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Das Hermannsdenkmal im Teutoburger Wald und die Denkmäler für Vercingetorix in Clermont-Ferrand: die Bewegungen für die Errichtung dieser Nationaldenkmäler, sozial- und kulturgeschichtlich untersucht
Der Gallier Vercingetorix und der Germane Hermann, die in der Antike (mit unterschiedlichem Erfolg) gegen die Römer gekämpft hatten, wurden im 19. Jahrhundert in Frankreich und in Deutschland zu nationalen Helden. An sie knüpften sich überraschend ähnliche nationale Gründungsmythen; diese sind hier der Ausgangspunkt für einen Vergleich des französischen und des deutschen Nationalismus und der…mehr

Produktbeschreibung
Das Hermannsdenkmal im Teutoburger Wald und die Denkmäler für Vercingetorix in Clermont-Ferrand: die Bewegungen für die Errichtung dieser Nationaldenkmäler, sozial- und kulturgeschichtlich untersucht

Der Gallier Vercingetorix und der Germane Hermann, die in der Antike (mit unterschiedlichem Erfolg) gegen die Römer gekämpft hatten, wurden im 19. Jahrhundert in Frankreich und in Deutschland zu nationalen Helden. An sie knüpften sich überraschend ähnliche nationale Gründungsmythen; diese sind hier der Ausgangspunkt für einen Vergleich des französischen und des deutschen Nationalismus und der bürgerlichen Gesellschaften in den beiden Ländern.
Die Helden des Altertums wurden mit Denkmälern gefeiert, mit dem Hermannsdenkmal im Teutoburger Wald und mit Denkmälern für Vercingetorix in Clermont-Ferrand. Charlotte Tacke untersucht diese Denkmäler auf besondere Weise. Sie betrachtet nicht die Denkmäler als solche, ihre Gestaltung und politische Symbolik, sondern sieht sie im sozialen Raum. In Frankreich wie in Deutschland organisierten sich Denkmalsbewegungen, bürgerliche Vereine, deren Ziel die Errichtung der Denkmäler war. Durch nationale Subskriptionen und Feste versuchten sie, die gesamte Bevölkerung zu mobilisieren und eine verdichtete Kommunikation herzustellen. In diesem Rahmen werden die soziale und kulturelle Vergesellschaftung des Bürgertums in Frankreich und in Deutschland vergleichend analysiert. Der Vergleich geht von identischen kulturellen Erscheinungen, nicht von Verschiedenheiten in den beiden Ländern aus. Er zeigt, wie sich in dem Prozeß der Denkmalserrichtung, vom geselligen Umgang der Individuen im Verein bis zur kollektiven Repräsentation im Fest, die kulturelle Praxis des französischen und des deutschen Bürgertums gestaltete.
Die Denkmalbewegungen eröffnen einen Zugang zur vergleichenden sozial- und kulturgeschichtlichen Analyse der bürgerlichen Gesellschaft und ihrer führenden Gruppen im 19. Jahrhundert. Dabei werden diese Bewegungen durchaus als regionale, sogar als lokale erfaßt. Die Regionen sind die Auvergne und Lippe-Detmold. Der nationale Bezug bleibt aber im Blick, untersucht wird die Nation in der Region. Dies Vorgehen macht sichtbar, wie sich in dem nationalen Symbol der Denkmäler Formen lokaler, regionaler und nationaler Identität verbunden haben.

Inhalt
1. Hermannsmythos und Vercingetorixmythos im 19. Jahrhundert: Imaginäre Schlachten / Nationale Stereotypen und Geschlechtscharaktere / Soziale Räume von Gedächtnisorten / Vergleichende Zusammenfassung.
2. Verein: Der Verein für das Hermannsdenkmal 1838-1875: Zwischen bürgerlicher Gesellschaft und Obrigkeitsstaat / Die Akademie und die Société d'Emulation 1830-1914: Zwischen Notabelnkultur und "couches nouvelles" / Vergleichende Zusammenfassung.
3. Subskription: Subskription für das Hermannsdenkmal 1838-1843 und 1862-1871 / Subskription für die Vercingetorixdenkmäler in Clermont-Ferrand 1869/70 und 1886/87 / Vergleichende Zusammenfassung.
4. Fest: Feste am Hermannsdenkmal: Von der "klassenlosen Bürgergesellschaft" zur "klassenlosen Volksgemeinschaft"? / Feste für Vercingetorix und die 'großen Männer' der 'Auvergne' / Vergleichende Zusammenfassung. Schluß.

Die Autorin
Dr. Charlotte Tacke ist Mitarbeiterin des Europäischen Hochschulinstituts in Florenz.

Interessenten
Historiker, vor allem Sozial- und Kul-turhistoriker; historisch orientierte Soziologen; die entsprechenden Bibliotheken.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.08.1995

Hermann und Vercingetorix
Charlotte Tackes deutsch-französischer Denkmalsvergleich

In einer Zeit, in der Fußballer und Tennisspieler zu "Helden der Nation" gekürt werden, haben es die alten Heroen schwer, ihren Platz im nationalen Götterhimmel zu behaupten. Während Vercingetorix, der siegreiche Gallierfürst von Gergovia und vermeintliche Stammvater der Franzosen, dank Asterix und Obelix wenigstens in der Comic-Welt noch vorkommt, ist der Ruhm von Hermann, dem Germanenhelden und Häuptling der Cherusker, ganz in den Lateinunterricht abgesunken. Doch nimmt sich die Geschichtswissenschaft der gealterten Heroen an.

Anhand der Denkmäler im Teutoburger Wald und in Gergovia bzw. Clermont-Ferrand geht Charlotte Tacke der Rolle von Hermann und Vercingetorix bei der sozialen und kulturellen Konstruktion der deutschen und der französischen Nation nach. Dabei stellt sie nicht die kunsthistorische Analyse der Standbilder und ihrer symbolischen Bildprogramme, sondern die Einbindung der Denkmäler in den "sozialen Raum" beider Gesellschaften in den Mittelpunkt ihrer Arbeit. Weniger in der bildlichen Darstellung als im sozialen Handeln gegenüber den nationalen Symbolen erschließe sich deren tatsächliche Bedeutung in der Gesellschaft. Die Verfasserin widmet sich den Vereinen und ihren Spendenaktionen, die den Bau der Denkmäler vorantreiben sollten, sowie den um die Standbilder veranstalteten Festen.

Es gelingt Tacke, wichtige Aufschlüsse über die geographische Ausdehnung der Denkmalsbewegungen und ihren sozialen Charakter zu erhalten, die eine ganze Reihe eingefahrener Anschauungen über Regionalismus und Nationalismus, die deutsche Kultur- und die französische Staatsnation revidieren. Während beispielsweise im Fall des Hermannsstandbildes bei Detmold versucht wurde, die Bevölkerung aller deutscher Einzelstaaten zur Unterstützung des Baus zu animieren, blieb die Beteiligung an den beiden Vercingetorixdenkmälern in Clermont-Ferrand und Gergovia ganz auf den engen Raum der Auvergne beschränkt.

Das deutsche Denkmal diente der kulturellen Vereinigung einer politisch zersplitterten Nation, an der sich schon lange vor 1871 auch die Behörden der deutschen Einzelstaaten beteiligten. Demgegenüber verband der Vercingetorixkult in der Auvergne das nationale Bekenntnis mit dem Hinweis auf die eigenständige Identität der Auvergnaten, zu deren Vorfahren der Gallierfürst gezählt wurde. Allerdings besaß auch im Fall des Hermannsdenkmals die Gesellschaft des westfälischen Fürstentums Lippe einen wesentlichen Anteil an der Verwirklichung des Denkmalprojektes. Neben touristischen Erwägungen diente es auch der Hebung des lippischen Selbstbewußtseins. Beide Heroen verkörperten damit nicht nur eine im Kampf gegen die Römer geeinte Nation, sondern auch eine regionale Identität.

Deutlicher noch als in den Vereinen und Spendenaktionen offenbarte sich jedoch in den um die Denkmäler veranstalteten Festen auch die hierarchische Ordnung bürgerlicher Gesellschaft, in der das deutsche Bürgertum und die französischen Notabeln eine zentrale Stellung in der öffentlichen Repräsentation der Nation einnahmen. Trotz des Anspruches der Denkmalsbewegungen, ein für alle Mitglieder der Nation gleichermaßen gültiges Symbol zu vertreten, verknüpften sich in beiden Ländern Hermann und Vercingetorix mit den politischen und sozialen Ordnungsvorstellungen des Bürgertums. Dies gilt auch für das Bild der Frau.

Gegenüber den großen Verdiensten, die sich Tackes Studie bei der methodischen Fortentwicklung der Denkmals- und Nationforschung erwirbt, fallen die einzelnen konzeptuellen Schwächen der Arbeit weniger ins Gewicht. So übersieht die Autorin in ihrer Abneigung gegenüber einer älteren Denkmalsforschung, die den gesellschaftlichen Kontext der Symbolik über einer statischen kunsthistorischen Analyse der Standbilder unberücksichtigt ließ, daß auch die Bildprogramme von gesellschaftlichen Interessen und Statuskämpfen beeinflußt wurden. Gerade die Einbeziehung der von Tacke nur am Rande erwähnten Diskussionen um die künstlerische Ausgestaltung der Denkmalbauten und die dabei verwandten Symbole hätte es erlaubt, ihre Darstellung des sozialen Gebrauchs der nationalen Mythen abzurunden.

Vor allem aber beschränkt die enge Eingrenzung der Untersuchung auf das Hermannsstandbild und die beiden Vercingetorixdenkmäler die Reichweite mancher Ergebnisse der Arbeit, die allzuleicht als allgemeine Kennzeichen der deutschen und französischen Denkmalsbewegungen und als nationale Differenzen gedeutet werden. So stand beispielsweise der regionale Vercingetorixkult des auvergnatischen Bürgertums im Gegensatz zu einem eher zentralistischen staatlichen Kult, wie ihn etwa die dem Erscheinungsbild Napoleons III. nachempfundene Statue des Gallierfürsten in Alesia verkörperte. Auch ließe sich im deutschen Fall unter anderem anhand des Niederwalddenkmals der Kriegervereine eine stärker von den kleinbürgerlichen nationalen Vereinen getragene Denkmalsbewegung darstellen, die in diesem Punkt gewisse Parallelen mit dem republikanischen Denkmalsprojekt von Clermont-Ferrand aufwies.

Durch eine solche breitere Einbettung der untersuchten Fälle hätte auch der deutsch-französische Vergleich der nationalen Denkmalskulturen ohne die von der Autorin strapazierten methodischen Raffinessen über den gesamten Zeitraum zwischen 1840 und 1914 durchgeführt werden können. Insofern liegt die Bedeutung der Arbeit Tackes nicht nur in den von ihr zusammengetragenenen Ergebnissen, sondern auch in den neuen Fragen an eine Geschichtswissenschaft, die die alten nationalen Mythen allzu lange fortgeschrieben hat. JAKOB VOGEL

Charlotte Tacke: "Denkmal im sozialen Raum". Nationale Symbole in Deutschland und Frankreich im 19. Jahrhundert. Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1995. 408 S., kt., 68,- DM.

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