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Von 1933 bis zu seinem Tod 1946 war Clemens August Graf von Galen Bischof von Münster. Hatte er an der Autorität der nationalsozialistischen Regierung als legitimer staatlicher Obrigkeit anfangs nicht gezweifelt, erkannte er früher als andere, dass dieses Regime in den Abgrund führte. Den öffentlichen Protest, den er von der Bischofkonferenz lange gefordert hatte, wagte er schließlich unter Lebensgefahr allein.
Aus zahlreichen, auch bislang unveröffentllichten Dokumenten und Fotografien erschließt Hubert Wolf ein differenzierendes Lebensbild. Er zeigt einen Galen, der persönlichen Grenzen
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Produktbeschreibung
Von 1933 bis zu seinem Tod 1946 war Clemens August Graf von Galen Bischof von Münster. Hatte er an der Autorität der nationalsozialistischen Regierung als legitimer staatlicher Obrigkeit anfangs nicht gezweifelt, erkannte er früher als andere, dass dieses Regime in den Abgrund führte. Den öffentlichen Protest, den er von der Bischofkonferenz lange gefordert hatte, wagte er schließlich unter Lebensgefahr allein.

Aus zahlreichen, auch bislang unveröffentllichten Dokumenten und Fotografien erschließt Hubert Wolf ein differenzierendes Lebensbild. Er zeigt einen Galen, der persönlichen Grenzen unterworfen ist und durchaus Fragen offen lässt. Und der dennoch an entscheidender Stelle Mut bewiesen und zum Schutz der Schwachen seine Stimme erhoben hat. Diese Stimme wurde in der ganzen Welt gehört, und sie klingt bis heute nach.
Autorenporträt
Hubert Wolf, geboren 1959, ist Professor für Kirchengeschichte an der Universität Münster. Er wurde u. a. mit dem "Leibnizpreis" der DFG, dem "Communicator- Preis" und dem "Gutenberg-Preis" ausgezeichnet.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.01.2008

Kampf ums Seelenheil
Held oder Feind: Bischof Galen im Dritten Reich
Der „Löwe von Münster”, der furchtlose Streiter wider die Ermordung Behinderter im Rahmen des nationalsozialistischen „Euthanasie”-Programms, hatte eine dunkle Seite, war Feind der Demokratie, Sympathisant des Krieges, nie Freund der Juden: So lauten die Konturen des öffentlichen Bildes von Clemens August Graf von Galen. Dieses Bild ist nicht länger haltbar. Zwei zur gleichen Zeit erschienene, gehaltvolle und vielschichtige Sammelbände gelangen aufgrund neuer Funde, neuer Fragen zu einem differenzierten Urteil. Der Pfarrer, Bischof, Kardinal war demnach in all seinem Handeln geprägt von der naturrechtlich fundierten, modernitätskritischen Theologie des 19. Jahrhunderts. Er wurde politisch, weil er jede Auseinandersetzung als einen Kampf um das Seelenheil begriff.
Den Bombenangriff auf Münster im Juli 1941 deutete er „im religiösen Kontext des alttestamentlichen Motivs von Gottes Strafgericht” – so Christoph Kösters in dem von Hubert Wolf herausgegebenen, leider massiv überteuerten Band. Die drei Predigten wenige Tage später, die von Galen weltberühmt machten, die Anklagen gegen den nationalsozialistischen Kirchenkampf und gegen die Tötung „lebensunwerten Lebens”, zielten ebenfalls auf das Prinzipielle, auf die Frage, wer denn Herrscher sei der Welt. Unmittelbar wirksam wurden die Reden aufgrund der Warnung, wer „unproduktive Menschen” ermorde, werde bald auch die Alten töten und die Schwachen und „unsere braven Soldaten, die als Schwerkriegsverletzte, als Krüppel, als Invaliden in die Heimat zurückkehren.” So wurde „der über die Krankenmorde gelegte Geheimhaltungsschleier irreparabel zerrissen” (Winfried Süß). Hitler brach die „Aktion T 14” ab. Rund 70 000 Menschen waren ihr bereits zum Opfer gefallen.
Recht gilt für alle Menschen
Von Galen folgte mutig seinem Gewissen, weil er der Heilszusage Jesu Christi nur auf diese Weise meinte gerecht werden zu können. Den Weltkrieg hatte er schon im September 1939 als ein Strafgericht gedeutet, ebenso tat er es im November 1943: als ein Gottesurteil über die „teuflischen” Nationalsozialisten. Von Galen griff am Beispiel der Euthanasie die Legitimität der braunen Herrschaft an. Sein Widerstand ruhte, wie Harald Wagner bei Wolf sehr klug darlegt, auf christologischem Grund und damit auf einer jesuitisch geprägten Spiritualität. Für von Galen hatte laut Wagner das Königtum Christi die „höchste Autorität, welcher alle Menschen, alle Nationen in ihrem Denken und Wollen unterworfen sind.” Bezeichnenderweise hatte die katholische Kirche 1925 das Fest Christkönig eingeführt. Es wird seitdem am Sonntag vor dem ersten Advent zum Abschluss des Kirchenjahres gefeiert.
Bereits im Ersten Weltkrieg sah von Galen, damals junger Feldgeistlicher, einen „furchtbaren Ausbruch jener alten Krankheit, deren Giftkeime aus der ersten Sünde stammen und die sich als traurige Erbschaft fortpflanzt von Geschlecht zu Geschlecht”. Trotz dieser konstant beibehaltenen Erbsündentheologie aber rief er auch während des Zweiten Weltkrieges nicht zur Verweigerung auf. Der Krieg bleibe ein „heiliger Kampf fürs Vaterland.” Maria Anna Zumholz fasst im von Joachim Kuropka edierten Band die „für unser heutiges Verständnis äußerst paradoxe und unverständliche Situation” zusammen: Der Soldat musste gemäß katholischer Kriegstheologie in einen „ungerechten und verbrecherischen nationalsozialistischen Vernichtungskrieg ziehen, diesen Kontext jedoch ausblenden und den Krieg als eine individuelle religiöse Bewährung in Gestalt eines Sühnefeldzuges für die Sünden der Welt deuten”.
Pazifisten sind aus anderem Holz geschnitzt, Kriegstreiber und Nationalisten aber auch. Die Ambivalenzen kommen nicht zur Ruhe. Weder ganz Kind seiner Zeit noch humanistischer Visionär war von Galen. Er trat „als erster Bischof bereits im Frühjahr 1934 öffentlich gegen den NS-Rassismus auf” – mit einem Osterhirtenbrief – und „versuchte seine Amtsbrüder zu deutlichen Stellungnahmen für die Geltung des Naturrechts für alle Menschen zu bewegen, was im Wesentlichen erfolglos blieb” (Joachim Kuropka). Die Reichspogromnacht im November 1938 aber beantwortete er mit Schweigen, obwohl er im Juni 1938 im gesamten Bistum ein katechetisches Heft zur Ehrenrettung des Alten Testaments hatte verteilen lassen. Die Titelfrage „Kann denn aus Palästina etwas Gutes kommen?” wurde klar bejaht. Und sehr wahrscheinlich ordnete er Ende November 1938 Bittgottesdienste für die Juden an. Den Sieg über Frankreich wiederum und die Kampfansage an den Moskauer „Bolschewismus” erfreuten ihn.
Da es unmöglich ist, dieses Verhalten auf einen anderen als einen theologischen, ja eschatologischen Begriff zu bringen, entzündeten sich an von Galens Haltung zum Hitlerregime viele Debatten. Die hartnäckigste lebt jetzt noch einmal bei Hubert Wolf auf: die Morsey-Kuropka-Kontroverse. Zentral ist der Brief des frisch gewählten Bischofs vom 27. November 1933 an den befreundeten Vizekanzler Franz von Papen. Im deutlich umfangreicheren „Streitfall Galen” ist er neben 33 anderen, zum Teil erstmals veröffentlichen Quellen abgedruckt. Allein schon deshalb muss man, um aus „Ein Kirchenfürst im Nationalsozialismus” klug zu werden, auch das konkurrierende Produkt zur Hand nehmen.
Rudolf Morsey zufolge belegt der Brief, dass Kollege Kuropka sich irrt. Dieser hält daran fest, von Galen habe seit 1932 „mit erstaunlicher Klarheit die heraufziehenden Gefahren” erkannt. Was aber schrieb er Papen im November 1933? Es gebe am Nationalsozialismus „vieles, was wir als Katholiken froh und dankbar begrüßen, z. B. Unterdrückung der Propaganda für Bolschewismus, Gottlosigkeit, Unsittlichkeit usw.” Im selben Brief – und da neigt sich die Waage zu Kuropkas Gunsten – benennt von Galen „verhängnisvolle Irrtümer”, denen die Katholiken auf den Leim zu gehen drohten, besonders die „widernatürliche Ausschaltung der individuellen Vernunft und der Einzelfreiheit”, wie sie sich in der nationalsozialistischen Schul- und Familienpolitik zeige.
Schon in einer Denkschrift vom 1. Mai 1933, die ebenfalls zwischen Morsey und Kuropka steht, lesen wir: Der neuen Regierung sei man „Ehrfurcht und Gehorsam schuldig”. Dennoch müssten alle Katholiken „gegen die Vergewaltigung des Rechtes die Stimme erheben”.
Ein punktueller Protest, kein prinzipieller Widerstand stand am Beginn der Auseinandersetzung mit den neuen Herren. Damit aber wurde Galen zum Außenseiter in der Bischofskonferenz, die unter Kardinal Bertrams Führung der Leisetreterei den Vorzug gab. Als der Episkopat im Herbst 1943 endlich einen kritischen Hirtenbrief verabschiedet hatte, legte von Galen Hand an und verschärfte den Tonfall für das Bistum Münster. Nun wurden ausdrücklich die „schuldlos Verhafteten und Bedrückten, die nicht unseres Blutes und Volkes sind”, in Schutz genommen. Wenn der jetzige Aachener Bischof Heinrich Mussinghoff bei Wolf resümiert, es bleibe die „bittere und beschämende Erkenntnis, dass ein öffentlicher Protest des Bischofs von Münster gegen die Verfolgung und Ausrottung der Juden unterblieb”, von Galen „hätte gut daran getan, öffentlich die geschichtlichen Leistungen des Judentums zu benennen und zu würdigen”, dann sind diese Zeilen seltsam nassforsch.
Schonungslos behandelt
Vor allem dem Herausgeber Kuropka sind einige neue Quellen zu verdanken. Unbekannt war etwa, dass von Galen sich im Oktober 1939 mit dem fanatischen Euthanasiebefürworter Karl Brandt, Hitlers Leibarzt, getroffen und laut einem Zeitzeugen „die Juden- und Häftlingsfrage anscheinend schonungslos behandelt” hatte. Kaum beachtet wurde bisher auch, dass das Konsistorium der evangelischen Kirche von Westfalen, wie Jürgen Kampmann bei Kuropka darlegt, die Predigten Galens als gefährlich einstufte und deren sofortige Weiterleitung an die Gestapo empfahl.
Der 2005 seliggesprochene Clemens August Graf von Galen war, nimmt man alles in allem, weniger tumb, weniger wankelmütig, als es seine nachgeborenen Kritiker insinuieren. Er war kein strahlender Held, kein Freiheitskämpfer reinsten Wassers, als den ihn sein Verehrerkreis profiliert. Er war einer der wenigen Deutschen, die in bedrückender Zeit das Gebot der Stunde erkannten. ALEXANDER KISSLER
HUBERT WOLF (Hrsg.): Clemens August von Galen. Ein Kirchenfürst im Nationalsozialismus. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2007. 278 Seiten, 79,90 Euro.
JOACHIM KUROPKA (Hrsg.): Streitfall Galen. Studien und Dokumente. Aschendorff Verlag, Münster 2007. 542 Seiten, 29,80 Euro.
Clemens August Graf von Galen wurde am 28.10.1933 zum Bischof von Münster geweiht. Foto: Scherl / Süddeutsche Zeitung Photo
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