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EIN GENOZID WIE JEDER ANDERE?
Ist es ein neuer Historikerstreit? Die Erinnerung an den Holocaust in Deutschland steht plötzlich in der Kritik. Was eben noch als eine politische und gesellschaftliche Errungenschaft galt, verstehen manche nun als einen «Katechismus», der den Deutschen aufgezwungen sei und über dessen Einhaltung «Hohepriester» wachten. Seine wahre Funktion sei es, andere historische Verbrechen auszublenden und dem Mord an den Juden eine übertriebene Rolle im kollektiven Gedächtnis der Deutschen einzuräumen. Dieser Band tritt solchen Thesen entgegen.
Saul Friedländer,
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Produktbeschreibung
EIN GENOZID WIE JEDER ANDERE?

Ist es ein neuer Historikerstreit? Die Erinnerung an den Holocaust in Deutschland steht plötzlich in der Kritik. Was eben noch als eine politische und gesellschaftliche Errungenschaft galt, verstehen manche nun als einen «Katechismus», der den Deutschen aufgezwungen sei und über dessen Einhaltung «Hohepriester» wachten. Seine wahre Funktion sei es, andere historische Verbrechen auszublenden und dem Mord an den Juden eine übertriebene Rolle im kollektiven Gedächtnis der Deutschen einzuräumen. Dieser Band tritt solchen Thesen entgegen.

Saul Friedländer, Norbert Frei, Sybille Steinbacher und Dan Diner zeigen aus jeweils unterschiedlichen Perspektiven, warum das Argument der Präzedenzlosigkeit des Holocaust historisch gut begründet ist. Zugleich machen sie deutlich, dass die Erinnerung insbesondere an die Kolonialverbrechen einen größeren Platz erhalten sollte, ohne deshalb die kritische Auseinandersetzung mit dem Holocaust beiseitezuschieben.
Mit einem kurzen Text «Statt eines Vorworts» eröffnet Jürgen Habermas den Band.

Die Debatte um den Holocaust kommt nicht zur Ruhe Ein Genozid wie jeder andere? Über Holocaustvergleiche und koloniale Gewalt
Autorenporträt
Saul Friedländer ist Holocaust-Historiker und lehrte bis zu seiner Emeritierung an den Universitäten von Tel Aviv und Los Angeles. Norbert Frei ist Zeithistoriker und lehrte bis zu seiner Emeritierung an der Universität Jena. Dan Diner ist Historiker für Moderne Geschichte und lehrte an den Universitäten Jerusalem und Leipzig. Er war zuletzt Direktor des Simon-Dubnow-Instituts für Jüdische Geschichte und Kultur. Jürgen Habermas ist Philosoph und Soziologe und lehrte zuletzt an der Universität Frankfurt am Main.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Rezensentin Tania Martini lässt sich von den Historikern Saul Friedländer, Norbert Frei, Sybille Steinbacher und Dan Diner die blinden Flecken der postkolonialen Theorie beleuchten und den Historikerstreit 2.0 rekapitulieren. Die in Zeitungen erschienenen und um Texte von Steinbacher und Habermas ergänzten Aufsätze im Zusammenhang mit dem Streit findet sie allesamt klug. Resümiert wird laut Martini nicht nur der wachsende Judenhass in den USA, sondern auch die Präzedenzlosigkeit der Shoah und inwiefern ein als Kolonialmacht verstandenes Israel gemeint ist, wenn die Holocaustforschung angegriffen wird. Geeignet, die Kernthesen der Postkolonialismus-Shoah-Debatte zu überblicken, ermöglicht der Band laut Martini auch eine Einordnung der diversen "postkolonial inspirierten" Verunglimpfungen Israels. Erinnerung und historische Aufklärung haben kein Ende, niemals, versteht die Rezensentin.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.01.2022

Kontra Dirk Moses
Beiträge zum "Zweiten Historikerstreit"

Das deutsche Wort "Historikerstreit" ist seit 1986 nicht nur Begriff, sondern auch Name. Worüber in der so benannten, von Zeitungsartikeln des Historikers Ernst Nolte und des Philosophen Jürgen Habermas ausgelösten Kontroverse gestritten wurde, kann man mühelos nachlesen. Schon 1987 erschien bei Piper ein Sammelband mit dem Historikerstreit im Titel - zwischen Anführungszeichen: An dem Streit waren nicht nur Historiker beteiligt, deren Forschungsfragen auch gar nicht im Vordergrund standen. Der Streit war zudem selbstbezüglich, wurde von der politischen Bewirtschaftung des zeithistorischen Gedächtnisses erfasst, die er thematisierte.

Der Untertitel wies das Taschenbuch als "Dokumentation" aus und bestimmte als Gegenstand der Kontroverse "die Einzigartigkeit der nationalsozialistischen Judenvernichtung". Große diplomatische Anstrengungen waren nötig, damit alle Akteure einem Nachdruck ihrer Beiträge unter dem gemeinsamen Dach eines Buches zustimmten. Da es keinen Wissenschaftler mit schiedsrichterlicher Autorität gab, erschien der Band mit 27 Autoren ohne Herausgeber und ohne editorischen Apparat.

Im vergangenen Jahr erlebte die deutsche Öffentlichkeit eine Kontroverse, die rasch als "Zweiter Historikerstreit" oder vielleicht passender "Historikerstreit 2.0" bezeichnet wurde. Ihr Auslöser, ein Artikel des australischen Historikers Dirk Moses mit der Überschrift "Der Katechismus der Deutschen", wurde im Mai 2021 nicht in einem gedruckten Medium publiziert, sondern in einem von Schweizer Historikern betriebenen Blog.

Zu diesem neuen Streit liegt jetzt schon ein Taschenbuch vor, das markante Beiträge nachdruckt. Es kommt ebenfalls ohne Herausgeber aus, was diesmal freilich keine durch den Willen zur Unparteilichkeit bedingte Verlegenheit ist. Das locker gesetzte Bändchen versammelt ausschließlich Kritiker der Thesen von Moses: Zu teilweise erweiterten Artikeln von Saul Friedländer, Norbert Frei und Dan Diner aus "Zeit", "Süddeutscher Zeitung" und F.A.Z. tritt ein Originalbeitrag von Sybille Steinbacher, Direktorin des Fritz-Bauer-Instituts. Ein bislang eher als salomonisch rezipierter sehr kurzer Text von Habermas aus dem "Philosophie Magazin" ist "statt eines Vorworts" vorangestellt.

Für Fachhistoriker, die nicht nur für die Fachwelt schreiben, ist der Beck-Verlag heute die erste Adresse. Hier wird nicht gesagt, wer die im Untertitel angekündigten "Anmerkungen zum neuen Streit über den Holocaust" zusammengestellt hat und welche Gesichtspunkte dabei leitend waren. Die Einlassung von Habermas kann diese Orientierung des Lesers schon gar nicht ersetzen. Ein bibliographischer Überblick wird nicht geboten; man erfährt nicht, dass in der "Berliner Zeitung" eine Replik von Moses auf Habermas erschienen ist. Nur zwei Aufsätze sind mit Anmerkungen versehen. Um einen Vergleich mit der Sphäre der theologischen Kontroversliteratur zu verwenden, die Moses mit seiner Begriffswahl ebenso wie mit dem Stil seiner Polemik heraufbeschworen hat: Der Beck-Band bietet nur die Gegenargumente; die Argumente muss man erschließen, wie die verschollenen Schriften heidnischer Philosophen aus ihrer Widerlegung durch die Kirchenväter.

Dass der Band nicht "Historikerstreit 2.0" heißt, bedeutet nicht, dass die fünf Autoren den Vergleich der beiden Debatten über die Vergleichbarkeit für abwegig hielten; sie werfen Moses vor, wie Nolte den Holocaust durch die Forderung nach Vergleich mit anderen Genoziden zu relativieren. Der Titel "Ein Verbrechen ohne Namen" ist ein von Diner angeführtes Zitat von Winston Churchill. Man kann es so verstehen, dass sich der Holocaust der dauerhaften Objektivierung durch eine fixe Nomenklatur entzieht, wie jedes Ereignis, das Gegenstand historischer Forschung ist. Die Assoziation mit dem Namen Gottes, den man nicht aussprechen oder niederschreiben soll, kann nicht gewollt sein, denn die Autoren bestreiten ja die Behauptung von Dirk Moses, dass ein Tabu und nicht der Stand der historischen Erkenntnis die Erinnerung an den Holocaust in Deutschland bestimme. PATRICK BAHNERS.

Saul Friedländer, Norbert Frei, Sybille Steinbacher, Dan Diner und Jürgen Habermas: "Ein Verbrechen ohne Namen". Anmerkungen zum neuen Streit über den Holocaust.

C. H. Beck Verlag, München 2022. 96 S., br., 12,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Ein hochkarätiges Autorenteam um Saul Friedländer macht nun klar: Vergleichen kann man vieles. Aber der Kontext ist entscheidend. Der Holocaust war einzigartig, weil er sich gegen die eigene Bevölkerung richtete: Juden mussten zuerst als Juden gekennzeichnet werden, dann begann man sie systematisch zu ermorden."
NZZ Geschichte, Lea Haller

"Das Buch eignet sich nicht nur hervorragend, um sich einen Überblick über die Kernpunkte der Postkolonialismus-Shoah-Diskussion zu verschaffen, sondern hilft auch zu verstehen, wie falsch, geschichtsvergessen und tatsächlich oft auch antisemitisch viele postkolonial inspirierte Schmähungen Israels sind."
taz, Tania Martini

"sehr lesenswerter Band"
DER TAGESSPIEGEL, Ernst Piper

"bietet guten Überblick"
DER TAGESSPIEGEL, Caroline Fetscher

"Für die weitere Debatte kann man wohl nicht verzichten auf das, was der schmale Band mit Beiträgen von Saul Friedländer, Norbert Frei, Sybille Steinbacher und Dan Diner zu bieten hat."
Frankfurter Rundschau, Matthias Arning

"Das Buch ist ein wichtiger Einwurf in die derzeitige Debatte."
Jungle World, Guido Sprügel

"Die Autoren des Sammelbandes ... setzen ... den Zuschreibungen all jene Fakten entgegen, die doch eigentlich bekannt sein sollten."
Jüdische Allgemeine, Marko Martin

"der Holocaust war mehr als eine schreckliche Ausuferung des Kolonialismus. Das zeigen die renommierten Autor_innen des vorliegenden Bandes in fachkundiger Weise"
socialnet.de, Wolfgang Frindte
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