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"Der dicke Stengel", so heißt das dicke Buch des Hansgeorg Stengel gespickt mit Humoristischem und Satirischem. Von der Conference oder dem Kabarett-Text bis zum Epigramm, Wortspiel und Gedicht reicht das Repertoire des Mannes mit der spitzen Feder.
"Schon zeigt der Herbst dem Sommer seine Krallen. Sein Regiment betrübt den braven Mann, denn Bäume lassen zwar die Hüllen fallen, die Mädchen aber ziehen sich was an." So kann man den September auch sehen. So jedenfalls sieht ihn Hansgeorg Stengel. Mit Witz und Charme nimmt er Alltägliches und Ungewöhnliches…mehr

Produktbeschreibung
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Hier kommt's stiefelsdick
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"Der dicke Stengel", so heißt das dicke Buch des Hansgeorg Stengel gespickt mit Humoristischem und Satirischem. Von der Conference oder dem Kabarett-Text bis zum Epigramm, Wortspiel und Gedicht reicht das Repertoire des Mannes mit der spitzen Feder.
"Schon zeigt der Herbst dem Sommer seine Krallen. Sein Regiment betrübt den braven Mann, denn Bäume lassen zwar die Hüllen fallen, die Mädchen aber ziehen sich was an." So kann man den September auch sehen. So jedenfalls sieht ihn Hansgeorg Stengel. Mit Witz und Charme nimmt er Alltägliches und Ungewöhnliches unter die Lupe. Nichts ist vor ihm sicher. In zahllosen Versen, Prosatexten, Kabarettszenen und Satiren fühlt er seinen Mitmenschen auf den Zahn. Mit einem Augenzwinkern stellt er die Sprache auf den Kopf: Palindrome und Riesenschlangenwörter gehören zu seinen Spezialitäten. Jeder kennt zwar den "Unterstufenlehrerweiterbildungskurs", aber wer hat schon von der "Sommermädchenküssetauschelächelbeichte" gehört, in der ein Mädchen "sehnsuchtstränentröpfeltrauerbang" dem herzutretenden "Augenblinzeljunggesellen" so "zitterjubelschauderherzensgut" ist?
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.11.1999

Förderung des proletarischen Humors
Mit Honecker in der Hölle des volkseigenen Witztums

So lachte man in der DDR. Witze und Karikaturen. Eulenspiegel-Verlag, Berlin 1999. 160 Seiten, 19,90 Mark.

So lachte man in der DDR. Geschichten. Eulenspiegel-Verlag, Berlin 1999. 160 Seiten, 19,90 Mark

So lachte man in der DDR. Ein Vortragsbuch. Eulenspiegel-Verlag, Berlin 1999. 160 Seiten, 19,90 Mark.

Hansgeorg Stengel: Der dicke Stengel. Herausgegeben von Werner Sellhorn. Illustriert von Hans-Eberhard Ernst. Eulenspiegel-Verlag, Berlin 1999. 392 Seiten, 38,- Mark.

Es muss ganz schön lustig zugegangen sein in der Spaßgesellschaft DDR: in der Warteschlange vor dem Gemüseladen, in der volkseigenen Betriebskantine, bei den Jubelparaden zum Ersten Mai, am FKK-Strand auf Rügen oder zu Hause im Schoß der sozialistischen Musterfamilie. Trübsal geblasen haben nur die reaktionären Griesgrame und die Klassenfeinde des realsozialistischen Lach- und Leselandes. Diesen Eindruck vermitteln gezielt die dreibändige Sammlung "So lachte man in der DDR" und "Der dicke Stengel"-Almanach, die der Berliner Eulenspiegel-Verlag pünktlich zur fünfzigsten Wiederkehr der DDR-Gründung auf den Markt gebracht hat.

Kein Zweifel: die SED wollte von Anfang an, dass die DDR-Bürger ihren Spaß beim Aufbau des Sozialismus hätten. Im Leipziger "Zentralhaus für Kulturarbeit" schufen die Genossen schon Anfang der fünfziger Jahre ein Referat zur Förderung des proletarischen Humors und der Volksbelustigung. Unmittelbar nach den wenig erfreulichen Vorgängen vom 17. Juni 1953 stifteten sie einen eigenen Staatsverlag "für Humor und Satire", den Eulenspiegel-Verlag in Ost-Berlin. Er zählt zu den wenigen Verlagen, die nicht nur den Zusammenbruch der DDR fast unbeschadet überstanden haben, sondern denen schon bald nach der Wende ein Neuanfang gelang. Dabei hat der Lachmonopolist nach der Privatisierung im Jahre 1990 sein Programm, sein Profil und seine Autoren kaum geändert. Im Gegenteil: Eulenspiegel hielt hartnäckig am realsozialistisch Bewährten fest und wurde so geradezu zum Vorreiter der DDR-Nostalgie. Seit Mitte der neunziger Jahre produziert der Verlag in großer Zahl Reprints, Neuauflagen und Blütenlesen aus den guten alten Ulbricht- und Honeckerzeiten und landet damit regelmäßig auf den Bestsellerlisten in den neuen Bundesländern.

"Unsere Arbeiter müssen mehr zu lachen haben", hatte Walter Ulbricht spitzbübisch auf der legendären Bitterfelder Konferenz 1957 gefordert. Wer bei den Geschichten und Vortragsstücken auf das Entstehungsdatum achtet, wird feststellen, dass der Spielraum für Spötter zu Zeiten Ulbrichts weitaus größer war als in den Honeckertagen. In den Fünfzigern mangelte es den staatlich lizenzierten Humoristen zwar nicht an Linientreue, aber immerhin durften sie noch solche Reizthemen wie Verwandtenbesuche aus dem Westen, Mängel in der Versorgung oder Absurditäten der Bürokratie behandeln, die später vollkommen tabu wurden. In den Achtzigern herrschte zwar kein Mangel an erotischer Freizügigkeit, aber die politische Bewegungsfreiheit der Spaßmacher wurde immer weiter eingegrenzt. Geradezu lächerlich wirkte da die formelhafte Berufung auf die Tradition des "Simplizissimus" und auf Kurt Tucholsky. Dessen Lehrsatz "Die Satire darf alles" wurde durch den Zusatz ergänzt: was dem Aufbau des Sozialismus dienlich ist. "Aufbauende" Kritik wurde gefordert, Beiträge zur Hebung der sozialistischen Moral, "humoristische Verbesserungsvorschläge" im Kampf gegen den Alkoholmissbrauch, den Schlendrian im Betrieb und mangelndes politisches Bewusstsein. Da ist manches unfreiwillig komisch wie zum Beispiel ein Sketch, der die DDR-Rentner anleiten soll, bei ihren Westbesuchen Zeugnis abzulegen von der Überlegenheit des Sozialismus. Manche Szenen lesen sich im Nachhinein fast wie Untergangsvisionen. Da irrt eine Familie auf der Suche nach ihrer Neubauwohnung heil- und ziellos durch eine Plattensiedlung, in der alle Hauseingänge gleich aussehen, und landet am Ende im falschen Appartement.

Doch der volkseigene Witz kannte seine Grenzen. Erich Mielkes Grundsatz, "mit der Macht der Arbeiterklasse lassen wir nicht spaßen", galt selbstverständlich auch für "das liebste Kind des Kunstfreundes Erich Honecker, die heitere Muse". Wenn es um die eigene Macht ging, verstand die Partei nicht den geringsten Spaß. Das machen auch die drei Lachbücher des Eulenspiegel-Verlages deutlich. Anders als das Geschichten- und das Vortragsbuch enthält die Witzsammlung ausschließlich Volksweisheiten, die in der DDR-Zeit bis zur Wende nie schwarz auf weiß gedruckt, sondern nur als Flüsterwitze von Mund zu Mund verbeitet worden sind. Dass sie dennoch zwischen Fichtelgebirge und Cap Arkona in aller Munde waren, ist vielfältig belegt, nicht zuletzt durch die Berichte der Stasi. Erstaunlich ist selbst auf diesem Gebiet der starke sowjetische Einfluss. Die beliebtesten Witze funktionieren nach dem Typus: "Anfrage an Radio Jerewan". Wer sie erfindet oder weiterreicht, ist von der Vergänglichkeit der realsozialistischen Herrlichkeit überzeugt und nimmt gleichsam das Weltgericht vorweg. Immer wieder beginnen die Flüsterwitze mit einer Vision: "Stalin, Breschnew und Honecker treffen sich in der Hölle."

Insgesamt fällt jedoch auf, dass die in der DDR kolportierten Scherze nur selten ausgesprochen böse waren. Sie konzentrieren sich auf die offenkundig komischen Seiten des SED-Regimes, auf seine Rituale, auf sein Parteichinesisch und auf die Vergreisung seiner Führung. Heikle Themen wie die Mauer und die politischen Gefangenen bleiben jedenfalls in der Auswahl des namenlos gebliebenen Eulenspiegel-Teams ausgespart. Die "Firma Horch und Guck" kommt eher glimpflich davon, weil man ihre Mitarbeiter mehr für einfältig als listig hält.

Doch der Eulenspiegel hat noch eines draufgesetzt. Bereits zum dritten Mal nach der Wende gibt er zum imaginären "50. Jahrestag" der DDR-Gründung einen "Dicken Stengel" heraus. Hansgeorg Stengel galt und gilt als das Paradepferd des parteilichen DDR-Kabaretts. Bereits seit Anfang der fünfziger Jahre verbreitet der vielfach dekorierte "Doktor humoris causa" unentwegt Heiterkeit. Zu DDR-Zeiten sind von ihm immerhin dreißig Bücher mit einer Auflage von über einer Million erschienen. Die Wende konnte dem "Chefhumoristen" der SED wenig anhaben. Noch heute tingelt der mittlerweile 77 jahre alte Mann im Dienste der PDS Woche für Woche durch die neuen Bundesländer. Bei der Bundestagswahl vor einem Jahr wäre er in seiner sächsischen Heimat fast direkt gewählt worden - und damit zum Alterspräsidenten des Bundestages. Stengels Selbstbewusstsein ist ungebrochen, er hält sich für besser als die Überläufer Biermann und Krug und ist stolz, immer an der richtigen Stelle das Signal zum Lachen gegeben zu haben. Doch die meisten seiner Sprüche sind heute allenfalls noch Insiderwitze nach dem Muster: "Darüber lacht die PDS". Bei anderen "Stengeleien" kann einem auch noch nach Jahrzehnten das Lachen im Halse stecken bleiben, etwa bei der Grusellosung aus der Zeit des Kalten Krieges: "Wir machen Bonns Alleinvertreter zu Gulasch und zu Hackepeter!" Für den "Großmeister des fortschrittlichen Humors" war die Satire immer eine Unterform der Agitation und Propaganda, und zwar "die allerschwierigste". Wie wahr!

PETER SCHÜTT

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