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Mehr als ein halbes Jahrtausend ist dieses Buch alt, Sebastian Brants "Narrenschiff". Doch es hat nichts von seiner Faszination, seiner Anstößigkeit, seiner Lebensweisheit und Menschenklugheit verloren. Im Jahr 1494 erschien es, ein Bestseller für Generationen, mit vielen Auflagen und Übersetzungen. Ein Spiegel der Unsitten, nicht nur jener Zeit, und damit auch scharfe Kritik an den Mißständen in der damals noch einen christlichen Kirche mit dem Papst, eine Mahnung zu Anstand und Gemeinsinn. Da begreift man, warum es zur Reformation eine knappe Generation später kam, warum sich das Volk von…mehr

Produktbeschreibung
Mehr als ein halbes Jahrtausend ist dieses Buch alt, Sebastian Brants "Narrenschiff". Doch es hat nichts von seiner Faszination, seiner Anstößigkeit, seiner Lebensweisheit und Menschenklugheit verloren. Im Jahr 1494 erschien es, ein Bestseller für Generationen, mit vielen Auflagen und Übersetzungen. Ein Spiegel der Unsitten, nicht nur jener Zeit, und damit auch scharfe Kritik an den Mißständen in der damals noch einen christlichen Kirche mit dem Papst, eine Mahnung zu Anstand und Gemeinsinn. Da begreift man, warum es zur Reformation eine knappe Generation später kam, warum sich das Volk von Rom abwandte, und auch, warum diese Satire eines Ehrenhaften dem Vatikan mißfiel und die Zensoren diese weltliche Bibel mit schönen Holzschnitten noch Anfang des 17. Jahrhunderts gern in die Liste der verbotenen Bücher aufgenommen hätten. Dazu kam es nicht. In die "Bibliothek" gehört das "Narrenschiff" um so mehr.
Autorenporträt
Brant, Sebastian
Sebastian Brant (1457-1521 in Straßburg) studierte klassische Sprachen und Rechtswissenschaft an der Universität Basel und lehrte kanonisches und ziviles Recht, seit 1484 auch Poesie. 1492 wurde er zum Dekan der juristischen Fakultät, 1496 Professor des römischen und kanonischen Rechts. 1500 wurde er Rechtskonsulent und wirkte von 1503 bis zu seinem Tod als Stadtschreiber für seine Vaterstadt. Kaiser Maximilian ernannnte ihn zum kaiserlichen Rat und zum Beisitzer des Hofgerichts in Speyer.

Fischer, Heinz-Joachim
Der Herausgeber Dr. Heinz-Joachim Fischer studierte nach dem Abitur in Rom an der Gregoriana-Universität und in München. Lizenziat der Theologie; Promotion zum Dr. phil. 1974 Eintritt in die Politische Redaktion der Frankfurter Allgemeinen Zeitung; seit 1978 Korrespondent in Rom für Italien und den Vatikan. Für seine Berichterstattung erhielt er mehrere Journalisten-Preise; Ehrenbürger der italienischen Gemeinde Costermano/Verona.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 23.10.2007

Auf nach Narragonien!
Zum 550. Geburtstag gedenkt Wolfenbüttel des Dichters und Juristen Sebastian Brant
„Die gantz welt lebt in vinstrer nacht Und duot in sünden blint verharren All strassen / gassen / sindt voll narren.” In düsteren Farben schildert Sebastian Brant in der Vorrede zu seinem „Narrenschiff” die Welt um 1500. Dummheit, Laster und ungeziemendes Benehmen, so weit das gottesfürchtige Auge reicht. Die Heilige Schrift, die Kirchengebote: Gegenstände der Verachtung. Doch Brant weiß Abhilfe. Ein Schiff muss her, ein Narrenschiff, auf das man all die Toren verfrachten kann.
„Ad Narragoniam” – „auf nach Narragonien!” geht es dann mit ihnen. So kann man es auf dem prächtigen Holzschnitt des Titelblatts lesen. Ein einziges Schiff reicht freilich bei weitem nicht aus für die Narren dieser Erde – „Ein schiff moecht die nit all getragen Die yetz sindt in der narren zal”. Am Ende sticht eine ganze Armada in See. Denn ein jeder Mensch ist aus der Warte Sebastian Brants ein Narr. Ganz besonders diejenigen, die sich für weise halten – sie bemerken ihr eigenes Närrischsein überhaupt nicht. Hoffnung gibt es nur für jene, die mutig ihrem Spiegelbild entgegentreten: „Dann wer sich für ein narren acht Der ist bald zue eym wisen gmacht.” Brant bezeichnet denn auch in der Vorrede sein Werk als „Narrenspiegel”. Seine Absicht ist es – darin ganz humanistisches Kind der Zeit – die Menschen sich selbst erkennen zu lassen. Da ist es nur folgerichtig, dass sich auch der Autor nicht ausnimmt. Er ist natürlich mit von der Bootspartie gen Narragonien.
Brants „Narrenschiff” ist 1494 zum ersten Mal in Basel erschienen. Seine 112 Kapitel umfassende Narrenrevue traf den Nerv der Zeit. Auf allen Gebieten des Lebens fanden Umwälzungen statt, die an den Menschen nicht spurlos vorüber gingen. Die Entdeckung neuer Kontinente veränderte die Weltsicht ebenso wie der sich von Italien ausbreitende Humanismus. Der Buchdruck revolutionierte die Kommunikation: die Gutenberg-Galaxis war geboren. Hinzu kamen politische Unwägbarkeiten. Kaiser und Reich beharkten sich, vom Osten her drohte die „Türkengefahr”. Orientierung war von Nöten. Brant lieferte sie. Unter Überschriften wie „Vom eebruch”, und „Von verachtung armuet” hielt er seinen Zeitgenossen die großen und kleinen Verfehlungen des Lebens vor – Brants literarische Vorbilder waren die römischen Satiriker, waren Horaz und Juvenal.
Hätte es zu Brants Zeiten Bestsellerlisten gegeben, „Das Narrenschiff” hätte jahrzehntelang auf Platz eins gestanden. Hierfür ist zum einen der volkssprachlich verfasste, bilder- und exempelreiche Text verantwortlich. Zum anderen trugen die ingeniösen Holzschnitte, die jedem Kapitel beigefügt sind, zum Erfolg bei. Sie stammen wohl zu einem guten Teil vom jungen Albrecht Dürer. Sie veranschaulichen nicht nur das Geschriebene, sondern erweitern es meist um einen neuen Aspekt. Das „Narrenschiff” wendet sich an den Laien ebenso wie an den gebildeten Leser – nur dieser vermag die vielen Anspielungen aus Mythologie, Bibel und Patristik zu enträtseln.
Brants Verleger, Johann Bergmann von Olpe, gab 1495 bereits die zweite Ausgabe des „Narrenschiffs” heraus, 1499 folgte die dritte. Daneben erschienen zahlreiche nicht autorisierte Nachdrucke. Zum berühmtesten deutschen Autor Europas wurde Brant schließlich durch die von ihm mitverantwortete lateinische Fassung. Sein Schüler Jakob Locher übersetzte das Werk im Jahre 1497. Unter dem Titel „Stultifera Navis” erlebte es bis 1572 die stattliche Zahl von 21 Druckausgaben; sie erschienen in ganz Europa, in Nürnberg, Paris, London. Alles in allem gelang Sebastian Brant mit seinem „Narrenschiff” (wenn man die Luther-Bibel nicht mitzählt) der größte Erfolg der deutschen Literatur bis zu Goethes „Werther”. Jakob Locher verglich seinen Lehrer bewundernd mit den italienischen Geistesgrößen Petrarca und Dante.
Umso verwunderlicher ist es, dass Brants 550. Geburtstag in diesem Jahr – er wurde irgendwann im Jahr 1457 in Straßburg als Sohn eines Gastwirts geboren – im geistesgeschichtlichen Leben, nicht nur Deutschlands, sondern auch der Schweiz und Frankreichs, kaum zur Kenntnis genommen wurde. Was aber bedeutet es für die europäischen Gesellschaften, wenn sie ihr humanistisches Erbe so schmählich vernachlässigen? Gäbe es den „Wolfenbütteler Arbeitskreis für Renaissanceforschung” nicht, Brants Jubiläum wäre wohl sang- und klanglos untergegangen.
Dieser illustre Kreis um seinen Vorsitzenden, den Medizinhistoriker Klaus Bergdolt, widmete jetzt seine Jahressitzung Sebastian Brant und der Kommunikationskultur um 1500. In der Herzog August Bibliothek waren viele der versiertesten Kenner Brants und seiner Epoche zugegen, etwa der frisch gekürte Schillerpreisträger Dieter Mertens. Oder Joachim Knape, der Tübinger Philologe, dem wir unter anderem die unverzichtbare Reclam-Studienausgabe des „Narrenschiffs” zu verdanken haben. Gegenwärtig erforscht er mit seinem Kollegen Thomas Wilhelmi die Straßburger Brant-Archivalien.
Die Tagung arbeitete in Fallstudien die Modernität Brants heraus. Und die ist außerordentlich – obwohl der tief gläubige Gelehrte religiös rückwärtsgewandt war und politisch auf Seiten des habsburgischen Kaisers Maximilian I. stand. Brant nutzte für seine religiösen und politischen Anliegen wie kein anderer die publizistischen Möglichkeiten des noch jungen Buchdrucks. Davon zeugen die vielen Flugblätter, die er sowohl in seiner Funktion als hochgepriesener Jurist in Basel – bis 1500 – als auch in seiner Funktion als Stadtschreiber in Straßburg – bis zu seinem Tod 1521 – verfasste. Er verstand es auch, sich als Autor in einem modernen Sinne zu inszenieren. Regelmäßig taucht sein Bild auf den Titelblättern seiner Publikationen auf.
„Brant”, so resümierte in Wolfenbüttel der Rechtshistoriker Andreas Deutsch, „war eine Marke. Sein Name war ein Zugpferd, er garantierte den Verkauf eines Buches”. Seine „Expositiones” etwa wurden mit mehr als fünfzig Ausgaben bis zum Jahre 1622 eines der meistgedruckten juristischen Lehrwerke der Zeit. Am Ende der zweitägigen Exegese hatte das Bild des Jubilars Brants feste Konturen erhalten; Konturen, die den „Prototyp des neuen Schriftstellers und Publizisten” (Knape) am Vorabend der Neuzeit zeigen. Herzlichen Glückwunsch. FLORIAN WELLE
Sebastian Brants „Narrenschiff”, Ausschnitt des Titelblatts der Erstausgabe, 1494 in Basel erschienen. Foto: Ullstein
Der humanistische Poet und Rechtsgelehrte Sebastian Brant, 1457 in Straßburg geboren, hatte den größten Erfolg der deutschen Literatur bis zu Goethes „Werther”. Foto: Interfoto
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