat, und vor allem, wie er es tut!
  „Zu dem fleißigen Volk, das mauert, spinnt, webt, knetet, sammelt, jagt und einmacht, gesellt sich das Volk der Parasiten, das herumlungert von einem Bau zum anderen, an den Türen lauert und Gelegenheit sucht, die eigene Familie auf Kosten anderer unterzubringen. (. . . ) Die umsorgte Familie des Arbeiters, für die eine Unterkunft gebaut und Vorräte angelegt worden sind, wird von den Eindringlingen aufgefressen, da sie noch kaum ein wenig Kinderspeck angesetzt hat.“ Das ist voller Zuneigung gesagt, doch ohne die Tiere je zu vermenschlichen. Fabre sieht, dass sie sich plagen, nicht anders als wir auch, und zweifelt darum nicht an einer tiefen Übereinstimmung, trotz aller Unterschiede in Anatomie und Größenverhältnissen. Dass sie dabei ihrem Instinkt folgen, stellt für ihn keinen Einwand dar; er sieht sie dennoch in ihren Entscheidungen, ob dies etwa der richtige Ort zur Eiablage sei, zaudern wie einen Menschen, der sich nach einem geeigneten Kindergarten umsieht; das winzige Geschöpf, das er über Stunden und Tage unermüdlich dabei beobachtet, nennt er stets „die Mutter“.
  Im Unterschied zu den Instituten der heutigen Biologie benötigt Fabre für seine Arbeit so gut wie keine finanziellen Mittel; als einzelner Privatmann, höchstens im Alter unterstützt von seinem Sohn, zieht er durch seinen „harmas“, das krautige, im Sommer vertrocknete und glühend heiße Ödland im französischen Midi, ausgerüstet mit Spaten, Botanisiertrommel und Lupe; mehr braucht er für seine Forschungen nicht. Doch was er auf diese Weise herausgefunden hat, füllt nicht weniger als zehn dickleibige Bände von „Entomologischen Erinnerungen“, die eine unglaubliche Fülle grundlegender Feldforschung dokumentieren und nebenbei von seinem eigenen recht ärmlichen Dasein Zeugnis geben – lange schlägt er sich als Dorfschullehrer durch. Doch Darwin schätzt ihn und schreibt ihm vier Briefe, und am Ende seines über neunzigjährigen Lebens wird ihm der Nobelpreis zuerkannt (die Verleihung verhindert der Ausbruch des Ersten Weltkriegs), nicht etwa in einem naturwissenschaftlichen Fach, sondern für Literatur.
  In Deutschland ist Fabre lang so gut wie unbekannt gewesen. Das hat sich in den letzten Jahren sehr geändert. Gleich zwei Editionsprojekte haben Fabres Hauptwerk verfügbar gemacht. Matthes & Seitz hat das seinige (in der Übersetzung von Friedrich Koch und Heide Lipecky) inzwischen abgeschlossen, Franz-Josef Wittmann legt soeben seine Version der dritten „Serie“ vor, als vierten der zehn Bände. Wittmanns Werk und Leben weisen eine wohl nicht ganz zufällige Ähnlichkeit mit Fabre auf: Inzwischen über achtzig Jahre alt, hat sich der frühere Münchner Anwalt nach seinem Ruhestand im ländlichen Südfrankreich eingerichtet, arbeitet ganz für sich und verlegt auch seine Bücher selbst, wobei er, anders als der Berliner Verlag, auch den französischen Text aufnimmt.
  Die zwei Projekte kamen wohl in Gang, ohne voneinander zu wissen, und unterscheiden sich einigermaßen in ihrem sprachlichen Habitus: gediegen und etwas nüchtern bei Matthes & Seitz, unverkennbar von Feuer und Eleganz des Originals angeregt bei Wittmann. Man kann dieses Buch auf ganz verschiedene Weisen lesen. Als wissenschaftliches Werk dürfte es in der Genauigkeit seiner Beobachtungen bis heute nicht überholt sein. Als „Souvenirs“, wie der französische Titel lautet, bringt es dem Leser das Leben des Autors in einem kargen Arkadien vor Augen, beseelt von seiner großen Aufgabe im Kleinen. Als Abfolge von Dramen in einer Nussschale (diese ist manchmal ganz wörtlich zu verstehen) führt es erstaunliche und oft grässliche Lebensläufe vor, etwa wenn detailliert geschildert wird, wie ein winziger Schmarotzer seinen gelähmten dicken Wirt über Wochen nach einem ganz bestimmten Plan auffrisst – lebendig, damit der Vorrat nicht schlecht wird.
  Speziell diese dritte Serie aber hat noch einen Aspekt, der Sprengstoff birgt. Fabre mag mit Darwin korrespondiert haben; dessen Ansichten teilte er nicht. Er legt den Finger mit großem Nachdruck auf die bis heute verletzlichste Stelle der Evolutionstheorie: den Instinkt. Aus seinem reichen Erfahrungsschatz bringt er Beispiel um Beispiel äußerst komplexer Abläufe, die nur im exakten Zusammenspiel sämtlicher Komponenten zum Ziel führen und von den betreffenden Insekten, die keinerlei Gelegenheiten zum Lernen hatten, immer mit völliger Sicherheit ausgeführt werden. Woher weiß der kleine Hautflügler namens Tachytes, wenn er seine Riesenbeute, die Gottesanbeterin, angreift, dass er in einem bestimmten Augenblick eine bestimmte Stelle mit seinem Stachel treffen muss, um deren lebensgefährliche Fangarme zu paralysieren? „Diese Wissenschaft, die sich selbst nicht kennt, haben sie und ihre Art nicht aus Versuchen gelernt, die immer mehr perfektioniert worden sind, und nicht durch Gewohnheit, die von Generation zu Generation überliefert worden ist. Es ist unmöglich – hundertmal und tausendmal wiederhole ich es – es ist absolut unmöglich, eine Kunst zu erlernen, mit der man verloren ist, wenn man nicht gleich beim ersten Mal Erfolg hat.“
  Die Evolutionstheorie mag sich noch einige Jahrzehnte am Problem des Instinkts vorbeimogeln: Es könnte der Moment kommen, da sich ihr ganzes Lehrgebäude kippen lässt. Fabre, den Wissenschaftler vom Fach zuweilen wegen seiner vermeintlich veralteten Methoden belächelt haben, ist jedenfalls ein Denker und Autor mit Zukunft.
BURKHARD MÜLLER
Jean-Henri Fabre: Entomologische Erinnerungen. Studien zu Instinkt und Verhalten von Insekten. Dritte Serie (1886). Übersetzt und herausgegeben von Franz-Josef Wittmann. Eigenedition bei lulu.com. 456 Seiten, 28 Euro.
Gleich zwei Editionsprojekte
machen Jean-Henri Fabres
Hauptwerk auf Deutsch verfügbar
Jean-Henri Fabre, um 1910 bei der Insektenbeobachtung.
Foto: akg-images
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