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Nie zuvor konnte die Medizin so viel Gutes tun wie heute - und nie zuvor waren so viele Patienten unzufrieden mit den Medizinern. Denn vielen Ärzten ist die Kunst des Heilens abhanden gekommen, die sehr viel mehr beinhaltet als diagnostische Skills und technisches Know-how: "Heilkunst" beruht vor allem auf einer gelungenen Arzt-Patienten-Beziehung. Bernard Lown, einer der renommiertesten Ärzte unserer Zeit, propagiert ein neues Paradigma: eine Medizin mit menschlichem Gesicht, in der das Verhältnis von Patient und Arzt ebenso wichtig ist wie das Beherrschen moderner medizinischer Technik. Eine…mehr

Produktbeschreibung
Nie zuvor konnte die Medizin so viel Gutes tun wie heute - und nie zuvor waren so viele Patienten unzufrieden mit den Medizinern. Denn vielen Ärzten ist die Kunst des Heilens abhanden gekommen, die sehr viel mehr beinhaltet als diagnostische Skills und technisches Know-how: "Heilkunst" beruht vor allem auf einer gelungenen Arzt-Patienten-Beziehung. Bernard Lown, einer der renommiertesten Ärzte unserer Zeit, propagiert ein neues Paradigma: eine Medizin mit menschlichem Gesicht, in der das Verhältnis von Patient und Arzt ebenso wichtig ist wie das Beherrschen moderner medizinischer Technik. Eine solche Kunst des Heilens kann oft mehr erreichen als alle Wunder der modernen Medizintechnologie. Gleichzeitig werden die Gesundheitskosten wirksamer bekämpft als mit vielen Bemühungen um Strukturreformen im Gesundheitswesen. Bernard Lown, der das "Lown Cardiovascular Center" an der Harvard Medical School gegründet hat, ist Kardiologe von Weltrang. Er entwickelte die geltende Klassifikation der Herzrhythmusstörungen und erfand die Elektrodefibrillation bei Kammer- und Vorhofflimmern, die seither vielen Tausend Menschen das Leben gerettet hat. Lown erhielt allerdings nicht etwa den Nobelpreis für Medizin, sondern konnte 1985 den Friedensnobelpreis für die von ihm gegründete Vereinigung "Ärzte gegen den Atomkrieg" (IPPNW) entgegennehmen. In diesem Buch, dessen deutsche Ausgabe exklusiv bei Schattauer erscheint, schildert Lown ohne moralisierenden Zeigefinger sein ärztliches Wirken, seine Erfahrungen, seine Erfolge, aber auch seine Fehler - auf ebenso unterhaltsame wie bereichernde Weise. Das Buch quillt nahezu über von anschaulichen, lebendigen Kasuistiken, die jeden Arzt an eigene Erlebnisse in Klinik und Praxis erinnern werden. Der Tenor des Buches ist ermutigend, ein wirksames Antidot gegen die deprimierenden, zum Teil zynischen Genrebilder aus dem ärztlichen Alltag, die in den vergangenen Jahren so sehr in Mode waren.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.09.2002

Jedem Arzt seinen Friedhof
Vorsicht, Leitlinie: Bernard Lown rügt die Medizin-Maschinerie

Um es gleich vorweg zu sagen: Das Buch gehört zum Besten, was im Rahmen der aktuellen gesundheitspolitischen Debatte zum Thema Krankheit und Medizin zu lesen ist, ein Klassiker von Geburt sozusagen. Wer eine neuerliche philosophische Grundierung des Arztseins erwartete, der sieht sich zum Glück getäuscht. Solche Versuche gibt es in Fülle und sie scheitern seit Jahrhunderten. Anders Bernard Lown, der zu den angesehensten Herzspezialisten der Welt zählt. Er schreibt sich die ärztliche Seele vom Leib und führt höchst instruktiv ins pralle Leben des ärztlichen Alltags. Herausgekommen ist ein narratives Kompendium der Heilkunst, eine angenehme Pflichtlektüre für Ärzte, Pflegepersonal und (potentielle) Patienten.

Viele verdanken dem Autor ihr Leben, auch wenn sie es vielleicht nicht wissen. Der Elektroschock, mit dem es gelingt, lebensbedrohliche Störungen des Herzschlags in Sekunden zu behandeln, geht auf die bahnbrechenden Experimente Lowns in den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts zurück. Heute gehört der Defibrillator zur Grundausstattung jedes Rettungswagens. Und man muß es einmal erlebt haben, wie ein Patient, der im Sterben liegt, nach dem Stromschlag wieder die Augen aufschlägt und unversehens ins Leben zurückkehrt, um die Achtung zu verstehen, den der Name Lown in der medizinischen Welt noch heute genießt.

Was immer Lown uns zu sagen hat, erläutert er anhand von Patientengeschichten. Aus dieser unerschöpflichen Quelle eines langen und reichen Arztlebens schöpft der Autor, um zu explizieren, was klinische Weisheit ausmacht. Sie reicht von der Kunst des Zuhörens über die Berührung, die auch die verborgenen Geheimnisse der Patienten nicht umgeht, über heilende Worte bis zur Erkenntnis, daß man auch als Arzt nicht alles vermag und Tod und Sterben erst unserem Leben Bedeutung geben.

Auch hier erzählt Lown eine Geschichte. Ein Patient wird mit einem wiederholten Herzinfarkt in die Klinik eingeliefert. Jeder weiß, er hat keine Chance. Dennoch hebt die hektische Maschinerie an mit allerlei technischem Gerät. Die Angehörigen kommen gar nicht an den Sterbenden heran. Nach einem kurzen Gespräch mit ihnen werden die Maßnahmen beendet. Alle verlassen den Raum, nur Lown und die Angehörigen bleiben zurück. Keiner der Mitarbeiter schaut beim Patienten vorbei, bis er stirbt. "Hätten wir beschlossen, ihn mit einer Ballonpumpe zu behandeln oder das Schock-Team zu rufen oder hätten ihn als Kandidaten für eine Bypass-Operation angesehen, dann wären sie alle um sein Bett gehüpft."

Heilen ist mehr als Behandeln. "In unserem modernen Zeitalter nährt die zunehmende Nähe von Medizin und Wissenschaft die Illusion, beide seien identisch." Die Folge sei, daß Ärzte den Einsatz am Krankenbett vernachlässigten. Lown beschönigt nichts: Jeder Arzt hat seinen Friedhof. Er berichtet, wie der von ihm verursachte Tod einer Patientin ihn noch nach Jahren im Schlaf verfolgt. Auch für den Umgang mit ärztlicher Schuld und Versagen läßt sich von ihm lernen.

Zentrale Aussage dieses Bandes: Wissenschaft kann niemals die ärztliche Entscheidung ersetzen. "Viele klinische Probleme sind einmalig und außergewöhnlich und noch niemals dem praktizierenden Arzt zuvor begegnet." Natürlich läßt sich mit dem Heilen nicht warten, bis Ergebnisse einer wissenschaftlichen Studie vorliegen. Dies schreibt Lown all denen ins Stammbuch, die glauben, das ärztliche Handeln mit "Leitlinien" und einer "gemanagten" Gesundheitsfürsorge autoritativ regulieren zu müssen. Solche Modelle erfreuen sich nicht nur in Amerika, sondern auch in Deutschland wachsender Beliebtheit, besonders unter Gesundheitspolitikern und Managern von Wagniskapital. Während die einen hoffen, sie könnten ihrer Klientel die harte Wahrheit der "Rationierung" ersparen, wittern die andern raschen Gewinn. Beide glauben, Wirtschaftlichkeitsreserven durch Industrialisierung auch in der Medizin nahezu unbegrenzt mobilisieren zu können.

Denen hält Lown entgegen, daß die Heilkunst im Kern stets ein Handwerk bleiben wird, bei dem nicht ein Maßnahmenkatalog an die Stelle der Erfahrung treten kann. Der Unerfahrene, der geneigt ist, "medizinische Fakten" als scheinbar für sich selbst sprechende "Evidenzen" anzusehen, könne - gerade wenn ihm eine hochgerüstete Technologie zur Verfügung stehe - das Krankenhaus für den Patienten zu einem gefährlichen Ort machen, bekennt Lown anhand diskret und eindringlich beschriebener Beispiele. "Sogenannte medizinische Fakten sind biologische Annäherungswerte; Verlaufsdaten und Prognose sind statistisch bestimmbar. Ihre Anwendung auf einen individuellen Patienten erfordert immer eine Auswahl unter verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten. Ein erfahrener Arzt weiß, daß nur allzuoft der Bereich der Wissenschaft einen Großteil der klinischen Probleme nicht erfaßt."

Ein Pionier der Forschung wie Bernard Lown steht gewiß nicht im Verdacht, mit derartigen Äußerungen die unwissenschaftlichen Anmaßungen paramedizinischer Quacksalber zu rechtfertigen. Die Wissenschaft zählt er zu den "berauschenden" Abenteuern. Aber er verfällt ihr nicht. Er weist ihr vielmehr den Sitz im Leben zu, zumindest dem der Medizin. Sie kann das Heilen nicht ersetzen, auch wenn sie als definierbarer Standard immerhin vor manchem Irrtum bewahren kann. Weil Lown die Verantwortung für das Leben auch außerhalb der medizinischen Fakultäten verspürte, konnte er mit dem russischen Kardiologen Chazov die Ärzteorganisation gegen den Atomkrieg gründen (IPPNW), die 1985 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde. Zur Zeit des Kalten Kriegs wurde sie heftig kritisiert. Bei der Lektüre seines Buches bemerkt der Leser in jeder Zeile, daß sich da einer mit Herzblut für seine Patienten und seine Überzeugungen einsetzt.

Glück für den Leser: Lown erweist sich als begnadeter Erzähler. Nüchtern, schnörkellos und mit viel Humor. Den braucht man auch als Therapeut, wie die Geschichte vom Patienten belegt, dessen Frau an einer Cholesterinophobie leidet und ihm den Genuß von Eiern verbietet. Lown hält nichts von der Hysterie ums Cholesterin. Er verordnet sonntags ein Omelett.

STEPHAN SAHM

Bernard Lown: "Die verlorene Kunst des Heilens". Anleitung zum Umdenken. Aus dem Amerikanischen von Ulrich Gottstein. Schattauer Verlag, Stuttgart 2002. 281 S., geb., 29,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Stephan Sahm kommt aus dem Schwärmen über dieses Buch des Arztes und Herzspezialisten gar nicht mehr heraus. Ein "Klassiker" schon jetzt , preist er das Werk, das sich an Ärzte, medizinisches Personal und Patienten gleichermaßen richtet. Der Rezensent fühlt sich "höchst instruktiv" in den Arbeitsalltag des Arztes eingeführt und er rühmt das Buch zudem als das "Beste", was es zur Medizindebatte unserer Tage zu lesen gibt. Dass der Autor seine Ansichten stets anhand von Patientengeschichten zum Ausdruck bringt, lobt Sahm als sehr anschaulich. Überhaupt preist er Lown als "begnadeten Erzähler", der nicht nur nüchtern und sachlich, sondern auch mit viel "Humor" zu argumentieren weiß. Beeindruckt informiert der Rezensent zudem vom Engagement des Autors in der Ärzteorganisation gegen den Atomkrieg sowie vom Einsatz für die Patienten, den er nicht zuletzt in diesem Buch eindrucksvoll belegt sieht.

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