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Anhand von rund 50 Karikaturen aus zweitausend Jahren erzählt Andreas Platthaus die ästhetische und vor allem politische Entwicklung dieser Kunstform. Dabei stellt er den Kampf zwischen religiösen Überzeugungen und aufklärerischem Impetus der Karikaturisten als Leitmotiv einer dramatischen Erzählung heraus, die wir mit dem terroristischen Überfall auf die Redaktion von "Charlie Hebdo am 7. Januar 2015 auf ihren traurigen Höhepunkt geführt sehen. Aber bereits eine der frühesten bekannten Karikaturen aus kaiserlich-römischer Zeit beschäftigte sich mit dem Thema der Religion und verspottete das…mehr

Produktbeschreibung
Anhand von rund 50 Karikaturen aus zweitausend Jahren erzählt Andreas Platthaus die ästhetische und vor allem politische Entwicklung dieser Kunstform. Dabei stellt er den Kampf zwischen religiösen Überzeugungen und aufklärerischem Impetus der Karikaturisten als Leitmotiv einer dramatischen Erzählung heraus, die wir mit dem terroristischen Überfall auf die Redaktion von "Charlie Hebdo am 7. Januar 2015 auf ihren traurigen Höhepunkt geführt sehen. Aber bereits eine der frühesten bekannten Karikaturen aus kaiserlich-römischer Zeit beschäftigte sich mit dem Thema der Religion und verspottete das Christentum. Verbunden mit der Einzelanalyse der jeweiligen Zeichnungen wird eine Geschichte ihres Mediums, der Presse, erzählt. Und das nicht nur hinsichtlich der großen Kulturen der politischen Karikatur, als da wären Großbritannien, Frankreich und Deutschland, sondern auch mit Seitenblicken auf Länder wie Indien und Japan. Der Schwerpunkt der Auswahl liegt jedoch auf den europäischen Klassikern, und der deutschen Herkunft des Verfassers wegen dabei noch einmal speziell auf Deutschland. Hier werden deutsche Befindlichkeiten in Zerrbildern der Zeichner aufgespürt: von den Anfängen in den Befreiungskriegen über die Karikaturen des Kaiserreichs und der Weimarer Republik, aber auch NS-Deutschlands, bis zu denen der Bundesrepublik und der DDR. Zu den ausgewählten Künstlern zählen unter anderem Lyonel Feininger, Thomas Theodor Heine, Karl Arnold, Erich Ohser alias e.o. plauen, Loriot, Friedrich Karl Waechter oder Greser und Lenz. Aber es sind auch Hogarth, Gilray, Rowlandson, Daumier, Tenniel, Charles Addams, Sempé, Bosc, Tomi Ungerer oder Art Spiegelman vertreten, und natürlich die umstrittenen Mohammed-Karikaturen von Kurt Westergaard oder den Zeichnern von "Charlie Hebdo". Mit Marie Marcks, Claire Bretécher oder Franziska Becker kommen auch die weiblichen Künstler zu ihrem Recht, denn zum Grundverständnis der Karikatur als aufklärerischer Kunst gehört auch die Emanzipation. Jede Einzelbetrachtung eines Blattes ist als selbständiger kleiner Essay zu lesen, aber erst in der Gesamtschau wird aus den Geschichten der Karikatur eine Gesamtgeschichte dieser Gattung.
Autorenporträt
Andreas Platthaus wurde 1966 in Aachen geboren und ist als Journalist, Autor und Herausgeber tätig. Als unbestrittener Experte der internationalen Comic-Landschaft, widmet er sich in Rezensionen, Artikeln und Monographien seit vielen Jahren Graphic Novel und Zeichenkunst. Er veröffentlichte eine Biographie über Walt Disney (2001), einen Roman (»Freispiel«, 2009) sowie etliche Sachbücher. Seit 1997 ist er Feuilletonredakteur der FAZ, seit März 2016 Chef des Ressorts Literatur.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.09.2016

ANDREAS PLATTHAUS, Literaturchef dieser Zeitung, sieht eine seiner Lieblingskünste doppelt bedroht: die Karikatur. Einerseits durch Mord und Totschlag, wie es am 7. Januar 2015 in den Pariser Redaktionsräumen von "Charlie Hebdo" geschehen ist; und dann durch das Missverständnis, dass Karikaturisten Provokateure wären, also selbst schuld an den Exzessen gegen sie. Tatsächlich aber betreiben Karikaturen Aufklärung und sind deshalb unentbehrlicher Bestandteil unserer Kultur. Daran erinnern soll der Band "Das geht ins Auge", der fünfzig Karikaturen, deren Schöpfer und die Umstände ihrer Entstehung seit dem zweiten Jahrhundert vorstellt - und damit aus fünfzig Geschichten ein Gesamtbild dieser Kunstform zusammensetzt, bei dem sich als einer der roten Fäden der Dauerkonflikt zwischen Karikatur und Religion erweist. (Andreas Platthaus: "Das geht ins Auge". Geschichten der Karikatur. Die Andere Bibliothek, Berlin 2016. 479 S., 51 Abb., geb., 42,- [Euro].)

F.A.Z.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.12.2016

Im
Widerstand
Andreas Platthaus erzählt in „Das geht ins Auge“
fantasievolle Geschichten der Karikatur
VON FRITZ GÖTTLER
Der mächtigste Karikaturist aller Zeiten? Andreas Platthaus, Literaturredakteur der FAZ, votiert in seinem Buch „Das geht ins Auge“ für Gianlorenzo Bernini. Mächtig war er als umworbener Großarchitekt des 17. Jahrhunderts, mächtig aber auch in vielen Zeichnungen, in denen er die Menschen um sich her pointiert skizziert, „zum Scherz deformiert“ und ihren Charakter sichtbar gemacht hat. Zum Beispiel den Papst Innozenz XI., auf seinem Bett kauernd, mit dürren Fingern und dürrem Hals und einer wackeligen Tiara, die aussieht wie eine Schlafmütze. Ein gewagtes Bild, nicht für die Öffentlichkeit gedacht, denn die Inquisition war unerbittlich und verstand keinen Spaß. Die Zeichnung wäre als Blasphemie gewertet worden, so brisant auf ihre Art wie die Mohammed-Karikaturen heute.
Zu Berninis Zeit kam der Begriff Karikatur auf und eine erste Definition, wie sie die Wirklichkeit „verzeichnet“, deshalb steht er neben Leonardo am Anfang der Galerie, in der Andreas Platthaus fünfzig große Karikaturisten präsentiert, mit jeweils einer markanten Zeichnung. Die Lust am Erzählen ist immens, am Erzählen der Bilder und ihrer Geschichten, der historischen Situation, in der sie entstanden und die sie kommentieren – und wie die Gesellschaft darauf reagierte, immer wieder mit Verfolgung und Verurteilung. Die Fülle des Materials quillt dann über, je weiter es ins 20. Jahrhundert geht, mit seinen erschreckenden politischen Ereignissen und seinen großen Karikaturisten, bis zum letzten Kapitel „Checkpoint ,Charlie‘“, über die Morde an den Mitarbeitern von Charlie Hebdo. Dabei geht die Linie des Buches verloren – durch die einzelnen Zeichner und Zeichnungen eine Vorstellung vom Begriff der Karikatur zu geben und von ihrem Funktionieren.
Man findet viele Klassiker in der Sammlung, gleich nach Bernini kommt William Hogarth, der Meister der karikaturesken Erzählung, der zeigt, wie minimal der Unterschied sein kann zwischen Charakteren und Karikaturen. Später dann Charles Philipons Louis-Philippe-Bild „Les Poires“ (1831) mit dem König als Birne (Majestätsbeleidigungsprozess folgte), das später dann Helmut Kohl als Birne inspirierte, Honoré Daumiers grausiger „Traum des Erfinders des Zündnadelgewehrs (an Allerheiligen)“, erschienen im berühmten Charivari am 1. November 1866, John Tenniels Bismarck-Gedenkbild „Dropping the Pilot / Der Lotse geht von Bord “ (1890), John Heartfields „Blut und Eisen“-Kreuz (1934), Andreas Paul Webers „Das Gerücht“ (1943). Nach dem Ende des Weltkriegs dann Loriot und Prechtl, Sempé und Bretécher, Waechter und Murschetz, Spiegelman, und die bösen Briten Searle, Scarfe, Bell – der wieder einen Papst ins Zentrum setzt, diesmal unseren Benedikt.
Karikatur ist ein Aufklärungsgenre bei Platthaus, ihre Geschichte ist die Geschichte der Vernunft, die gegen gesellschaftliche Obsessionen, Religionen und Ideologien antritt. Darauf ist denn auch die Deutung einer der berühmtesten Karikaturen gegründet „El sueño de la razón produce monstruos“ aus der Serie der „Caprichos“ (1797/98), mit denen Francisco José Goya das Genre dem 19. Jahrhundert anpasste, Karikatur noir. Das Wort sueño kann im Spanischen sowohl Schlaf wie Traum bedeuten, aber für Platthaus kann eine fantastische Produktivität des Traums, eine dunkle Seite der Vernunft nicht gemeint sein auf diesem Bild.
„Zur Karikatur“, schreibt Andreas Platthaus, „gehört Widerstand, seitens des Karikaturisten und seitens der Karikierten.“ Weshalb das früheste Beispiel, das er zeigt, eigentlich keine Karikatur ist – ein Graffito in einer Mauer in einem römischen Kaiserpalast, wohl aus dem zweiten Jahrhundert nach Christus, die „erste Gotteslästerung“. Ein Mann betet einen Gekreuzigten an, der einen Eselskopf hat. Ein Spott gegen eine damals verfolgte Religion, also ein Akt der Häme, ein Schmähbild. Karikatur und Schmähung, die Diskussion ist durchaus aktuell.
Karikatur hat eine feste Stoßrichtung in den Analysen dieses Bandes, ein Ziel, eine Intention, eine Bedeutung. Aber dann wird man immer auch von der zarten, kritzeligen Atmosphäre dieser Zeichnungen berührt, von dem, was über diese Bedeutung hinausgeht und was Roland Barthes den „stumpfen“ Sinn genannt hat. Berninis kleiner Innozenz und der Mohammed von Charlie Hebdo sind zwei einsame, verschrumpelte, alte Männer. Sie sind Gefangene ihrer Religion, überfordert von der Größe ihrer Aufgabe, die man ihnen aufgezwängt hat. Es ist am Ende ihre Traurigkeit, die ihre Lächerlichkeit ausmacht.
Andreas Platthaus: Das geht ins Auge. Geschichten der Karikatur. Die andere Bibliothek Band 381, Berlin 2016. 479 Seiten, 42 Euro.
Was trennt die Karikatur von der
Schmähung? Eine aktuelle Frage
William Hogarths „Characters and Caricaturas“.
Abb.: Verlag
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"Andreas Platthaus' mit Leidenschaft, Fachwissen und Witz geschriebene 'Geschichten der Karikatur' erlauben einen aufschlussreichen und kurzweiligen Einblick nicht nur in die Geschichte, sondern auch in das Wesen, die Rolle und die Grenzen der Karikatur." Christian Gasser SRF 2 Kultur 20170206