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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 24.11.2005

Bücherecke
Wildes Holz
Ein Fotoband zeigt die Geheimnisse und Reize des Waldviertels
„An der Mitternachtsseite des Ländchens Österreich zieht ein Wald an die dreißig Meilen lang seinen Dämmerstreifen westwärts, beginnend an den Quellen des Flusses Thaia, und fortstrebend bis zu jenem Grenzknoten, wo das böhmische Land mit Österreich und Bayern zusammenstößt.” Nach diesem Wald, den Adalbert Stifter in seiner Erzählung „Hochwald” durchmisst, heißt eine ganze Region des „Ländchens Österreich”. Oder soll man sagen: ein dunkler Winkel?
Das Waldviertel ist zwar nicht mehr der Ort düsterer Schauermärchen wie im Mittelalter, doch die romantische Sehnsucht der Goethe-Zeit, die allem wilden Gehölz galt, ist ebenfalls verflogen. „Der Wald, so sieht es derzeit aus, erobert sich auf leisen Sohlen seine dunkle Tiefe zurück. Man liebt ihn aus der Entfernung. Man schätzt ihn als Dekoration . . . Die Halbdunkelheit , das Dickicht, das mag man dagegen nicht so gern”, schreibt Othmar Pruckner in dem lesens- und sehenswerten Bildband „Waldviertel”, den er gemeinsam mit dem Fotografen Gerhard Trumler herausgegeben hat. Wie groß die Distanz der Österreicher zu ihrem Waldviertel ist, lässt sich daran ermessen, wie viele Künstler sich dorthin zurückziehen: Robert Menasse, Herbert Achternbusch, Christine Nöstlinger, Karl Korab.
Geöffnet hat sich das Waldviertel nach Tschechien, dem es verwandter ist als dem Wein- und Mühlviertel. Zurecht bildet Trumler auch böhmische Dörfer ab. Seine Fotografien zeigen ein herbes Land, selbst die Architektur ist oft rau, wie die Sgraffitohäuser aus der Renaissance in Gmünd beweisen. Nur selten trifft man auf protzigen Barock. Das Leben ist noch heute hart im Waldviertel. Die Bewohner werden jedoch auf diskrete Art, wie es dieser Landschaft eigen ist, von ihr entschädigt.
STEFAN FISCHER
GERHARD TRUMLER, OTHMAR PRUCKNER: Waldviertel. Stilles Land - raues Land. Pichler Verlag, Wien 2005. 180 Seiten, 48 Euro.
Der gedrungene Kirchturm von Rastenburg ist ungewöhnlich und dabei charakteristisch für das Wald- viertel. Foto: Trumler
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