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Das Herzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach unter der Herrschaft von Carl August gilt als Paradebeispiel für den aufgeklärten "liberalen" Absolutismus. Doch es gab auch in Weimar Zensur, Bespitzelung und Unterdrückung der Meinungsfreiheit. Kritik an der herzoglichen Politik wurde ungern gesehen. Goethe, seit 1776 weimarischer Staatsbeamter und lange Mitglied des höchsten Regierungsgremiums, spielte eine wichtige politische Rolle. Auf der Basis ausgiebigen Quellen- und Aktenstudiums setzt sich der Autor mit der dunklen Seite der Weimarer Klassik auseinander und plädiert für die längst fällige politische Auseinandersetzung mit ihrem Erbe.…mehr

Produktbeschreibung
Das Herzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach unter der Herrschaft von Carl August gilt als Paradebeispiel für den aufgeklärten "liberalen" Absolutismus. Doch es gab auch in Weimar Zensur, Bespitzelung und Unterdrückung der Meinungsfreiheit. Kritik an der herzoglichen Politik wurde ungern gesehen. Goethe, seit 1776 weimarischer Staatsbeamter und lange Mitglied des höchsten Regierungsgremiums, spielte eine wichtige politische Rolle. Auf der Basis ausgiebigen Quellen- und Aktenstudiums setzt sich der Autor mit der dunklen Seite der Weimarer Klassik auseinander und plädiert für die längst fällige politische Auseinandersetzung mit ihrem Erbe.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.04.1999

Anschwellende Kaderakte für einen Klassiker
Todesstrafe für eine Kindsmörderin, Soldatenhandel, Überwachung Schillers: W. Daniel Wilson schreibt eine Anklageschrift gegen Goethe

Ein aufrechter Demokrat aus Amerika, Professor für Germanistik in Berkeley, liefert seine Beiträge zum Goethe-Jahr. Schon vor deren Erscheinen haben die Medien die Witterung aufgenommen. Eine Demontage des Idols - da werden selbst Goethe-Abstinente hellhörig. Auf Waschzetteln, in Presseverlautbarungen und Interviews kursieren die skandalträchtigen Anklagepunkte als feste Urteile: Befürwortung der Todesstrafe für eine Kindsmörderin, Soldatenhandel gar nach Amerika, amtliche Überwachung Schillers.

Das Pfund, mit dem W. Daniel Wilson, der Ankläger, wuchert, sind die Akten zur politischen Tätigkeit des Geheimen Rats Goethe. Über fünfhundert Sessionen des Geheimen Consiliums, des obersten Beratergremiums des weimarischen Herzogs Carl August, hat Goethe in seinem ersten Weimarer Jahrzehnt besucht. Mit über zwanzigtausend verhandelten Fällen ist zu rechnen; an mehr als der Hälfte war Goethe beteiligt, sei es auch nur durch Paragraphierung der Protokolle und Beschlüsse. Dazu kam seine Tätigkeit in Kommissionen. Doch nur fünf Prozent seiner amtlichen Aktivitäten sind in der Ausgabe der "Amtlichen Schriften" dokumentiert. Hier sind nur Texte aufgenommen, die Goethe verfaßte oder korrigierte. So bleibt für den Aktenforscher viel zu tun. Der Ankläger machte sich in den Archiven ans Werk.

Wilson hat ein festes Feindbild. Es heißt aufgeklärter Absolutismus, "starker Staat" oder Bündnis der "Intelligenz" mit der "Staatsmacht". Im Brennpunkt steht das Herzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach, das man dank seiner literarisch-kulturellen Verdienste zu einer liberalen Friedensinsel verklärt habe, zum schweren Nachteil der Deutschen, die sich damit einer bis in die Gegenwart verhängnisvollen "politischen Legende" verschrieben hätten. Der Hauptschuldige an dieser für Wilson unbegreiflichen Täuschung ist Goethe. Zwar gehe es "nur" um die "Handlungen" Goethes, könne man doch Kanzleidokumente nicht wie dichterische Konfessionen lesen, zumal das Geheime Consilium zur einstimmigen Abzeichnung einmal gefaßter Entscheidungen verpflichtet war. Doch läßt sich Wilson den kurzen Weg von den aktenmäßig erfaßten Handlungen zu den Gesinnungen nicht entgehen. So wird aus Goethe der "Kriegsminister" und Menschenhändler, der "Schreibtischtäter" und "Wendehals par excellence", der Bauernunterdrücker und dichterische "Propagandist".

Der Legendentöter hat eine Vision und mit ihr eine Mission. Die Vision: ein von Unruhen durchfurchtes, revolutionsbereites weimarisches Volk, aufrührerische Arbeiter und Bauern in Apolda und Eisenach, revolutionäre Studenten in Jena. Was hätte aus Sachsen-Weimar werden können, wenn die "reaktionären" Geheimräte solche Bewegungen - "eine Art organisierter Opposition", "ernstzunehmende freiheitliche Bestrebungen", "Revolutionsbegeisterung" und einen "bedeutenden Diskurs" über Politik und Menschenrechte - nicht unterdrückt hätten? Die Mission trägt Trauerrand - sie wäre die Sache der DDR gewesen: Statt die "politische Legende Weimar" im Erbgang zu pflegen und somit den "starken" (totalitären) Staat, hätte sie lieber der Opposition zu ihrem historischen Recht verhelfen sollen.

Daß da eine Art Trauma, Enttäuschung über das mißlungene Sozialismus-Projekt vorliegt, zeigt das Lieblingswort, das seit dem Verhängnis durch Wilsons Forschungen geistert - "Spitzel". Seine Aktualität liegt auf der Hand. Seine historischen Wurzeln sollen freigelegt werden. "Zum Dichten geboren, zum Spitzeln bestellt", faßte ein Artikel von 1994 Wilsons Befunde über den Geheimrat Goethe zusammen. Geboren wurden sie aus der fixen Idee, daß Goethe und sein Herzog dem Geheimbund der Illuminaten nur beigetreten seien, um ihn zu bespitzeln. Jetzt ist von Überwachung und Unterdrückung die Rede.

Für den amtlichen Goethe der ersten Weimarer Jahre besitzen wir, in einem Brief Schillers, das Zeugnis Herders: "Nach Herders Behauptung ist er rein von allem Intrigengeist, er hat wissentlich noch niemand verfolgt, noch keines anderen Glück untergraben. Er liebt in allen Dingen Helle und Klarheit, selbst im kleinen seiner politischen Geschäfte . . . Herder will ihn ebenso und noch mehr als Geschäftsmann (also: Politiker) denn als Dichter bewundert wissen." Nichts dergleichen läßt Wilson zu Wort kommen. Statt dessen tun sich Abgründe auf.

Der erste: Soldaten- und Menschenhandel. Wilsons Quellen hierzu sind die Gesuche auswärtiger Werbeoffiziere um Überlassung von Rekruten. Das Problem ist bekannt. Neu ist, daß dabei auch die "Recrutirung nach America" vorkam. Triumphierend macht Wilson daraus einen kaltblütigen Verkauf von Untertanen an die englische Krone zur Verwendung in Amerika. Immerhin: im großen Stil geht man nicht vor - hatte doch der Herzog im Dezember 1777 erklärt, er könne sich "überhaupt zu der Abgabe einiger Truppen in fremden Dienst und Sold . . . nicht entschließen". Allerdings: freie Untertanen kamen nicht in Frage, sondern nur, wie auch der Werber weiß (den Wilson bald preußisch, bald kurhannoverisch nennt), "fremde und reisende Handwerks oder andere lüderliche, entloffene und dienstlose, und sich freywillig anbietende Pursche" oder Zuchthäusler. Selbst in diesen Fällen aber bestand die Weimarer Regierung auf Freiwilligkeit. Überliefert ist dazu ein Verhör zweier Häftlinge, von denen sich der eine einverstanden erklärt, der andere nicht. Der Herzog verfügt, daß letzterer "wider seinen Willen zum Soldaten-Stand nicht genöthiget werden, sondern seine Sitz-Zeit im Zuchthauß aushalten solle". Wilson muß zugeben: "Carl August wollte offenbar ein Zeichen gegen Unrecht setzen." Erst Jahre später habe er der "Versuchung" (!) nachgegeben - wobei unklar bleibt, um wie viele Fälle es sich handelte und wie man dabei verfuhr. Um die Lücke zu füllen, bringt Wilson preußische Werbungen ins Spiel. Wieder geht es um Häftlinge, gibt es Bedenken, "weil sie wider ihren Willen nicht gezwungen werden können", dann werden vier Gefangene an den preußischen Werber ausgeliefert. Das war 1780/1781, und Goethe, seit 1779 "Kriegsminister", war beteiligt. Er habe "den finanziellen Vorteil für das Herzogtum" höher bewertet als "die Rechte der Häftlinge".

Wilson klammert den Kontext aus, um die Denunziation an den Mann bringen zu können. Mit einem Satz streift er die Ereignisse vom Februar 1779, als der Druck der Preußen im Zuge des Bayerischen Erbfolgekrieges für das um Neutralität bemühte Weimar unerträglich wurde, da sich selbst der preußische König resolut einschaltete. In Goethes Tagebuch heißt es dazu: "Zwischen zwey übeln im wehrlosen zustand. Wir haben noch einige Steine zu ziehen, dann sind wir matt." Kein Wort verliert Wilson über die Beratungen des Geheimen Consiliums und Goethes eingehendes Gutachten für den Herzog. Nachgiebigkeit gegen die Preußen oder Widerstand? Goethe über das erste Übel: "Will man endlich sich entschließen, eine Auswahl (von Rekruten) selbst zu machen und ihnen auszuliefern, so ist darin wohl fürs ganze das geringste Übel, aber doch bleibt auch dieses ein unangenehmes, verhaßtes und schamvolles Geschäft. Und wahrscheinlich ist man mit allem diesem doch nicht am Ende des Verdrusses . . ., mit jedem Frühjahr werden sie diese Anforderungen erneuern." Die Wahl des "geringsten Übels", verhaßt und schamvoll, oder kaltblütiger Handel? Nicht übersehen kann Wilson, daß Goethe sich um die Freilassung weimarischer Untertanen aus dem erzwungenen preußischen Militärdienst bemüht hat. Ein "löbliches Bestreben", wie er herablassend befindet, um dann den Spieß umzukehren und Goethes Vorschlag, für einen an die Preußen auszuliefernden relegierten preußischen Studenten einen gepreßten Weimarer aus dem preußischen Dienst zu befreien, als "Menschenhandel" und "menschenverachtendes, instrumentelles Zweckdenken" zu brandmarken.

Nach einem abenteuerlichen Streifzug durch einige Dichtungen Goethes holt Wilson zum letzten Schlag des Soldatenhandel-Kapitels aus. Zitiert wird eine Weimarer Verordnung vom Februar 1779, die dazu auffordert, "alles Schwatzen und Urtheilen über den gegenwärtigen Krieg, und was darauf Bezug haben kann, als von Werbung, . . . Durchmärschen und Winterquartieren, auch dazu erforderlichen Vorräthen, und wo dergleichen anzutreffen wären . . . gänzlich und ohne alle Ausnahme zu unterlassen". Was unschwer als Schutzmaßnahme gegen die großen Kriegsparteien zu erkennen ist, wird bei Wilson zu einem Manifest der Unterdrückung jeglicher Kritik - nicht zuletzt an der eigenen, als Goethes Werbepraxis: "In Sachsen-Weimar durfte man über Werbungen nicht ,räsonieren'." Deshalb wohl auch das Schweigen der "Weimarer Schöngeister" über den Soldatenhandel im eigenen Hinterhof. So "garantiert das Verbot politischer Kritik und die drohende Verschiffung nach Amerika die gewünschte Ordnung, wenn auch nicht Recht." Derart plump glaubt Wilson die Plausibilitätserwartungen seiner Leser überrumpeln zu können.

Ein zweiter Fall, auf dessen Neuigkeitswert sich Wilson einiges zugute hält, ist der des "Professors Schiller". Schiller figuriert in einer Reihe Jenaer Professoren, an denen Wilson die Unterdrückungs- und Einschüchterungspraxis der Weimarer Geheimräte demonstrieren möchte - und ihr willfähriges Einlenken, was sie sehr von den aufmüpfigen Studenten unterscheide. Schiller unterschreibt am 8. Juli 1792 mit acht anderen Professoren, darunter Paulus, Reinhold, Schütz, einen Brief an den Herzog, der um Hilfe, auch militärische, gegen studentische Tumulte bittet. Begonnen hatten sie mit einer Aktion von sechzig bis siebzig Studenten gegen den Prorektor Ulrich, der ein Jahr zuvor eine Morddrohung erhalten hatte. Jetzt stellt man ihm in Aussicht, sein Haus anzuzünden und ihn ins Feuer zu werfen. Anderen Professoren solle es ähnlich ergehen.

Man kann nicht sagen, daß der Brief der Professoren grundlos daherkäme. Wilson sieht darin ein Bündnis Schillers mit der "Staatsmacht", das selbst in die "Ästhetischen Briefe" eingedrungen sei, ja deren Konzeption entscheidend gefördert habe. Ist doch dort, in der ursprünglichen Fassung, ähnlich wie im Professorenbrief die Rede von "Verwilderung", "Rohigkeit", "rohen gesetzlosen Trieben", die "das liberale Regiment der Vernunft" unmöglich machten. Nicht also die französischen Ereignisse, die Tuilerien- und Septembermorde oder die Hinrichtung des Königs durch die "Schindersknechte", geben Schiller die Formulierungen von 1793 und 1795 ein, sondern die Jenaer Unruhen von 1792 (die Schiller "erbärmlich" nennt), mithin die eigenen Studenten. Gegen sie richte sich Schillers "politikverdrossenes Projekt" und damit das "ästhetische Programm der Weimarer Klassik".

Da Schiller dennoch "ein unberechenbarer Faktor" blieb, sann die Weimarer Obrigkeit auf Überwachung, und dafür konnte "Geheimrat Goethe unauffällig herangezogen werden" - unauffällig, weil Schiller selbst ihm mit der Einladung zur Teilnahme an den "Horen" entgegenkam. Aus einem Artikel von Karl-Heinz Hahn, der die Sorgfalt beschreibt, mit der Goethe seinen Antwortbrief konzipiert, und die Vermutung äußert, er habe geradezu eine amtliche "Akte Schiller" angelegt, entnimmt Wilson das Stichwort "Akte". Hahn nahm das als hypothetisches Indiz dafür, daß Goethe auch für die Jenaer Angelegenheiten einen "vertrauten Partner zu gewinnen" suchte. Wilson dreht ihm das Wort im Munde um, und schon steht am Anfang des späteren Freundschaftsbundes das "Zeichen des politisch bedingten Mißtrauens", ja die "Überwachung Schillers durch Goethe". Durch den Wortlaut des Briefwechsels läßt Wilson sich die treffliche Pointe nicht stören. Auch wenn er sich beeilt, den "Druck auf Schiller" zur "Hypothese" zu deklarieren - es bleibt genug haften.

Die ältliche "Klassik-Legende" erhebt wieder ihr Haupt. Die Weimarer Klassik: durch "Befestigung des weimarischen Absolutismus" erkauft, ein reaktionärer Reflex "bodenständig sachsen-weimarischer Zustände oder Mißstände", Ergebnis einer "Campagne in Deutschland", die Unterdrückung durch "Öffentlichkeitsarbeit" verschleiert, eine Ansammlung von "konterrevolutionären Schriften" - Wilson hat ganze Arbeit geleistet.

Flankiert wird "Das Goethe-Tabu" von einem zweiten Buch, den "Unterirdischen Gängen". Hier versucht Wilson, seine 1991 vorgetragene "Hypothese" von der Überwachung und Bespitzelung des Geheimbundes der Illuminaten durch den Illuminaten Goethe zu erhärten, nachdem die Fachleute auf diesem Gebiet ihr die Zustimmung versagt hatten. Aufwendig wird die Geheimbundszene um 1780 durchgemustert. Mißlich freilich: wieder gerät man in ein Hypothesen-Dickicht, das sich konjunktivisch um die wenigen Äußerungen Goethes zur Geheimbundproblematik rankt. Eine Vielzahl von Einverständnis heischenden Floskeln wie "sehr wahrscheinlich", "höchstwahrscheinlich" und "mehr als wahrscheinlich" soll den antiilluminatischen Beitritt der "führenden Regierungsmänner" zum Illuminatenorden plausibel machen. Belehren lassen hat sich Wilson inzwischen von der Bedeutung der antijesuitischen Verschwörungstheorie auch in den Kreisen der Weimarer Geheimräte. Die Furcht vor einem obskurantischen, jesuitischen Komplott liegt offenkundig dem Brief Goethes an Lavater vom 22. Juni 1781 zugrunde, der die Rede von den "geheimen Künsten des Cagliostro" mit der Sorge um die Unterminierung "unserer moralischen und politischen Welt" durch "unterirdische Gänge, Keller und Cloaken" verbindet.

Wilson muß aus dem Cagliostro-Brief die Ablehnung aller Geheimgesellschaften ablesen, auch derjenigen der Strikten Observanz, deren Weimarer Loge Goethe ein Jahr zuvor beigetreten war. Er muß sodann den Jesuitenverdacht sowohl für die Schließung der Loge "Anna Amalia" im Jahr 1782 wie für den ein Jahr später folgenden Eintritt der Weimarer in den Illuminatenbund in Anschlag bringen, und dies mit der gleichen Stoßrichtung. Die naheliegende Annahme, daß man auch in Weimar (wie ein beträchtlicher Teil der Mitglieder des Wilhelmsbader Freimaurerkonvents) den Orden als aufklärerisches Gegeninstitut gegen Jesuiten, Rosenkreuzer oder "Wohltätige Ritter" ansah, muß sich Wilson freilich verbieten. Damit fällt ihm die heikle Aufgabe zu, die Rolle des hochrangigen Illuminaten Johann Joachim Christoph Bode in dieser Sache zu erklären. Bode, der Freund Lessings und erfolgreiche Übersetzer englischer Literatur, vor allem Laurence Sternes, war im Januar 1779 nach Weimar übergesiedelt. In Hamburg war er 1761 der Loge Absalom beigetreten und bald zu ihrem Schatzmeister aufgestiegen. In Weimar gehörte er zu den führenden Köpfen der Freimaurerei und war die Schlüsselfigur beim Aufbau des Illuminatenordens. Warum nur warb Bode, der vehementeste Verfechter der Jesuiten-Theorie, die Weimarer an? Was brachte ausgerechnet ihn dazu, den Weimarer Jesuitenverdacht durch eine Mitgliedschaft Goethes und des Herzogs bei den jesuitenverdächtigen Illuminaten zu beschwichtigen? Wilsons Lösung des Rätsels ist ebenso ingeniös wie abwegig: Bode, womöglich selbst nicht ganz überzeugt von der Integrität der Illuminaten, habe eingesehen, "daß er für Aufsicht der Illuminaten sorgen mußte"; er warb die "herrschaftlichen Mitglieder", "um selbst für Überwachung zu sorgen". Daß die Herren dann, wenn die Spitzelthese gelten soll, unter Überwachung etwas anderes verstanden haben müssen als er, rechnet Wilson der Naivität Bodes zu. Mit dieser Rückstufung vom erfahrenen Geheimbundorganisator zum naiven Dilettanten muß Bode für Wilsons verwegene Konstruktion büßen, in der Geheimräte stets ihrem Kontrollinstinkt folgen. Da darf einem wohl der Goethesche Aphorismus einfallen: "Am widerwärtigsten sind die kricklichen Beobachter und grilligen Theoristen; ihre Versuche sind kleinlich und complicirt, ihre Hypothesen abstrus und wunderlich." HANS-JÜRGEN SCHINGS

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"Zwar finde ich bisweilen die Empörung Wilsons über den Anteil Goethes an Maßnahmen zum Schutz des spätabsolutistischen Weimar etwas naiv, aber andererseits zeigt die sehr unsouveräne Reaktion vieler deutscher Germanisten auf Wilsons Studien und Thesen doch, bei wievielen Goethe-Forschern der - zum Teil vielleicht sogar unbewußte - Drang zu Idealisierung oder doch wenigstens Schönung Goethes noch immer sehr stark ausgeprägt ist." Jörg Drews, 'Der Tagesspiegel'

"Der in Berkeley lehrende Germanist Wilson hat ein grundgelehrtes, auf zähem Archivstudium gegründetes Werk vorgelegt. Er konnte unbekannte Dokumente zu Tage fördern. Seine Vorwürfe gegen eine Germanistik, die Goethe und Weimar idealisiert hat, sind mehr als berechtigt. Andererseits kann Wilson nicht widerstehen, Indizien zu entlarvenden Fakten umzudeuten. Und er muß sich auch fragen lassen, ob denn jemand angenommen hat, daß Goethe außerhalb seiner Kunst ein Beglücker der Menschheit war. Das politische Geschäft verband sich schon damals mit persönlichen Interessen."

Joachim Dyck, Vorsitzender der Goethegesellschaft in Oldenburg, 'Nordwest-Zeitung'

"Schwere Kaliber, die W. Daniel Wilson hier ausgerechnet im Goethe-Jahr auffährt. In den Bastionen der institutionalisierten Goehte-Forschung verbarrikadiert man sich indes. Aus dem Goethe- und Schiller-Archiv in Weimar war zu hören: 'Was würden die Amis sagen, wenn wir Weimarer eine die Wahrheit erheischende Untersuchung zur Ausrottung der Indianer vorlegen würden?' Klingt etwas hilflos und vor allem im Vergleich völlig danebengegriffen." Bernhard Setzwein, 'Passauer Neue Presse'

"Wilson entlarvt das Bild des 'liberalen' klassischen Weimars als Legende. Soldatenhandel, Bespitzelung, Zensur und Frondienste für Bauern gehörten zum Alltag. Und Goethe spielte mit seinen Funktionen eine maßgebliche Rolle." Wolfgang Tichy, 'Oberhessische Presse'

"Lesenswert, weil auf intensiven Quellenstudien beruhend." Harald Asel, 'InfoRadio Berlin'

"Wenn sie von W. Daniel Wilsons Buch hören, winken die einen verächtlich ab, die anderen - wie ein Kolumnist der Weimarer Lokalzeitung - empören sich drüber, daß ein Germanist aus dem Todesstrafen-Staat USA Goethes Unterschrift wagt zu kritisieren, die dieser als Politiker des Herzogtums Weimar vor mehr als 200 Jahren unter ein Todesurteil gesetzt hat. Und der ostdeutsche Schriftsteller Peter Hacks plädiert in der Zeitschrift 'Konkret' dafür, W. Daniel Wilson in der Ilm, also dem Flüßchen, das durch Weimar fließt, zu ertränken!" Jürgen Heilig, 'SWR'
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