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Dem Westen sind viele islamische Traditionen wie der Sufismus unbekannt und kaum vertraut. Er kennt somit den friedlichen Islam und seine Geschichte nicht, also auch nicht die Chancen auf einen Ausgleich und ein Miteinander zwischen den Weltreligionen und Kulturen. Der Kulturwissenschaftler Gerhard Schweizer stellt Leben und Werk herausragender muslimischer Mystiker vor. Er zeigt ihre geistigen Verbindungen zu Christentum, Hinduismus und Buddhismus, entreißt eine große islamische Tradition dem Vergessen und vermittelt einen friedlichen Islam. Gerade der Sufismus überwindet begrenzte religiöse…mehr

Produktbeschreibung
Dem Westen sind viele islamische Traditionen wie der Sufismus unbekannt und kaum vertraut. Er kennt somit den friedlichen Islam und seine Geschichte nicht, also auch nicht die Chancen auf einen Ausgleich und ein Miteinander zwischen den Weltreligionen und Kulturen.
Der Kulturwissenschaftler Gerhard Schweizer stellt Leben und Werk herausragender muslimischer Mystiker vor. Er zeigt ihre geistigen Verbindungen zu Christentum, Hinduismus und Buddhismus, entreißt eine große islamische Tradition dem Vergessen und vermittelt einen friedlichen Islam. Gerade der Sufismus überwindet begrenzte religiöse Sichtweisen und praktiziert Gelassenheit gegenüber anderen Erfahrungen und Kulturen. Dadurch wurde er zu einer ständigen Herausforderung für den Dogmatismus und Fundamentalismus im Islam. Exemplarisch wird Celaleddin Rumi 1207 - 1273) als religiöse Leitfigur vorgestellt. Seine Wirkung reicht bis in die Gegenwart und wird einen Höhepunkt im Jahr 2007 erleben, wenn die gesamte islamische Welt seinen 800. Geburtstag feiert.
Gerhard Schweizer ist einer der führenden Experten für die Analyse der Kulturkonflikte zwischen Abendland und Orient und gilt als ausgewiesener Kenner der islamischen Welt.
Autorenporträt
Gerhard Schweizer, 1940 in Stuttgart geboren, promovierte an der Universität Tübingen in Empirischer Kulturwissenschaft. Er ist Experte für den Islam und hat dazu mehrere Bücher veröffentlicht, die als Standardwerke gelten. Er lebt als freier Schriftsteller in Wien. Einem breiten Publikum wurde er vor allem durch seine Bücher über den asiatischen und arabischen Raum bekannt.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.08.2007

Sufisten statt Fundamentalisten
Nützliche Träumer? Ein Buch über die islamischen Mystiker
Den Herrschenden der islamischen Welt waren die Mystiker fast immer verdächtig. Ihr Streben nach einer direkten, persönlichen Beziehung zu Gott führte sie hinweg von der traditionellen Symbi-ose von Staat und offizieller religiöser Verkündung durch Moscheen und Schulen. Dieses Misstrauen der Obrigkeit gegen den Wildwuchs der Gläubigkeit ist nach wie vor lebendig. Erst im vorigen Jahr gingen die Behörden der Islamischen Republik Iran, wo die mystischen Orden offiziell verboten sind, in Ghom rigoros gegen zweitausend Angehörige einer Bruderschaft vor, die ein Wohnhaus in eine Stätte ritueller Übungen umgewandelt hatten. Unauffällige Versammlungshäuser gibt es auch in Teheran.
Enttäuscht von der Verquickung von Religion und Politik, haben sich in Iran schätzungsweise zwei bis fünf Millionen Menschen den Bruderschaften zugewandt. Vor der Revolution dürften es nur 100 000 gewesen sein. Selber nennen sie sich meist „Derwische” oder „Sufis”, nach der Kutte aus Wolle (arabisch: Suf), die wandernde Brüder zu tragen pflegen. Im Westen ist das Bild der Mystiker weitgehend durch sogenannte tanzende, heulende oder bettelnde Derwische verzerrt. Tatsächlich gehören den Bruderschaften heute besonders in Großstädten islamischer Länder von Istanbul bis Kalkutta zahlreiche Intellektuelle und Akademiker an, die im Alltag erfolgreich sind. Auch viele Frauen, deren Zahl und Bedeutung der Autor des hier anzuzeigenden Buches über den Sufismus vielleicht etwas unterschätzt, sind dabei.
Gerhard Schweizer gibt in diesem Buch einen guten, leicht verständlichen Überblick der Ursprünge, der Geschichte, der verschiedenen Zweige und des Wesens der Bruderschaften, die sich seit dem Mittelalter von Zentralasien bis nach Südosteuropa, Afrika und in den Maghreb ausdehnten. Mehrfach durchdrangen Derwische den Machtapparat von Staaten, so als Bektaschi-Prediger einen großen Teil der Janitscharen, der Elitesoldaten des Osmanischen Reiches, für sich gewannen. Als der Reform-Sultan Mahmud II. 1826 seine Armee nach europäischem Vorbild modernisieren wollte, ließ er 30 000 Janitscharen, die dagegen Widerstand leisteten, abschlachten.
Überall, wo Modernisten an die Macht kamen, wurden die Bruderschaften verboten, durch Atatürk in der Türkei, durch Nasser in Ägypten. Doch überall überlebten sie. Ohne die Derwische, die im Kaukasus und in Zentralasien während der Jahrzehnte sowjetischer Unterdrückung ihren Volks-Islam ohne Moscheen und ohne sichtbare Organisation am Leben hielten, wäre eine islamische Renaissance nach dem Zusammenbruch der UdSSR kaum möglich gewesen.
Auch in der laizistischen Türkei blieben die Bruderschaften unter der Oberfläche so stark, dass aus ihren Reihen oder ihrem geistigen Umfeld während der vergangenen Jahrzehnte drei Regierungschefs hervorgingen: Necmettin Erbakan, Turgut Özal und Recep Erdogan. In einigen islamischen Staaten werden die Sufis neuerdings wieder diskret gefördert. Denn zwischen ihnen und den Islamisten herrscht Feindschaft. Für die Fundamentalisten sind Mystiker, die ihr persönliches Heil abseits der Orthodoxie suchen, Ketzer. In den Augen der Regierenden können sie als nützliche Träumer eine Art Gegengift sein.
Oftmals waren Mystiker die Anführer des Widerstandes gegen die koloniale Durchdringung ihrer Heimat. Abd al-Kadir, Scheich der Kadirijah-Bruderschaft, wehrte sich 15 Jahre lang gegen die französische Eroberung Algeriens. Der legendäre Scheich Schamil kämpfte im Kaukasus zwei Jahrzehnte lang gegen die Russen. Im Sudan gründete der als „Mahdi” bekannte Koreischi-Scheich Mohammed Ahmed einen Staat, den die Briten erst 1898 nach seinem Tod besiegen konnten.
Mit Vorliebe bezeichneten die Westler jene kämpferischen Mystiker, die sie nicht verstanden, als Verrückte. Die Briten nannten den somalischen Anführer Mohammed Ibn Abdallah „the Mad Mullah”. Die libysche Senussi-Bruderschaft führte vor dem Ersten Weltkrieg einen Kleinkrieg gegen die erobernden Italiener, verlor am Ende, bekam ihr Land jedoch wieder in die Hand, als die Italiener im Zweiten Weltkrieg von den Briten vertrieben wurden. Ihr Senussi-Königreich, das Muammar el-Gaddafi 1969 stürzte, war der bisher letzte Staat eines Mystiker-Ordens. RUDOLPH CHIMELLI
GERHARD SCHWEIZER: Der unbekannte Islam. Sufismus – die religiöse Herausforderung. Klett-Cotta, Stuttgart 2007. 334 Seiten, 22,50 Euro.
Ein Hüpf-Gebet der Sufi-Bruderschaft Sammaniya im Sudan Foto: Corbis
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Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Anregend findet Rezensent Hilal Sezgin dieses Buch über die islamische Sufi-Mystik, das Gerhard Schweizer vorgelegt hat. Dass der Autor Kulturwissenschaftler und nicht Arabist oder Islamwissenschaftler ist und demzufolge bei den Quellen zum Sufismus auf Übersetzungen angewiesen ist, will Sezgin ihm nicht vorwerfen, weil sie das Buch ohnehin nicht als Werk über Geschichte und Gegenwart des Sufismus versteht. Dafür wurde Sezgin eh die Arbeiten der zur islamischen Mystik der Orientalistin Annemarie Schimmel empfehlen. Sezgin versteht Schweizers Arbeit eher als philosophischen oder religiösen Essay, der einen inspiriert, "über die Grenzen der Religion nachzudenken und über die Möglichkeit, diese zu überschreiten". Besonders hebt sie dabei auch die Faszination des Autors über den unorthodoxen Zugang zur Religion hervor, den der Sufismus bietet. Die Hoffnung Schweizers, der Sufismus könne den gegenwärtigen Islam von reaktionären Tendenzen befreien, scheint Sezgin demgegenüber reichlich "absurd".

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